Als die Rheintöchter emanzipatorisch zu schwimmen lernten: Kostüm für Christa Beier, "Ring des Nibelungen" 1970.

Foto: Theatermuseum

Gefiedert und gefordert: Das "Papageno"-Kostüm für Erich Kunz zeigt die Zerzausungsspuren unausdenklicher Stürme.

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Sie zeigt, wie die heimischen Theaterhelden wurden, was sie sind.

Wien – Ein Theaterabend ist ein Gesamtkunstwerk, Bühnenbild, Licht und Kostüme unterstützen idealerweise das Konzept des Regisseurs – und oft könne man die Bedeutung der einzelnen Leistungen kaum mehr separat ermessen, bedauert Ulrike Dembski, die die Kostümsammlung des Österreichischen Theatermuseums leitet und ebendort die heute, Freitag, eröffnete Ausstellung Verkleiden – Verwandeln – Verführen kuratiert hat.

Seit der Antike schlüpfen die Menschen mit Hilfe von Verkleidungen in andere Rollen, Dembski hat diese Geschichte der Verwandlung umfassend aufgearbeitet. Dies beginnt mit der Geschichte der Kostümsammlung: 1923 wurde sie von Joseph Gregor (1888-1960) gegründet, der dafür die Kostümbestände aus der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek übernahm. Gregor konzentrierte sich auf die museale Pflege der zum Teil wertvollen historischen Gewänder: Rüstungen aus der Renaissance, Schwerter aus dem 17. Jahrhundert oder der originale Frack von Kaiser Max von Mexiko, der später von einem Schauspieler in der Rolle des Kaisers getragen wurde.

Zugleich forcierte Gregor eine Erweiterung der Sammlung, kaufte laufend neue Kostüme und Accessoires hinzu, lancierte Schenkungen und organisierte sogar eine Ausstellungsfläche im Burgtheater. 1938 von den Nazis geschlossen, wanderte die Sammlung vorläufig zurück in die Nationalbibliothek. Erst in den 1980er-Jahren wurde für den Fundus ein geeignetes Depot gefunden und eine Bestandsaufnahme gemacht: Die 800 von Joseph Gregor zusammengetragenen Objekte (noch heute Sammlungskern) wurden aufwändig aufgearbeitet.

Die aktuelle Ausstellung bildet den vorläufigen Abschluss einer großen Recherche: Eine eindeutige Identifizierung der Theaterkostüme ist ein beständiger Prozess, erzählt Dembski, denn "Theaterkleidung ist ein Gebrauchsgegenstand, der zur Wiederverwertung gedacht ist". Im Katalog (Brandstätter) wird daher auf die Geschichte einzelner Kostüme eingegangen.

So trug beispielsweise die Schauspieldiva Hedwig Bleibtreu als englische Elisabeth in einer Inszenierung von Maria Stuart am Hofburgtheater 1895 ein mit Perlen und Metallgeflecht verziertes Kleid mit Hermelinbesatz, das aus dem privaten Besitz von Kaiserin Elisabeth stammte: Abgelegte Kleidung aus dem Kaiserhaus wurde oft direkt an die Kostümwerkstätten des Hoftheaters weitergegeben. Und auch wenn die Gewänder mehrfach umgearbeitet wurden und nicht mehr als Kaiserkleider zu erkennen waren, merkt man ihnen selbst in den kühlen Vitrinen der Museumsräume noch die imperiale Aura an.

Dembski: "Textilien sind besonders heikle Museumsobjekte." Eine detaillierte Materialanalyse ist daher der erste Schritt. Im Depot werden die wertvollsten Kleider, beispielsweise mit riesigen Schleppen, in speziellen Schubladen gelagert. Die meisten Kleider hängen aber auf heiklen Konstruktionen, die das Gewicht der Stoffe an mehreren Stellen entlasten.

Zweierlei Seide Maß

Man merke bedeutende Qualitätsunterschiede, vor allem bei Seide: Während ein bald 200 Jahre altes Seidenkleid mit Silberborte, das die berühmte Tänzerin Fanny Elßler 1836 trug, zartrosa und unversehrt glänzt, als käme es direkt aus der Schneiderwerkstatt, haben Seidenkostüme aus der Mitte des 20. Jahrhunderts bereits beträchtlichen Schaden genommen. Eine Herausforderung ist die Bewahrung modernerer Kostüme aus Kunstfasern, hier sei noch umfangreiche Arbeit vonnöten, um angemessene Lagerbedingungen garantieren zu können.

Die derzeit ausgestellten Objekte sind zum größten Teil erstmals abseits der Bühne zu sehen. Die einzelnen Museumsräume widmen sich thematischen Gegenüberstellungen – so gibt es einen eigenen Wagner-Raum und einen zur griechischen Tragödie -, zu sehen sind die Arbeiten von Karl Lagerfeld und Vivienne Westwood, oder aber schlicht die Bühnenkleider beliebter Schauspieler. Immerhin bezieht die Sammlung ihre Stücke von den großen Wiener Bühnen. Eines der ältesten ausgestellten Stücke ist ein kobaltblauer Uniformrock, den Nestroy 1831 auf der Bühne trug.

Aber auch ein pelzbesetzter Mantel, den Paula Wessely als Gabriele im Anatol trug, oder die edlen Kostüme von Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew aus Schwanensee (1964) sollen Lieblinge des Publikums würdigen. Stilistisch ist vom opulenten Mädchentraum bis zum schlichten Funktionsgewand ein breites Spektrum abgedeckt. Dazwischen auch tatsächliche Kunstwerke: Archaische Kostüme von Fritz Wotruba (König Ödipus), aber auch ein mit rosa Blumen besetztes Kleid aus Organza, das Oskar Kokoschka 1962 entworfen hat. (Isabella Pohl / DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2010)