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Faust: Mobbing stoppt man am besten, indem man es öffentlich macht.

Foto: APA/Jörg Lange

Linköping/Berlin - Viele Jugendliche schieben ihren Klassenkollegen selbst die Schuld daran zu, wenn diese von anderen gezielt ausgegrenzt, belästigt oder in verschiedenster Form schikaniert werden. Die Situation an der Schule hinterfragen hingegen die wenigsten. Das berichten Forscher der schwedischen Linköping-Universität im Springer-Journal "Child and Youth Care Forum". Experten aus der Praxis bestätigen hingegen, dass die Haltung einer Schule zu Gewaltfreiheit ein zentraler Faktor für das Entstehen von Mobbing in der Klasse ist.

Die Forscher befragten 176 Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren nach der Ursache für Mobbing an Schulen. Bei der Frage, wer Mobbing auslöst, tippen 69 Prozent auf den Täter selbst - konkret auf seine Charakterschwächen wie etwa Unsicherheit, jedoch auch auf dessen Macht-, Status- und Beliebtheitsstreben. Fast die Hälfte der Befragten - vor allem Burschen - nehmen aber auch 42 Prozent die Opfer in die Pflicht und sehen deren "Andersartigkeit" oder "Komischsein" als Auslöser.

Gemobbte brauchen zweites Standbein

"Gemobbte Schüler fühlen sich oft selbst schuldig", berichtet Kristine Kretschmer, Projektleiterin der Anti-Mobbing-Seite des deutschen Netzwerks Seitenstark. "Dazu reicht schon Übergewicht, ein nicht akzeptierter Musikstil oder auch nur eine Brille. Man kann wegen allem gemobbt werden." Das Problem entsteht meist dann, wenn jemand in seinem Anderssein verletzbar ist, was besonders in schwierigen Lebenssituationen der Fall ist. "Ereignisse wie Todesfälle, Erkrankungen oder Streit in der Familie machen sensibel und lassen stärker reagieren."

Der wichtigste Rat für die Opfer sei der, Hänseleien so gut wie möglich zu ignorieren, damit die Täter den Spaß am Mobbing verlieren. Weiters ist es wichtig, eigene Stärken zu finden, an denen man sein Selbstbewusstsein aufbauen kann. "Es geht um die Frage 'Was kann ich?' Wenn die Klasse Probleme bereitet, so ist es gut auch andere Standbeine zu haben, etwa Gemeinde, Vereine, Tanzen oder Singen. Vielen hilft auch Kampfsport - bloß um das Gefühl zu haben, dass man sich im Ernstfall verteidigen kann", rät Kretschmer den direkt von Mobbing Betroffenen.

Anlaufstelle ist der Lehrer

Laut der schwedischen Studie sehen Schüler auffallend selten das Umfeld als Problem für Mobbing - nur 21 Prozent bei der Clique und sieben Prozent in der Schule. "Schülern fehlt hier noch der Blick auf Zusammenhänge, denn das Umfeld spielt eine zentrale Rolle", betont Kretschmer. Klassenzimmer seien öffentliche Räume, folglich gehören zu Mobbing nicht nur Täter und Opfer, sondern auch Zuseher, Lehrer und der Schulleiter. "Mobbing geschieht dort, wo es nicht verhindert wird und niemand dazwischen geht. Die Schule muss jedem Schüler das Lernen ermöglichen, was nur bei Gewaltfreiheit der Fall ist", so das Urteil der Expertin.

Wichtig sei deshalb, dass Fälle von Mobbing so bald wie möglich öffentlich werden. "Schüler sollten es dem Lehrer berichten, der darauf reagieren muss. Die Erfahrung zeigt, dass die Situation über diesen Weg am besten gelöst wird." Auch die Eltern spielen hier eine Rolle. "Erfahren sie davon, so sollte die Reaktion nicht 'So schlimme Kinder' lauten, sondern 'Warum dürfen die das?' Folglich sollten sich Eltern immer an die Schule wenden und nicht an die Eltern der Täter, da diese ihre Kinder immer in Schutz nehmen werden", empfiehlt die Expertin. (pte)