Quizfrage: Was ist ein Pütchipü'üi? Natürlich - das ist ein Vertreter des kolumbianischen Indiostammes Wayu, der über ein spezielles, gesellschaftliches "normatives System" gebietet. Dieses wiederum wird diese Woche einer 24-köpfigen Kommission präsentiert, um in die Weltkulturerbeliste der Uno-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) mit Sitz in Paris aufgenommen zu werden.

Die neueste Welterbekür betrifft 51 Kandidaten in der "immateriellen" Sparte. Darunter befinden sich - neben dem Pütchipü'üi - unter anderem die Meschrep-Volkskunst der Uiguren, das kroatische Gewürzbrot, die arabische Falknerei, der spanische Flamenco-Tanz oder der Rindermarkt im belgischen Hautem-Saint-Liévin. Die meisten Anwärter haben gute Chancen, die 170 schon bestehenden "geistigen" Kulturgüter des Planeten zu ergänzen. Die seit acht Jahren existierende Liste ergänzt die ältere Aufstellung von über 900 Naturschauplätzen und Kulturgütern wie etwa den Pyramiden von Gizeh, der Akropolis oder dem Grand Canyon. Insgesamt zählt die Unesco heute über tausend Güter, darunter acht aus Österreich (Hallstatt, Wachau ...).

Regelmäßig schafft die größte Unterorganisation der Uno neue Kategorien. Jüngst etwa das "Kulturerbe unter Wasser" - auch Schiffswracks wollen vor dem Zerfall sowie dem Schwarzmarkthandel geschützt werden! Neueren Datums ist die Sparte "Gedächtnis der Menschheit", in der schriftliche Dokumente wie die Gutenberg-Bibel oder das Nibelungenlied Unterschlupf finden.

Bei einem so reichhaltigen Angebot irdischer Herrlichkeiten kann es nicht verwundern, dass sich die Kandidaten langsam auf die Zehen treten. Bei der aktuellen Kür bewirbt sich zum Beispiel die französische Esskultur. Denn wie Präsident Nicolas Sarkozy bei der Lancierung der Kandidatur 2008 gesagt hatte: "Wir haben die beste Gastronomie der Welt - zumindest in unseren Augen." Da der Nachsatz rasch vergessen war, sind die Italiener und Spanier bis heute aufgebracht - nicht nur, weil sie ihre Pasta- und Tapas-Kultur auch gerne durch die Unesco prüfen lassen würden. Zusammen mit den Griechen und Marokkanern kandidieren sie diese Woche mit der "mediterranen Diät".

Rettung durch Ernennung?

Umstritten ist bei der Kommissionstagung in Nairobi ferner die Mehrfachkandidatur Chinas, die mehr mit Nationalstolz als mit echtem Heimatschutz zu tun hat. Einige chinesische Objekte sind nach Ansicht von Kulturexperten existenzgefährdet, und die Unesco wird sie deshalb aufnehmen müssen. Ob sie dadurch besser geschützt werden, bleibt aber offen. Die Uno-Organisation führt zwar auch Listen gefährdeter Objekte, viele Länder sträuben sich aber aus Prestigegründen, "ihr" Kulturgut so negativ erwähnt zu sehen (z. B. Ecuador und die Galapagosinseln), auch wenn dies oft mit Hilfsgeldern verbunden ist.

Der an sich sehr sinnvolle Kultur- und Naturgüterschutz, der dem "world heritage" zugrunde liegt, ertrinkt immer mehr in einer Flut von Ernennungen. Masse ersetzt Klasse. Nach den Naturwundern, Kulturdenkmälern und Geistesgütern propagiert die Unesco vielleicht bald eine Liste erhaltenswerter Menschen. (Stefan Brändle, DER STANDARD - Printausgabe, 16. November 2010)