Dog eat dog: "Falsch verbunden" (v. li.: Nancy Fischer, Markus Subramaniam und Björn Büchner).

Foto: Ch. Brachwitz

Linz - Im indischen Chennai ist es mitten in der Nacht. Drei junge Menschen sitzen im Callcenter und führen Telefonate in die USA. Hier im vierten Stock ist Illinois, denn dorthin telefoniert man den Schuldnern einer Kreditkartenfirma hinterher, will von ihnen wissen, wann sie ihr Minus abzustottern gedenken. Trickreich umgarnt man die "Zielpersonen" und treibt sie in die Enge. Ganz so wie man es in der Callcenter-Schule gelernt hat.

Regisseur Gerhard Willert bringt mit "Falsch verbunden - Disconnect" das jüngste Stück der indischen Dramatikerin Anupama Chandrasekhar auf die Bühne der Kammerspiele. Darin gaukeln die jungen Inder Ross (überzeugend: Markus Subramaniam), Vidya (Nancy Fischer) und Giri (Björn Büchner) den angerufenen Schuldnern vor, selbst Amerikaner zu sein. Ein Trugbild, an das die drei manchmal selbst glauben. Ross imaginiert sich die Skyline von Chicago auf die nächtliche Müllhalde vor dem Callcenter, und Giri ersteht eine Designerjacke, die ihn selbst in finanzielle Bedrängnis bringt.

Ihr Lebensstil mit iPods und Smartphones ist nur ein Abklatsch der westlichen Welt. Sie schuften hart, arbeiten ausschließlich nachts, machen in zwölfstündigen Schichten nur zweimal Pause. Zudem treibt sie der strafversetzte Abteilungsleiter Avinash (Sebastian Hufschmidt) erbarmungslos an, der wiederum von der Vorgesetzten Jyothi (Angela Smigoc) unter Druck gesetzt wird: Dog eat dog. Willert hat für die gelungene Übertragung ins Deutsche selbst gesorgt. Die Dialoge verzahnen sich mit den Telefonaten zu einem Panorama der fragilen Existenzen - das andere Ende der Leitung ist oft auch das eigene.

In die sprachlich kluge Konstruktion greift Willert jedoch zu wenig ein, der fortwährende Redefluss mündet mangels inszenatorischer Dichte in Monotonie. Schade, denn ein zügiger angesteuertes Finale hätte dessen anarchische Qualitäten - die Belegschaft wirft sich am 4. Juli in Partykostüme von Cowboy bis Disney - stärker befördert. (Wolfgang Schmutz/ DER STANDARD, Printausgabe, 22.10.2010)