Krems/Wien - Da war dieses Mädchen, das von einem Tag auf den anderen irgendwie herausgekippt ist aus ihrem Kinderleben - und aus ihrer Schule. Es ging nicht mehr im großen Klassenverband. Sie wollte nicht mehr hin. Hatte Angst. Vor allem und allen dort. Auch vor den anderen Kindern. Sie war überfordert und überfordernd. Aber Schulpflicht ist Schulpflicht. Was tun?

"Brückenklasse" hieß die Lösung. Diese Kleinklasse in der Allgemeinen Sonderschule Krems (ASO) sollte eine Art Arche für Kinder sein, die ein "Time-out im geschützten Rahmen benötigen", erklärt Initiatorin Regina Holzer im Gespräch mit dem Standard. Dort wurden die Kinder langsam wieder stabilisiert, mithilfe der Lehrer, Eltern und Therapeuten. Ziel war die schrittweise Rückführung in die alte Stammklasse.

Diese "Brückenklasse" war beteiligt an dem Projekt, für das Regina Holzer, Sonderschul-, Sprachheil-, Religionslehrerin und stellvertretende Direktorin der ASO Krems, Montagabend mit dem "IV-Teacher's Award" in der Kategorie "Grundstufe" ausgezeichnet wurde. Besonders wichtig in dieser Kategorie: "Umgang mit Vielfalt".

Die Industriellenvereinigung (IV) verlieh den Lehrer-Oscar auch für Sekundarstufe I (zehn- bis 14-Jährige) und II (über 14) zum dritten Mal, um die Bedeutung der Lehrerinnen und Lehrer für die Schule zu betonen.

Holzer ist eine Wiederholungspreisträgerin, bereits 2009 landete sie auf Platz zwei. Diesmal würdigte die Jury ihr Projekt "Kinder schlagen Brücken" - zwischen Niederösterreich und Mazedonien. Von der "Brückenklasse" hauptverantwortlich betreut, wurde der Transport alter Schulmöbel aus Krems mit Behörden und Projektpartnern organisiert. Denn die ASO zieht mit ihren rund 100 Kindern in ein neues Schulgebäude um. Raus aus dem vormaligen Kloster, das zwar idyllisch in der verwinkelten Altstadt liegt, als Schule, die auch Schwerstbehinderte besuchen, aber denkbar nichtfunktional ist. Nicht nur für die beeinträchtigten Kinder.

Lehrerzimmer? Gibt es nicht. Der Direktor hat ein kleines Kammerl. 30 (teilweise Teilzeit-)Lehrerinnen - der einzige Mann ging vergangenes Jahr wieder in eine Hauptschule zurück - richten sich, so gut es geht, in ihren Klassen ein. Auf Regina Holzer warten dort sieben Schützlinge. Von der Decke baumelt ein bunter Adventkalender, an der Wand hängen selbstgemalte Bilder. Zwei Mädchen, fünf Buben. Extraquirlige Plappermäulchen, schwer zu bändigende Wildfänge und sehr zurückhaltende Kinder lernen hier miteinander. Leise ist anderswo, unanstrengend erst recht.

Aber Regina Holzer ist ruhig. Sie redet mit jedem Kind auf Augenhöhe. Wenn ein Bub, dem es an dem Tag nicht so gut geht, getröstet werden muss, dann geht sie in die Hocke und spricht leise mit ihm. All die Rufe nach Individualisierung - hier wird sie längst praktiziert. "Ich muss über jedes Kind nachdenken. Was braucht es in diesem Jahr", erzählt die 43-jährige Mutter zweier Töchter: "Wir arbeiten sehr schülerzentriert."

Wenn sie, die mit ihrem Mann in Engabrunn auch einen prämierten Weinbaubetrieb führt, über ihren Beruf spricht, dann fallen Sätze, in denen keine technokratischen Dinge wie "Verländerung" vorkommen. "Der Beruf ist mein ein und alles", sagt sie. "Ich mag einfach die Kinder gern", vor allem die, die es etwas schwerer haben. "Ich bin ein bisschen der soziale Typ." Zum Idealismus kam beim Berufswunsch private Betroffenheit. In der Verwandtschaft gibt es ein Kind mit Down-Syndrom.

"Kinder sollen ein Stück Heimat und Sicherheit in der Schule erleben, wo sie sich wohlfühlen", beschreibt Holzer ihr Bild von Schule. Als Ausbildungslehrerin zeigt sie Studierenden, was es wirklich heißt, Lehrerin werden zu wollen.

Es heißt auch, sich nicht schnell frustrieren zu lassen. Der Schulversuch "Brückenklasse", der wie alle jährlich genehmigt werden muss, schaffte nach einem Jahr die Hürde Landesschulrat nicht mehr "Es wird einfach abgewürgt." - Ein Ort, an dem belastete, vom Leben, ihren Familien, der Welt um sie herum müde gemachte Kinder "wieder aufgeblüht sind".

Und jetzt? "Natürlich mache ich weiter", sagt Regina Holzer: "Die Kinder sind ja noch da."

Das Projekt "Aufblühen" geht weiter. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.12.2010)