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Berrouet: "Manche der Stöcke sterben einfach ab. Bis zu einem Alter von 25 Jahren, pflanzen wir nach. Danach nicht mehr, weil der Sprung zwischen jung und alten Pflanzen zu groß wird."

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Olivier Berrouet, 32, ist "Directeur" des Château Pétrus und somit in sehr jungen Jahren verantwortlich fürs Weinmachen auf einem der renommiertesten Weingüter der Welt. Er studierte Önologie in Bordeaux und folgte seinem Vater Jean-Claude nach, der 1964 bis 2007 auf Pétrus arbeitete.

derStandard: Was bedeutet Weinmachen für Sie?

Olivier Berrouet: Für mich erzählt der Wein eine Geschichte, die Geschichte eines Jahres und eines Ortes. Ich bin hier, um diese Geschichte am Laufen zu halten, um ihre Entstehung zu unterstützen. Ich schreibe sie aber nicht. Speziell wenn man in einem Betrieb wie Pétrus arbeitet, muss man als Mensch in den Hintergrund treten. Was die Natur und die Trauben liefern können, wird immer anders sein und unterschiedlich zu meiner Geschichte. Das war auch die Philosophie meines Vaters, immer im Hintergrund zu bleiben. Man kann nicht über das hinaus, was an Potenzial in den Trauben steckt. Unsere Arbeit als Weinmacher ist, dieses Potenzial herauszubringen, nicht es zu modifizieren.

derStandard: Sie haben in vielen bestens beleumundeten Betrieben gearbeitet? Was war am Interessantesten?

Berrouet: Es war immer interessant, selbst wenn man die Techniken, die man in Margaux, Haut Brion, Romanée Conti und so weiter lernt, nicht eins zu eins umsetzen kann. Die Philosophie ist dieselbe, man konzentriert sich auf die Qualität, die Eleganz und Balance des Weines. Die Leute sind sehr glücklich in diesen Betrieben und wissen auch, dass es ein Glück ist, dort dabei zu sein. Und wir sind auch sehr demütig und haben kein Rezept im Hinterkopf, nach dem wir jedes Jahr mit etwas völlig Neuem anfangen.

derStandard: Sie haben auch in einem australischen Großbetrieb gearbeitet? Wo war das?

Berrouet: In Mildura am Murray River in Victoria. Es war eine Riesenfirma, die 14 Millionen Flaschen jährlich erzeugte. Etwas in einem Teil des Betriebes zu vergessen, passierte einem nur einmal. Es dauerte 35 Minuten, um von einem Ende zum anderen zu kommen. Der Manager war ein Trainee meines Vaters. Ich hatte auch Gelegenheit vieles auszuprobieren, das in Frankreich schlicht nicht erlaubt ist. Ich verbrachte neun Monate dort und lernte viel. Es ist ein völlig anderer Zugang, aber im Endeffekt geht es immer noch um Wein. Und wir dürfen nicht vergessen, dass 80 Prozent des Weines der Welt so erzeugt werden. Schlußendlich ist es eine Industrie.

derStandard: Es heißt, dass Sie eine Menge technischer Änderungen veranlasst hätten, seit Sie übernommen haben. Was haben Sie geändert?

Berrouet: Ich bin ziemlich jung, und erst seit zwei Jahren dabei. Und angesichts der Geschichte und des Standings von Pétrus bin ich eigentlich immer noch in der Lernphase. Bevor man in einem Betrieb wie Pétrus große Änderungen macht, muss man sich Zeit nehmen. Man darf einfach keine falsche Entscheidung treffen. Und es braucht Zeit bis Änderungen greifen, bisher haben

derStandard: Was wäre der nächste Schritt für Sie nach Petrus? Wo würden Sie gern arbeiten?

Berrouet: Ich weiß es nicht, hier vielleicht .... Das ist wie eine Hochzeit.

derStandard: Ihr Vater war 45 Jahre im Betrieb...

Berrouet: ... und ich wurde am ersten Tag der Ernte 1978 geboren.

derStandard: Gelten Trinkfreudigkeit und frühe Zugänglichkeit nicht als spezielles Kennzeichen von Pomerol? Einige meinen, dass die Weine deshalb nicht haltbar sind.

Berrouet: Das mit der Zugänglichkeit kann man nicht generalisieren, aber die Rebsorte Merlot macht einiges aus. Zur Haltbarkeit: 1982 Pétrus war nach sechs Monaten gut und ist es heute noch. Auf andere muss man eben länger warten. Aber alle großen Weine in Bordeaux sind leicht zu trinken. Das ist eine der großen Qualitäten, die "Drinkability" reiferer Weine ist erstaunlich.

derStandard: Haben St. Emilion und Pomerol in heißen Jahren einen Vorteil....

Berrouet: Das Glück von Pomerol und noch viel mehr von Pétrus ist, dass sie auf Lehm liegen, der in warmen Jahren einen großen Vorteil bringt, weil er Wasser speichert und somit Kühle in den Wein bringt. All die großen Terroirs in Bordeaux haben die Eigenschaft, die Exzesse des Klimas auszugleichen.

derStandard: Der durchschnittliche Alkohol in Weinen aus Bordeaux ist heute deutlich höher als noch vor 15 oder 20 Jahren. Damals lag er oft genug bei 12,5 und 13, wenigstens dem Etikett nach. Heute sind 14, 15, selbst 16 Prozent in heißen Jahren keine Seltenheit. Was ist der Grund dafür?

Berrouet: Dafür gibt es mehrere Gründe: zuerst einmal die Klone von Merlot, die bei den Auspflanzungen gesetzt wurden. In den 1960-ern und 1970-ern wurden die Pflanzen danach ausgewählt und vermehrt, ob sie imstande sind, viel Zucker einzulagern. (Anm. Je mehr Zucker im Most desto höher der Alkohol nach der Vergärung). Sie werden immer noch verwendet. Auch das Wetter hat sich verändert. Das war bereits in den 70-er und 80-er Jahren spürbar, als mein Vater noch gearbeitet hat. Es gab auch Entwicklungen in der Technik. Immer mehr machen Grünernte und Laubarbeit. Durch die Grünernte erhöht sich die Zuckerkonzentration in den Beeren und Trauben, die noch am Trieb sind. Daraus ergibt sich eine Diskrepanz zwischen der "technischen" Reife von Zucker und Säure und der phenolischen Reife des Tannins, die sich nicht parallel entwickeln. Wenn man das Tannin perfekt reif kriegen möchte, werden die Beeren mehr Zuckerkonzentration haben müssen. Das erklärt zum Teil auch, weshalb später gelesen wird.

Auf Pétrus haben wir 2010 fast keine Grünlese gemacht, sondern nur versucht, die Traubencluster zu entwirren und locker zu machen, um Fäulnis zu vermeiden. Wir versuchten mit sanfteren Methoden zum Ziel zu kommen. Für uns sind die Alkohollevels ein Anliegen. Und wir mögen es nicht, wenn unsere Weine mehr als 14 haben. Denn das ist eigentlich nicht mehr Pomerol oder St. Emilion.

derStandard: Im Allgemeinen gilt Handarbeit als Zeichen für Qualitätsarbeit beim Weinmachen. Seit 2009 setzen Sie Sortiermaschinen ein. Warum?

Berrouet: Mit dem großen Sortiertisch begannen wir 2002. Bis dahin wurde gleich beim Runterschneiden der Trauben ausgelesen. Damals begannen wir auch damit, kleine Kisten zu benutzen. Am Sortiertisch arbeiteten 20 Menschen. Die Leute standen vor und nach dem Abbeeren, um wirklich jede Beere "behandeln" zu können. Das Problem war nur, dass es zu langsam ging. Wir mussten die Beeren zwischenlagern. Diese Maschine, die wir seit 2009 benutzen, gibt es seit 20 Jahren für Erbsen, Erdbeeren, Ananas und andere Früchte. Sie ist nichts Neues, musste aber für Trauben erst adaptiert werden. Heute verarbeiten wir dadurch vier Mal so rasch. Das gibt uns wieder mehr Spielraum während der Ernte, wenn es notwendig ist rascher zu arbeiten ist dies genauso möglich, wie langsamer vorzugehen. Auch die Qualität der sortierten Trauben ist besser. Ich weiß nicht, ob Sie es je probiert haben, aber nach einer Stunde wird man schon sehr müde.

derStandard: Pétrus ist bekannt dafür, ungewöhnliche Methoden anzuwenden, wenn es darum geht, die Traubenqualität zu erhalten. Ich erinnere an die Helikopter bei der Ernte 1987, die die Trauben abtrockneten, oder die Laubstaubsauger 1997 eingesetzt wurde, als es in die Ernte reingeregnet hatte ...

Berrouet: Wir haben auch eine Methode entwickelt, um den Trockenstress in den Pflanzen zu messen. Sie wurde 1998 bei Dominus angewandt, als ich als Trainee dort war (Anm. Dominus Estate, Napa Valley, Kalifornien, ein weiterer Betrieb im Moueix-Firmenkonglomerat) Man nimmt ein Blatt, steckt es in ein schwarzen Plastiksack und macht zu. Das Blatt glaubt, es ist Nacht. Der Wasserdruck ist in der ganzen Pflanze gleich. Dann nimmt man es heraus und setzt es unter Druck und misst, wie viel man braucht, um einen Tropfen Wasser zu bekommen. Je höher dieser benötigte Druck, desto höher ist der Trockenstress. So kann man den Druck im Wasserhaushalt der Pflanze während des Sommers messen und beobachten.

2010 haben wird diese Maßnahme den ganzen Sommer über in Bordeaux angewandt Wir hatten 35 mm Regen Anfang September, was gut war. Davor war der Stress extrem hoch, die Pflanzen waren knapp davor abzublocken und ihre Tätigkeit einzustellen (Anm. Assimiliation, Reifen). Das Wasser hat geholfen, damit der Reifeprozess bis zur Ernte weitergeht.

derStandard: Wie war der Witterungsverlauf dieses Jahr in Ihrer Gegend?

Berrouet: Es war extra trocken, nur ein Drittel des regulären Niederschlags in Juli und August, nicht wirklich warm generell, aber doch mit Hitzephasen und die Nächte waren ziemlich kühl. Das bedeutet eine langsame Ausreifung der Beeren.

derStandard: Ist langsam und gemäßigt nicht besser als die volle Hitze?

Berrouet: Es ist wie es ist. im Endeffekt geht es nur um die perfekte Reife, egal ob die in 45 oder 55 Tagen erreicht wird. Es zählt nur das Resultat. Aber aus der Erfahrung wissen wir, dass zwei, drei Wochen vor der Ernte, große Hitze nicht mehr gut ist. Wichtig sind dafür kühle Nächte. Alles in allem sollten keine Exzesse auftreten. Es ist ziemlich hart, guten Wein mit Exzessen zu machen.

derStandard: Wie alt sind die Rebstöcke auf Pétrus?

Berrouet: Ca 40 Jahre....

derStandard: .... das scheint nicht zu alt, viele glauben, dass nur richtig alte Stöcke wirklich guten Wein bringen?

Berrouet: Manche der Stöcke sterben einfach ab. Bis zu einem Alter von 25 Jahren, pflanzen wir nach. Danach nicht mehr, weil der Sprung zwischen jung und alten Pflanzen zu groß wird. Also wenn jemand sagt, der Weingarten ist 80 Jahre alt und 60 Prozent davon wurden im Laufe der Zeit neu gepflanzt, sagt das also gar nichts aus. Wir ziehen es vor, einen einigermaßen einheitlich alten Weingarten zu haben.

derStandard: Pétrus macht nur einen Wein, keinen Zweitwein wie auf anderen Chateaus üblic. Im Zweitwein landen jene Fässer, die für den Erstwein als nicht passend angesehen werden. Natürlich ist das dennoch sehr guter Wein, alles andere als ein Abfallprodukt und wird zu teuren Preisen verkauft wie z.B. Château Latour und Les Forts de Latour ...

Berrouet: Wir haben 15 Blocks Weingärten für Pétrus, die einzeln vinifiziert werden. Wir gehen davon aus, dass jede einzelne Charge das Potenzial hat, Pétrus zu werden. Aber im Endeffekt verwenden wir nur zehn bis zwölf davon, weil es um den speziellen Charakter, die perfekte Balance im Wein geht. Wir machen den Blend recht früh in der Saison im Februar, März und haben dann nur einen Wein, der eben zu Petrus wird. Ausschließlich der Geschmack des Verschnitts entscheidet welche der Chargen dann im endgültigen Pétrus landet.

derStandard: Wer ist beim Final Blend involviert?

Berrouet: Mein Vater, Christian Moueix, der Bruder des Besitzers, und ich. Wir müssen 2:1 entscheiden. In manchen Jahren wie 2009 geht das sehr schnell. 2008 dauerte es sehr lange, bis wir entschieden hatten. Die Zeremonie des Verschnitts und der Moment der Entscheidung ist magisch. Es ist Winter man hat weniger zu tun und man fokussiert nur auf den Wein. Nach einer Stunde ist es vorbei mit dem Verkosten, da kann das Gehirn dann nicht mehr unterscheiden.

Bei Pétrus geht es darum, einfach die richtige Kombination aus den unterschiedlichen Fässern zu finden. Es sind nicht automatisch die am besten Schmeckenden oder jene mit dem höchsten Alkohol, sondern jene die am besten zusammenpassen und sich zu Pétrus ergänzen.

derStandard: Haben Sie jemals ganze Ernten deklassiert, weil sie qualitätsmäßig nicht entsprochen haben?

Berrouet: 1991, 1965 ebenfalls. Von 1996 gab es weniger als die Hälfte der normalen Menge und nur, weil die US-Einkäufer es gefordert haben. Auch 1956 existiert nicht. Wenn sie also einen 56-er sehen, können sie sicher sein, dass der nicht echt ist....

derStandard: Pétrus ist angesichts seiner Preise am Markt ein Lieblingsobjekt von Weinfälschern. Was tun Sie dagegen?

Berrouet: Das ist uns ein großes Anliegen. Wir benutzen Authentifizierungsmethoden für die Flaschen im Betrieb. Mein Vater begann in den 1980-ern damit. Wir führen genau Buch über jede Flasche, die wir in den letzten 30 Jahren herausgegeben haben oder die hier am Weingut durchgelaufen sind. Wir machen auch jede Menge Re-Etikettierungen (Relabeling), jedoch kein Neu-Verkorken.

derStandard: Wie spielt sich das Relabeling ab?

Berrouet: Wir bekommen die Flaschen und kontrollieren mit Hilfe eine Notars, ob sie echt ist. Wenn wir Zweifel haben, dann schicken wir sie nicht zurück, sondern geben sie an die Polizei weiter. So können wir die Fakes dem Markt entziehen. Wenn der Kunde nun die Quelle, wo er die Flasche gekauft hat, klagen will, schließen wir uns mit ihm zusammen. Meistens wissen wir nicht, woher er die Flasche hat.

derStandard: Von Pétrus gibt es rund 30.000 Flaschen, von Le Pin etwa 6000 oder 7000. Mouton-Rothschild geht in die 100.000. Wie viel Menge kann man machen, um als exklusiv durchzugehen?

Berrouet: Das hängt ausschließlich vom Jahrgang ab. In manchen Jahren sind alle Blocks perfekt, dann haben wir 40.000 Flaschen von sehr hoher Qualität. in manchen Jahren nur 20.000, weil der Jahrgang nicht mehr zulässt. Das hängt alleine von der Natur ab. Weine, die nicht Pétrus-würdig sind, werde als „bulk wine" (im Gebinde) verkauft.

derStandard: 30.000 für die gesamte Welt, sie könnten ein Vielfaches davon verkaufen. Oder Sie könnten alle Flaschen nach China verkaufen ...

Berrouet: Aber das ist nicht das Ziel von Petrus. Der Preis am Primeurmarkt ist der geringste aller Premier Crus. 2009 war es so etwas wie 350 Euro, Pétrus "ab Hof" ist ziemlich günstig. Den weiteren Preis macht der Markt. Natürlich ist das ab Hof immer noch teuer, aber es ist einer der weniger Teuren unter den Teuren. Das Ziel von Mr. Moueix war, das alle die damit zu tun haben daran verdienen können. Wenn man Pétrus gut verteilen möchte, müssen alle Mittelsmänner und Beteiligten daran verdienen....

derStandard: Ende März, Anfang April finden die Primeurverkostungen im Bordeaux statt, bei denen Journalisten aus aller Welt durch die Weingüter ziehen, den jungen Wein des Herbstes davor verkosten und ihr Urteil fällen, das dann je nach Einfluss der Publikation einzementiert ist und auch die Preisentwicklung mitbestimmen kann. Ihr Vater bezweifelte offen die Nützlichkeit dieses Events. Er kritisiert, dass es viel zu früh nach der Ernte stattfindet. Wie denken Sie darüber?

Berrouet: Ich starte meine Karriere gerade, er hat sie beendet und kann daher offen darüber reden. Aber ich denke auch, dass es zu früh ist. Der Wein kann in dieser Zeit Ende März, Anfang April von einer Woche auf die andere völlig anders sein kann. Der Wein ist mitten in seiner Entwicklung.

Mein Vater hat erzählt, dass bis Mitte, Ende der 1980er die Journalisten den Wein erst probierten, nachdem er verkauft war. Da gab es eine Menge Verschiebungen. Andererseits konzentriert sich eine Woche lang das Interesse der gesamten Weinwelt auf die Region. Das ist wieder positiv daran.

derStandard: Ihr liebster Pétrus?

Berrouet: Ich bin ein großer Fan von 1982 und im Moment von 1975, der ein sehr lehrreicher Jahrgang war. Nach drei wirklich schwierigen Jahren, dachte mein Vater, dass er die nötige Balance erzielt, wenn er die Extraktion etwas pusht. Aber 1974 trocknete relativ rasch aus, aus genau diesem Grund. Also entschloss er sich 1975 vorsichtiger zu sein, mit sehr sanfter und kurzer Mazeration nur 12 Tage. Die Weine aus 1975 sind heute immer noch frisch und in Balance. Wir trinken ihn sehr viel dieser Tage. (Luzia Schrampf/Der Standard/rondo/12/11/2010)