Kino-Revolutionär Guy Fawkes aus der Comicverfilmung "V for Vendetta" ist Inspirationsquelle und Symbol der lose assoziierten Hackercommunity, die als "Anonymous" auftritt. Nach historischem Vorbild zeichnet der Film exemplarisch das Aufbegehren gegen einen repressiven Staat nach. Der Held nimmt Rache am System. 

"Wir sind über 9000", verkündete ein Video, in dem Anonymous ihre "Operation Payback" propagiert. Erfahrene Hacker stellen dabei schädliche Software, sogenannte Malware, bereit und koordinieren die Angriffe. Neulinge, "Scriptkiddies", laden die Software aus dem Netz und unterstützen die Attacken.

Anonymous entstand im Umkreis des von Christopher Poole, genannt "moot", im Jahr 2003 gegründeten Onlineforums 4chan.org. Die Identität des 1988 geborenen New Yorkers wurde erst 2008 vom "Wall Street Journal" aufgedeckt. Die Webseite stellt eine Plattform für popkulturelle Subkulturen bereit. Die Grundattitüde ist von schrägem Ulk und schwarzem Humor geprägt. Die Seite wurde zum meistbesuchten Medium ihrer Art und zum Ausgangspunkt für von Insider-Humor getragenen, vandalisierenden Spaß-Angriffen auf andere Seiten. In der Internetabstimmung von "Time" wurde Poole 2008 durch Eingriff der 4chan-Community zur einflussreichsten Person gewählt. 

Anonymous trat erstmals 2008 selbst unter dem Namen auf, als Scientology ein kompromittierendes Video aus dem Netz verbannen wollte. Davor werden der Gruppe Angriffe auf das soziale Netzwerk Habbo und auf die Website des rechten Aktivisten Hal Turner zugeschrieben. 2009 wurde ein "Pornotag" ausgerufen und das Videoforum Youtube mit einschlägigem Material überflutet. Immer öfter richteten sich die illegalen Angriffe gegen jede Art von Internetzensur. Anonymous engagierte sich im Infowar nach den Wahlen im Iran 2009. Als Australien den Zugang zum Internet einschränken wollte, gab es Attacken auf die Webauftritte des Parlaments und des Premiers. 

"Operation Payback" richtete sich ursprünglich gegen Copyright-Schutz, nachdem eine Firma Hackerangriffe gegen Filesharer fuhr. Mit den Attacken gegen Institutionen, die Wikileaks bremsen wollen, fand sich nun die größere Aufgabe. Die Koppelung an Wikileaks und die breite öffentliche Wahrnehmung lässt den Cyberkrieg voll entbrennen. Weitere Maßnahmen werden befürchtet, auch Diebstahl vertraulicher Daten wie Kreditkartennummern steht im Raum. (Alois Pumhösel/DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.12.2010)