Irland geht es nicht gut. Aber Irland kann selbst dafür sorgen, dass es ihm bald wieder besser geht. Sagt Irland. Trotzdem wird der einstige keltische Tiger, der längst zum räudigen Straßenkater geschrumpft ist, mit Milliarden aus den EU-Hilfstöpfen nolens volens quasi zwangsernährt. Nun stellt sich ganz Irland die Frage, warum ihm niemand glaubt.

Conor Brady, ehemaliger Herausgeber der "Irish Times", findet in einem am Dienstag veröffentlichten Kommentar eine Antwort darauf. "Wieso schafft es die Regierung in Dublin nicht, die positiven Botschaften aus Irland unters weltweite Volk zu bringen?", fragt er sich sinngemäß - nicht ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es diese guten Nachrichten von der "Irland AG" doch zuhauf gäbe. Wenn sie nur endlich jemand erzählen könnte.

Einer wie Brady weiß natürlich, dass er selbst damit anfangen muss. "Wir haben eine dynamische IT-Industrie mit riesigem Potenzial, geführt von gescheiten, innovativen Menschen. Wir haben enorme Möglichkeiten in Sachen erneuerbarer Energie, die es uns ermöglichen, Energie-Netto-Exporteur in beträchtlichem Ausmaß zu werden", schreibt er. Vom "weltbesten Agrarsektor" erzählt er in der Folge, von erstklassiger Exportware, und von einer derzeit zwar schwächelnden, aber chancenreichen Tourismusindustrie. Nicht zuletzt sei die irische Demokratie stabil; jedes Gerede von einer bedrohlichen Krise, von bevorstehenden Straßenschlachten sei Nonsens. Was auch kommen möge: "Die Ampeln in Irland werden weiterhin umschalten, die Regale in den Supermärkten werden gut gefüllt bleiben und die Züge werden weiterfahren."

Bradys Beitrag läuft darauf hinaus, dass die Regierung in Dublin versagt hat. Und zwar auf der kommunikativen Ebene: Es gäbe "ohnehin nur acht oder neun wirklich einflussreiche Finanznachrichten-Redaktionen" (die er sogleich einzeln aufzählt), aber es sei stark zu bezweifeln, dass auch nur ein einziger im Dubliner Regierungsteam wenigstens deren Telefonnummern habe.

Der pensionierte Herausgeber spricht damit zweifellos vielen Iren aus der Seele. Die aufkommende Panik der europäischen Finanzminister geht ihnen nämlich zunehmend auf die Nerven. Finanzminister Brian Lenihan war das ganze Wochenende über darum bemüht, diese Panik im Keim zu ersticken. Es gebe zwar Probleme mit der Liquidität der irischen Kreditinstitute, räumte er wiederholt ein, aber das sei kein Grund, eine Rettung durch IWF und/oder EU in Anspruch zu nehmen.

Bei näherer Betrachtung der irischen Zahlen ist es zunächst tatsächlich nicht ganz nachvollziehbar, warum Europa die Iren so zum Futtertrog drängt. Die Staatsverschuldung ist mit 98,5 Prozent des BIP zwar sehr hoch, anders als in Griechenland (144 Prozent) stünden dieser aber "die im Rahmen der Banken-Unterstützung (mit gewaltigen Kursabschlägen als Sicherheitspuffer) übernommenen Aktiva gegenüber, die in einigen Jahren hoffentlich wieder verkauft werden können und damit einen Schuldenabbau mittelfristig deutlich erleichtern", heißt es in einer aktuellen Studie der RZB. Irland stecke also noch nicht so weit in der Schuldenfalle, dass eine Lösung ohne Umschuldung nicht möglich wäre.

Gleichwohl werden die nächsten Jahre sehr hart. Jeder siebte Ire im erwerbsfähigen Alter ist aktuell ohne Job. Und die Situation dürfte sich zumindest bis 2012 nicht entschärfen, was zu den massivsten Abwanderungen arbeitswilliger Iren seit mehr als 25 Jahren führen könnte. Das Dubliner Economic and Social Research Institute (ESRI) geht mittlerweile davon aus, dass 2010 und 2011 an die 100.000 Arbeitskräfte die Insel verlassen werden - bei einer Bevölkerungszahl von nur 4,5 Millionen.

Das sind noch nicht die positiven Geschichten aus Irland, auf die die Welt wartet. Die von Conor Brady erwähnten Telefonnummern könnten in Dublin dennoch von Nutzen sein - um sich Ezzes zu holen, wie sich eine derart ausufernde Banken-Expansion wie in den letzten Jahren, die die horrend teure Rettung der gesamten Finanzbranche notwendig gemacht hat, in Zukunft verhindern lässt. Dann sind nämlich die Chancen höher, dass sich die "Good News" aus der Irland AG auch tatsächlich irgendjemand anhört. (derStandard.at, 16.11.2010)