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Lauthals oder lieber schweigen?

EPA/CEZARO DE LUCA

Seit letzter Woche ist es fix: Firmen über 1.000 MitarbeiterInnen sollen sich in Sachen Gehälter nicht mehr schweigsam geben (Heinisch-Hosek: Das Gesetz wird Frauen mutiger machen). Obacht ist aber für MitarbeiterInnen geboten: Wird die Gehälter-Lage des Betriebes fröhlich weiter getwittert, gefacebookt oder sonst irgendwie an die Öffentlichkeit ausgeplaudert, kann es Geldstrafen geben.

Ob wir im Bekannten- oder Freundeskreis über das eigene Gehalt sprechen oder es neugierig erfragen, ist uns natürlich überlassen. Nur: Wollen wir überhaupt wissen, was die alle so verdienen? Schürt das nur unnötig Unmut und Neid? Oder: Wird durch das offene Gespräch möglichen Diskriminierungen auf den Leib gerückt und der Mut nach schneidigeren Forderungen gestärkt?

Pro+++

Es ist Jahre her, da war ich mit KollegInnen unterwegs. Nach der Arbeit, in der Nacht, bei alkoholgetränkten Gesprächen. Raten Sie worüber. Über die Arbeit! Ist der gemeinsame Nenner, nicht wahr? Dabei wurde das Thema Gehalt angesprochen, und siehe da: Bis auf ein oder zwei nannte niemand in der Runde eine konkrete Zahl. Ich war eine der beiden. Der Rest war betretenes Schweigen. Eher makro als mikro nahm sich die übrige Diskussion aus und es wurde klar: Nix da gemeinsamer Nenner, nix da Gehaltsgerechtigkeit bei selber Arbeit.

Trotz dieser Erfahrung - oder gerade deshalb: Ich halte auch heute nicht mit meinem Verdienst hinterm Berg. Warum kann bzw. soll es die Kollegin nicht wissen, wenn selbst wer auch immer in diversen Behörden berechtigt ist, zu wissen, was Sache ist. Ein Geheimnis sollte es nicht sein. Schweigen übers Gehalt zementiert nämlich Seifenblasen zu Betonklötzen, die eine/n runter ziehen auf den Boden der Tatsachen, sobald mal zufällig eine eventuelle Kluft zwischen den KollegInnenverdiensten heraus kommt. Dann kommen die falschen Gefühle hoch, die sich gegen diejenigen richten könnten, die eigentlich nur ihre Sache besser gemacht haben bei der Gehaltsverhandlung. Oder sonstige Steine in welchen Brettern auch immer haben. Und steht frau auf der GewinnerInnenseite: Nur kein falsches Mitgefühl.

Denn: Zu wissen, was monetär Sache ist, ist hilfreich und verbindet, auch über Einkommensdifferenzen hinweg, weil es einer/m die Augen öffnet über das Arbeitsumfeld und tatsächliche Strukturen. Schweigen spaltet, obwohl es das betriebliche Miteinander scheinbar vereinfacht. Schweigen ist nicht Gold. Reden bringt Geld. Oder eine Entscheidungshilfe, woanders für ihr/sein Auskommen zu sorgen. Mund auf! (roh, dieStandard.at, 25.1.2011)


Contra+++

Das monatliche Einkommen ist ja schnell erfragt oder schnell über die Lippen gebracht. Nach betretenem Schweigen oder einem erleichterten Aufatmen will man es meist aber gar nicht mehr so genau wissen: Welche Ausbildung, wie viele Jahre in dieser oder einer ähnlichen Branche, Verantwortungsbereiche... diesen wichtigen Fragen geht man, nachdem die Bombe geplatzt ist, meist nicht mehr nach. Nur blöd, dass gerade diese Dinge für mögliche Differenzen wichtig sind, werden sie doch auch in seriösen Statistiken auseinandergedröselt.

Aber was mit Neugier begann endet im privaten Umfeld meist mit Unbehagen, das jegliche weitere Klärung erstickt. Was bleibt ist ein schaler Geschmack der Unzufriedenheit und im schlimmsten Fall Groll gegen die Besserverdienenden, die wohl am wenigsten dafür können.

Außerdem: Rätselhaft bleiben beim fröhlichen Gehältertratsch zumeist auch die Diskrepanzen zwischen verzeichnetem Einkommen und Lebensstil. So gibt der Monatslohn beileibe keine Auskunft über die tatsächlichen Ressourcen. Mit - nur ein Beispiel - 900 Euro netto lässt es sich etwa mit einer ererbten Eigentumswohnung ganz gut leben, wohingegen es ganz schon knapp wird, wenn noch eine 500 Euro teure Mietwohnung zu berappen ist.

Ein Gehälter-Plausch bringt einer außer schlechter Laune also nichts, denn irgendjemanden gibt es immer, der/die mehr bekommt - natürlich zu Unrecht. Eh klar. (mag, dieStandard.at, 25.1.2011 )