"Wäre es nach uns gegangen, hätte es eine echte Vermögenssteuer gegeben, dann hätten wir uns diese Maßnahmen bei der Familienbeihilfe sparen können."

 

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Foto: Der Standard/Cremer

SPÖ-Klubchef Josef Cap will die ÖVP in Steuerfragen und der Schulpolitik überzeugen.

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"Andere Länder bereiten sich auf die Pisa-Tests vor, bei uns passiert das Gegenteil, da wird zum Boykott aufgerufen, anscheinend gibt es eine starke Mentalreservation."

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Standard: Derzeit finden im Parlament die Ausschussverhandlungen zum Budget statt. Ist das nicht eine Farce? Die Regierung hat doch ohnedies schon alles verhandelt, geändert wird eh nichts mehr.

Cap: Ab dem Startschuss für die Erstellung dieses Budgets waren Bereichssprecher des Klubs eingebunden und konnten eine Unzahl von Verbesserungen und Korrekturen anbringen. Aber bei zwei Parteien muss es auch Kompromisse geben, da kann man sich nicht immer zu hundert Prozent durchsetzen.

Standard: Und was die Opposition sagt, ist egal, oder?

Cap: Was die Opposition dazu sagt, hat man seit Monaten gehört. Wir vermissen Konzepte der Opposition, die auch den Namen Budgetalternative verdienen. Die Opposition präsentiert immer nur eine Summe von Einzelforderungen, die aber, wenn man sie addiert, kein Budget, sondern ein unfinanzierbares Chaos ergeben. Das hat nicht die Qualität, dass man darauf eingehen kann.

Standard: Wird es noch eine einzige substanzielle Änderung geben?

Cap: Wir haben schon viele Änderungen durchgeführt, ich verweise auf die Ausnahmeregelungen bei der Familienbeihilfe. Aber ich muss schon sagen: Wäre es nach uns gegangen, hätte es eine echte Vermögenssteuer ab einer Million Euro gegeben, dann hätten wir uns auch diese Maßnahmen bei der Familienbeihilfe sparen können. Es gibt viele Punkte, bei denen wir andere Vorstellungen hatten. Aber wir tragen natürlich die gefundenen Kompromisse mit, wie es von einer funktionierenden Regierung zu erwarten ist.

Standard: Ist es nicht seltsam, dass sich der Regierungschef nach dem Budgetbeschluss hinstellt und sagt, wir wollen eigentlich eine Vermögenssteuer?

Cap: Nein, das hat er vorher auch gesagt, das war Beschlusslage des Bundesparteitages. Die Vermögenssteuer bleibt ein Ziel ebenso wie die Finanztransaktionssteuer.

Standard: Die Studenten sind auch wegen der Novelle zum Universitätsgesetz aufgebracht, da werden de facto Zugangsbeschränkungen eingeführt. Es wird den Unis freigestellt, Aufnahmsprüfungen durchzuführen. Kritiker sehen darin das Ende des freien Hochschulzuganges. Ist das die Intention der SPÖ?

Cap: Die Intention der SPÖ ist nach wie vor der freie Hochschulzugang. Dieser Begutachtungsentwurf wird noch zu verändern sein. Das ist das Wesen von Begutachtungsentwürfen. Es hat im Vorfeld schon den Versuch gegeben, hier Einfluss zu nehmen, das ist uns nur teilweise gelungen. Jetzt kommt die nächste Phase, wir werden im Parlament noch Veränderungen herbeiführen.

Standard: Was ist Ihre Intention?

Cap: Es soll keine Knock-out-Prüfungen geben. Es soll eine Studieneingangs- und Orientierungsphase geben, die von Unis und Studenten akzeptiert wird. An der werden wir noch arbeiten.

Standard: Aber die ÖVP hat bereits einen konkreten Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt.

Cap: Es gibt oft Gesetzesentwürfe, die in Begutachtung gehen und nachher anders aussehen.

Standard: Wie konnte das passieren, dass die SPÖ von diesem Entwurf so überrascht wurde?

Cap: Na, gar nicht überrascht. Die ÖVP wollte eine kurze Begutachtung, dagegen haben wir uns gewehrt. Es muss eine längere Begutachtung geben.

Standard: Offensichtlich hat Sie die ÖVP am falschen Fuß erwischt.

Cap: Nein, auch nicht. Dieses Gesetz wird erst im März-Plenum zu beschließen sein. Wir haben also zweieinhalb Monate Zeit, diese Vorlage zu überarbeiten. Und das halte ich angesichts der Wichtigkeit des Themas für angemessen.

Standard: Noch einmal zur Klarstellung: Sie sind für eine Orientierungsphase, aber gegen Aufnahmeprüfungen?

Cap: Wir sind für eine Orientierungsphase, aber gegen Knock-out-Prüfungen. Es soll eine Eingangsphase geben, damit es nicht zu einer solchen Überfüllung in einzelnen Studienrichtungen kommt. Das Universitätsgesetz in der Form, wie es die ÖVP vorgelegt hat, findet bei uns noch keine Zustimmung. Das wird noch Gegenstand intensiver Verhandlungen sein. Mit diesem Entwurf sind wir nicht zufrieden.

Standard: Die jüngste Pisa-Studie hat wieder für heftige politische Diskussionen und Schuldzuweisungen gesorgt. Letztendlich werden wieder nur die alten Argumente aufgewärmt. Die SPÖ ist für die Gesamtschule, die ÖVP strikt dagegen. Da dreht sich die Debatte im Kreis.

Cap: Man kann ja nicht einmal von der ganzen ÖVP sprechen, das ist ja nur ein Teil ...

Standard: ... zu dem immerhin Parteichef Josef Pröll gehört.

Cap: Aber die Industriellenvereinigung und die Wirtschaft, die Interesse an einer optimalen Ausbildung haben, sehen das anders. In vielen anderen Ländern hat sich die gemeinsame Schule bewährt. Wir haben das nicht, das ist auch ein Grund, warum wir diese schlechten Ergebnisse haben. Dazu kommt noch: Andere Länder bereiten sich auf die Pisa-Tests vor, Lehrer und Schüler, bei uns passiert das Gegenteil: Da wird zu einem Boykott aufgerufen, anscheinend gibt es da auch eine starke Mentalreservation.

Standard: Aber in der Frage der Gesamtschule hat sich die ÖVP festgelegt. Heißt das: Alles steht?

Cap: Ich bin überzeugt, dass die Position der ÖVP unhaltbar sein wird.

Standard: Die ÖVP hat sich derzeit auf Bildungsministerin Claudia Schmied eingeschossen. Gibt es da überhaupt noch eine konstruktive Gesprächsbasis?

Cap: Die Kritik kommt vom Generalsekretär der ÖVP, und ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Wir sollten uns jetzt zu einem nationalen Konsens zusammenfinden. Es geht um Österreich. Da brauchen wir kein Hickhack.

Standard: Wenn Sie aus Ihrem Fenster schauen, sehen Sie das Rathaus. Dort regiert Rot-Grün, und in Bildungsfragen herrscht Einigkeit. Wäre Rot-Grün nicht auch eine Option für den Bund?

Cap: Im Bund haben Rot und Grün gemeinsam 40 Prozent. Aber ich muss sagen: Diese rot-schwarze Koalition setzt in der Substanz das Regierungsprogramm um und kommt zu wesentlichen Beschlüssen. Ich bleibe dabei: Bei allen Kritikpunkten, die auch ich bei diesem Budget habe, ist es doch ein Budget, das massiv sozialdemokratische Handschrift trägt. Diese Regierung ist funktionsfähig. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.12.2010)