ModeratorIn: Wir begrüßen Bildungsministerin Schmied im Chat und bitten die UserInnen um Fragen!

Claudia Schmied: Herzlich Willkommen. Ich freue mich auf unseren Gedankenaustausch.

Theatre of Tragedy: Sehr geehrte Frau Minister, warum, denken Sie, herrscht in diesen Land ein solches Klima gegen Studenten und Interlektuelle?

Claudia Schmied: Das ist sehr verallgemeinernd. Studierende und Intelektuelle sind für unser Land sehr wichtig, gerade weil wir uns oft mit Kritik sehr schwer tun im Bereich der Bildung und im Bereich der Kunst möchte ich mich ganz besonders den Zeitgenossen zuwenden.

timurinamanu: Sehr geehrte Frau Schmied! Meine Cousins(beide Volksschüler) haben beim Mittelungsheft eine Nachricht erhalten, dass es wegen Lehrermangel keinen Deutsch Förderkurs geben wird. Wie sieht es mit den Lehrerkapazitäten aus? Haben wir genug Personal, od

Claudia Schmied: Das kann so nicht sein. Wir haben erst im Juni die Deutschförderung gesetzlich verankert. Nehmen Sie bitte mit dem Landesschulrat Kontakt auf und schicken Sie eine Information an meine Mailadresse in meinem Ministerium.

kowe: sg. fr. schmied. zuerst danke für ihre konsequente arbeit. meine frage: können wir uns es leisten uns den ethikunterricht nicht zu leisten, gerade in einer zeit wo wesentliche paradigmata der gesellschaft ins wanken kommen? lg werner koblmiller

Claudia Schmied: Die bestehenden Schulversuche zum Ethikunterricht werden konsequent fortgesetzt. Das Projekt der flächendeckenden Einführung ist aus budgetären Gründen aufgeschoben aber nicht aufgehoben.

ModeratorIn: Eine Userfrage über Twitter: wie wollen sie den lehrerberuf attraktiver machen? (lehrer mit uni-abschluss haben mit die geringsten gehälter für akademiker.)

Claudia Schmied: Einen Punkt sprechen Sie bereits direkt an: wir brauchen attraktivere Einstiegsgehälter für unsere LehrerInnen. Wir sind dazu in intensiven Gesprächen mit der Lehrergewerkschaft und dürfen dabei auch nicht vergessen, dass wir auch hier im internationalen Wettbewerb stehen. Auch geht es um Arbeitsplätze an der Schule und erstklassige Aus- und Fortbildung. Mit Ministerin Beatrix Karl und einem engagierten Vorbereitungsteam unter der Leitung von Dr. Andreas Schnider arbeiten wir an der LehrerInnenbildung neu. Erste Studiengänge soll es bis 2013 geben. Mehr dazu unter www.bmukk.gv.at/lbneu

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Rot/Grün in Wien hat angekündigt, die neue MS flächendeckend einzuführen - werden Sie Sie dabei unterstützen? Werden Sie die 10%-Klausel zu Fall bringen?

Claudia Schmied: Das ist eine wichtige Frage. Zur flächendeckenden Einführung der neuen Mittelschule brauchen wir einen Gesetzesbeschluss, d.h. die Zustimmung des Regierungspartners. Außerdem müssen auf Basis dieses Gesetzesbeschlusses die Standorte gut vorbereitet werden. Eine Umstellung geht nicht von heute auf morgen, sondern braucht einen Stufenplan. Ich bleibe optimistisch, dass insbesondere mit Ministerin Karl Schwung in die Bildungspolitik des Regierungspartners kommt.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Frau Ministerin, Sie sind die einzige Person in der Bundesregierung die für Ihre Überzeugungen auch einsteht. Haben Sie keine Angst, dass sie Ihren Job deshalb bald los sein könnten?

Claudia Schmied: Nein. Es ist wichtig, eine Meinung zu haben und sie auch zu vertreten. Das ist die beste Absicherung, um gut durch das Leben zu kommen.

meryn: Wie sehen Sie die Argumentation von Wissenschaftsministerin Karl im Hinblick auf die Kürzungen außeruniversitären Forschungsinstituten? Muss hier wirklich eine Strukturbereinigung stattfinden?

Claudia Schmied: Das ist in jedem einzelnen Fall zu prüfen. Viele Institute leiten ihre Stärke gerade aus der hohen Autonomie und Eigenständigkeit ab. Sie sind gerade deshalb gesuchte Partner der Wirtschaft.

Necromancer: Was halten Sie vom verpflichtenden Religionsunterricht und wieso müssen Kinder hier die Religion lernen, die die Eltern diktieren (zumindest bis sie 14 sind)?

Claudia Schmied: Diese Frage ist im Konkordat verankert und beantwortet.

Gleichheit: Was halten sie von der Frage von religiösen Symbolen in Klassenzimmern und Schulen? Sowohl Kopftücher als auch Kreuze in der Klasse?

Claudia Schmied: Hier ist eine liberale, weltoffene Haltung angebracht. Gerade das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen erfordert ein hohes Maß an Selbstbewusstsein, Ich-Identität und Toleranz. Entscheidend ist der Respekt gegenüber den anderen der heute oft ein Fremder ist. Neben den Integrationsbemühungen müssen wir allerdings in aller Deutlichkeit auch Integrationsbereitschaft einfordern. Ein großes Thema für uns alle.

Oliver Kurier: Was sagen Sie zu der Sonderschule? Wird die Sonderschule abgeschafft? Lt. UN Menschenrechtsgesetzt muss Österreich die Sonderschulen aufgeben, denn es nicht nach dem Menschenrecht entspricht!

Claudia Schmied: Diese Meinung vertritt Österreich nicht. Wir verfügen über ausgezeichnete sonderpädagogische Zentren, die auch von sehr vielen Eltern hoch wertgeschätzt werden. Darüber hinaus gibt es auch Integrationsangebote an den Schulen. Beides hat heute seine Berechtigung wenngleich wir die Integration in Zukunft weiter ausbauen wollen und vor allem auch in der Sekundarstufe II Angebote entwickeln wollen.

_0816_: Sie haben eine der vorigen Fragen nich vollständig beantwortet: Wie sieht es mit dem Lehrpersonal aus? Sind ausreichend LehrerInnen vorhanden? (vor Allem für Mittelschulprojekte wo mehrer Lehrkörper por Klasse vorgesehen sind)

Claudia Schmied: Wir treffen verschiedene Maßnahmen um den punktuellen LehrerInnenmangel zu beheben, z.B. Mobilitätsprogramme, Angebote für Quereinsteiger, Mehrdienstleistungen der LehrerInnen.

Bundesministerium für Jenseitige Angelegenheiten: Laut Budget-Fahrplan sollen in den nächsten vier jahren über 700 Mio Euro im Bildungssektor eingespart werden - wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Claudia Schmied: 75% des Konsolidierungsbedarfes wird im nicht unmittelbar pädagogischen Bereiches dargestellt. So entlastet etwa der SchülerInnenrückgang in den kommenden Jahren unser Budgeterfordernis. Bei den Investitionen in Bundesschulgebäude kommt es zu langfristigen Finanzierungsmodellen und punktuellen Projektverschiebungen. Einzelne Vorhaben wie z.B. Ausbau des Ethikunterrichts sind derzeit nicht möglich. Dem gegenüber stehen 320 Mio Euro Offensivmittel für den Ausbau ganztägiger Schulangebote in ganz Österreich.

meryn: Was halten Sie von der Kritik an der Familienbeihilfe-Kürzung?

Claudia Schmied: Im Bereich der Stipendien habe ich mich bereits zu Wort gemeldet. Ich gehe davon aus, dass es Ministerin Karl gelingen wird, die Ungerechtigkeit der Stipendienkürzung zu beseitigen. Derzeit laufen Gespräche auf der Ebene der Regierungsspitze.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Wie lange müssen die öffentlich-rechtlich anerkannten, nicht gewinnorientierten und von Eltern getragenen freien Schulen (Waldorf, Montessori, ...) noch warten, bis sie in ähnlicher Weise wie konfessionelle Privatschulen ih

Claudia Schmied: In den letzten Jahren ist es geglückt die Förderung substanziell aufzustocken. Als Ministerin bin ich über diese innovativen Schulformen sehr froh. Sie leisten wichtige Impulse für das gesamte Schulwesen und werden sich auch in das Projekt Bildungsstandards aktiv einbringen. Hier bin ich schon auf die Ergebnisse gespannt. Eine weitere Erhöhung der Subventionen ist derzeit leider nicht möglich.

bei uns in bagdad: seriöse studien belegen, dass sich unsere kinder zu wenig bewegen.der bewegungsunterricht wurde trotzdem reduziert. dies schadet nicht nur unserer jugend, sondern wird in der folge auch das gesundheitssystem belasten. wer trifft solche entscheidunge

Claudia Schmied: Mit dem Ausbau der ganztägigen Schulangebote werden wir auch diesen Bereich forcieren, genauso wie etwa die Kunstvermittlung. Es ist wichtig, dass die Schulen Kooperationen mit Sportvereinen, Musikschulen und Kulturinstitutionen eingehen. Mit den Pädagogischen Hochschulen werden Fortbildungsprogramme im Bereich Didaktik und Pädagogik entwickelt und angeboten. Auf diese Weise sichern wir die Qualifikation der Unterrichtenden und öffnen die Schulen auch für Personen mit anderen beruflichen Hintergründen, z.B. für SportlerInnen und KünstlerInnen. Bewegung und Sport sollte auch in unserer Gesellschaft und in unserer Freizeit eine höhere aktive Rolle spielen. Bewusstseinsbildung und gelebte Vorbilder sind gefragt.

CrangerMan: Sie sagten vor Kurzem, dass eine gute Gesprächsbasis mit BZÖ und Grünen in puncto Bildung besteht. Eine mögliche Allianz für die Zukunft? Man könnte ja wieder wie vor der Wahl 2008 eine Sondersitzung einberufen und das Schulsystem ändern.

Claudia Schmied: Das Schulsystem braucht stabile Rahmenbedingungen. Mit einer Sondersitzung wird es hier nicht getan sein. Notwendig sind: neue Lehrerbildung, neues Dienstrecht, mehr Verantwortung am Schulstandort, Qualitätsmanagement, Management-Master für angehende Schulleitungen, eindeutige Bundeskompetenz in der Gesetzgebung, gemeinsame Schule der 10-14-Jährigen, ... Also eine langfristige Regierungspartnerschaft. Wir sind auf guten Weg, wenn es auch manchmal mit dem derzeitigen Regierungspartner nicht leicht ist. Was nach 2013 möglich ist, werden die Wahlen ergeben. Die Entscheidung liegt dann bei den BürgerInnen.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Twitter: Warum hat die SPÖ neuen Zugangsbeschränkungen zugestimmt, obwohl sie bisher dagegen waren?

Claudia Schmied: Wir haben in einzelnen Studienrichtungen derzeit defacto einen "Ausnahmezustand". Mittelfristig ist eine Offensivstrategie mit Ausweitung der Studienplätze unverzichtbar. Kurzfristig müssen wir einzelnen Universitäten die Planung ermöglichen. Die Studieneingangsphase soll hier temporär Abhilfe schaffen. Wir drängen hier auf Standards und mehrere Prüfungen, die das Spektrum des Studiums zumindest erkennbar machen. Diese Phase ist Teil des Studiums und wird angerechnet.

Palima: Guten Tag, ich wollte sie fragen, wie sie sich eine konkrete Gesamtschule vorstellen bzw. ob die zusätzlichen Mittel, die derzeit in die neue Mittelschule hineininvestiert werden, auf Dauer finanzieren lassen werden.

Claudia Schmied: Die neue Mittelschule ist ausfinanziert. Der Grundsatz der gemeinsamen Schule lautet: voneinander lernen und lernen lernen. Mit höchster Aufmerksamkeit und Zuwendung wird auf jeden einzelnen Schüler eingegangen. Erste Ergebnisse sind sehr zufriedenstellend. Ich empfehle den Besuch einer neuen Mittelschule. Alle Informationen finden Sie unter www.neuemittelschule.at.

RisusSardonicus: Was ärgert Sie an Ihrer Arbeit am meisten?

Claudia Schmied: Das früh aufstehen, weil ich das Morgenjournal nicht verpassen will.

Mooreel: Kurz und bündig: wie oft setzen sie sich mit der Schülervertretung zusammen an einen Tisch?

Claudia Schmied: Regelmäßig. Erst letzte Woche habe ich eine Bundesländerreise abgeschlossen. Ich habe jedem Bundesland die Bildungsverantwortlichen und Schulpartner zu einem Dialog getroffen, wo wir uns über Schulleiterprofil, Qualitätsmanagement und Feedbackkultur ausgetauscht haben und auch über die Pädagogischen Hochschulen als Kompetenzzentren diskutiert haben. Der Bundesschulsprecher Philip Pinter kommt regelmäßig zu Gesprächen. Heute Nachmittag wird über Schulaufsicht neu und Schulleiterprofil sowie den Schulgipfel nächste Woche bei Bundeskanzler und Vizekanzler gesprochen.

Graufilter: Wenn Sie einen Wunsch an den GÖD hätten, was wäre das?

Claudia Schmied: Abschluss des neuen Dienst- und Besoldungsrechtes und Offenheit für Veränderung.

keine/r: Zu den ganztägigen Schulangeboten: Wird es bei dem Bedarf entsprechenden Angeboten bleiben, oder planen Sie eine Ganztagsschulpflicht?

Claudia Schmied: Es wird beim Angebot bleiben.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Immer mehr Lehrer leiden unter Burnout und psychischen Problemen, wieso wird es ihnen so schwer bzw unmöglich gemacht aus dem Klassenzimmer in einen anderen Job zu wechseln?

Claudia Schmied: Das liegt zum Teil an der derzeitigen Ausbildung. In Zukunft müssen Fachkarrieren viel leichter ermöglicht werden. Vorbedingung ist ein durchlässiges Bildungssystem. Unsere Lehrer brauchen aber auch mehr Unterstützung. Schulsozialarbeit und Schulpsychologen, deren Anzahl wir erhöht haben. Weiters ist es wichtig, dass die Zusammenarbeit der Lehrer untereinander vertieft werden kann, Team-Teaching ist hier ein Weg, der von vielen LehrerInnen begeistert aufgenommen wurde. Selbstverständlich müssen wir auch an Ausstiegsszenarien arbeiten. Als Verfechterin des Prinzips Selbstverantwortung ist es mein Anliegen die LehrerInnen in ihrer Persönlichkeit zu stärken. Die Bücher von Reinhard Sprenger möchte ich in dem Zusammenhang empfehlen.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Twitter: Werden Sie Androschs Volksbegehren unterschrieben?

Claudia Schmied: Das hängt vom Text ab. Über die Initiative von Dr. Androsch freue ich mich sehr. Ich empfinde das geplante Volksbegehren als Rückenwind für meine bildungspolitischen Anstrengungen.

CrangerMan: Wie wollen Sie das "Problem" (in manchen Fällen ist es keins) lösen, dass in manchen Klassen fast nur Kinder nichtdeutscher Muttersprache sitzen

Claudia Schmied: Jedes Kind das in Österreich die Schule besucht muss die deutsche Sprache beherrschen. Der verpflichtende Kindergarten ab 5 war in dem Zusammenhang eine wichtige Maßnahme. Die kleineren Klassen und die Deutschförderung sind hier auch zu erwähnen.

Walter KURTZ: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine Ihrer Entscheidungen der letzten 5 Jahre rückgängig zu machen, welche wäre das?

Claudia Schmied: Das verrate ich nicht.

Gleichheit: Was halten sie von der Verländerung der LehrerInnen? Wird es dann nicht unmöglich Reformen durchzusetzen? Und was sagen ihre SPÖ KollegInnen dazu?

Claudia Schmied: Davon halte ich nicht viel. Wir brauchen Bundeskompetenz in Bildungsfragen. Die Mehrheit in der SPÖ sieht dies genauso.

ModeratorIn: Eine Userfrage über Twitter: wenn sie ein 10-jähriges kind hätten, in welche Schule würden sie es schicken? HS, Gym, Neue MS?

Claudia Schmied: Das kommt darauf an. Ich würde mir alle Angebote genau anschauen und vor allem zuvor auch die Schulen persönlich besuchen und Gespräche mit den LehrerInnen suchen. Keinesfalls würde mein Kind schon in der dritten Klasse Volksschule Nachhilfe bekommen um ein gutes "gymnasiumtaugliches" Zeugnis zu haben. Sollte eine neue Mittelschule in der Wohnumgebung erreichbar sein, würde meine Wahl wohl darauf erfolgen.

schuelerin1983: was erwarten sie sich von rot-grün in wien?

Claudia Schmied: Wichtige Impulse auch für die programmatische Arbeit der SPÖ. Und eine gute Stimmung in der Stadt. Das wird sicher auf die Bundesebene ausstrahlen. Gerade in der Bildungspolitik gibt es ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den Grünen. Das ist auch in der parlamentarischen Arbeit spürbar.

ModeratorIn: Die Chatzeit ist leider schon zu Ende - Wir danken Claudia Schmied fürs Mitchatten und den UserInnen für die vielen spannenden Fragen!

Claudia Schmied: Vielen herzlichen Dank für die interessanten und wertschätzenden Fragen und Anregungen.