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Drew Gilpin Faust, seit 2007 Harvard-Präsidentin, wechselte einst auf das elitäre Frauencollege Bryn Mawr, weil Princeton damals keine Frauen zuließ. Es hat sich etwas verändert - aber nicht allzu viel.

Foto: Reuters/ADAM HUNGER

Es war eine Rede, die den Ruf der ältesten Universität der Vereinigten Staaten bis heute schädigt. Vor gut fünf Jahren präsentierte der damalige Harvard-Präsident Larry Summers auf einer ökonomischen Konferenz Hypothesen, warum es viel weniger männliche als weibliche WissenschafterInnen gibt.

Weniger wichtig als Sozialisierung oder Diskriminierung, schwadronierte er, sei die fehlende Bereitschaft von Frauen, 80 Stunden pro Woche zu arbeiten. Zudem sprach Summers von möglicherweise "angeborenen Unterschieden" in der weiblichen Begabung für das wissenschaftliche Arbeiten. Summers lebte seine Ansichten auch im Berufsleben aus. Unter seiner Präsidentschaft sackte der Anteil neuer Professorinnen in Harvard rapide nach unten. Gerade mal ein gutes Zehntel der offenen Stellen wurde an Frauen vergeben. Summers wurde für seinen diskriminierenden Führungsstil schließlich zum Rücktritt gezwungen. Es war das Ende einer langen frauenfeindlichen Universitätspolitik.

Seit 25 Jahren existiert in den USA das Gesetz zur Gleichbehandlung der Frauen bei Ausbildung und Beschäftigung in Wissenschaft und Technik (Women in Science and Technology Equal Opportunity Act). Harvard blieb aber nichtsdestotrotz eine Männerbastion. "Als Postdoc durfte ich 1972 weder den Haupteingang des exklusiven Fakultätsklubs benutzen noch im Hauptspeisesaal essen", erinnert sich die inzwischen emeritierte Erziehungswissenschafterin Patricia Alberg Graham.

Umso bemerkenswerter ist, dass Harvard heuer von einer Frau geleitet wird. Nach 400 Jahren Männerdominanz übernahm die Historikerin Drew Gilpin Faust 2007 die Präsidentschaft der Eliteuniversität. Auch die Anzahl weiblicher Professorinnen nimmt zu. 2009 gingen 16 der insgesamt 25 ausgeschriebenen DozentInnenplätze an weibliche Bewerberinnen. Martha Minow ist die neue Dekanin der Jurafakultät. "Das Harvard von heute ist nicht mehr das Harvard unserer Väter", sagt die 56-Jährige. Der Sinneswandel beschränkt sich nicht nur auf den Bewerbungs- und Einstellungsprozess. Harvard geht auch auf praktischer Ebene mit besserem Beispiel voran.

Obwohl das Stiftungsvermögen im Zuge der Wirtschaftskrise um elf Millionen Dollar schrumpfte, investiert die Bildungseinrichtung Unsummen in den Betrieb von Kinderkrippen und sponsert familienfreundliche Fakultätsprogramme, die weltweit ihresgleichen suchen: Es gibt Subsidien für die Kindervorsorge, die sich auf bis zu 20.000 Dollar belaufen, und Stipendien, die es akademischen Forscherinnen erlauben, ihre Babys samt Kindermädchen mit auf Vortragsreisen zu nehmen.

Löchrige Pipeline

Dennoch schaffen damals wie heute immer noch zu wenige Studentinnen den Sprung in die wissenschaftliche Führungsriege. "Die Hälfte unserer StudienanfängerInnen sind weiblich", sagt die Biologieprofessorin Elena Kramer. "Im Vergleich dazu ist die Zahl unserer Professorinnen gering: Sie machen noch nicht einmal ein Fünftel des Harvard-Kollegiums aus." Harvard ist kein Einzelfall. Auch ansonsten bleiben die Amerikanerinnen in akademischen Top-Positionen unterrepräsentiert. Die Zahlen klaffen vor allem in den biologischen und physischen Disziplinen sowie im Ingenieurswesen auseinander.

Der Nationalen Wissenschaftsstiftung (National Science Foundation) zufolge stellen Frauen in den 50 renommiertesten Departments für Biologie 46 Prozent der PhD-AbsolventInnen. Nur die Hälfte von ihnen steigt bis zum Rang eines "Associated Professor" auf, 15 Prozent schaffen es zur Professorin ("Full Professor"). In den physischen Disziplinen zeichnet sich ein noch düsteres Bild: Während ein Viertel aller PhD-Abschlüsse von Wissenschafterinnen gemacht wird, gibt es gerade mal sechs Prozent Professorinnen. Im Ingenieurswesen gibt es 15 Prozent PhD-Absolventinnen und vier Prozent Professorinnen.

Ein Grund für die Diskrepanz ist, dass die Universitätspforten dem weiblichen Geschlecht erst seit relativ kurzer Zeit offenstehen: Umso enger sind die Netzwerke von Männern gestrickt; Frauen haben es schwerer, karriereförderliche Kontakte zu knüpfen.

Viele machen aber auch von sich aus vor den Uni-Portalen kehrt. Denn die biologische Uhr fängt genau in der "heißen Phase" der wissenschaftlichen Karriere an zu ticken. "Die meisten Frauen, die jetzt ganz oben in der Hochschulhierarchie stehen, haben ihre Laufbahn in den 1970er- oder 1980er-Jahren begonnen und sind kinderlos", beobachtet Professorin Kramer. "Das ist abschreckend für Studentinnen, die Kinder wollen, denn sie haben keine Vorbilder."

Wie wichtig es ist, weiblichen Nachwuchswissenschafterinnen den Rücken zu stärken, hatten in den Siebzigerjahren schon die ehemaligen Harvard-Professorinnen Anne Jardim und Margaret Hennig erkannt. Da sie aus ihrer Harvard-Zeit wussten, wie schwer es für Frauen ist, in die Männerbastion "Wirtschaft" durchzudringen, realisierten sie 1974 an dem ausschließlich weiblichen Studentinnen vorbehaltenen Simmons-College das weltweit erste MBA-Programm (Master of Business Administration). Seither haben dort über dreitausend Frauen aus aller Welt ihren MBA erworben - mit großem Erfolg. Einige von ihnen stehen heute auf der Top-Liste der 100 mächtigsten WirtschaftsträgerInnen Amerikas. Auch ansonsten gelten "Women only"-Hochschulen in den USA immer noch als Karriere-Sprungbrett für Spitzenpositionen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. In der Neuen Welt gibt es insgesamt 84 Universitäten, unter deren Studentinnen kein einziger Mann zu finden ist.

Women only

Mehr als ein Viertel der weiblichen Kongressabgeordneten und gut ein Drittel der Managerinnen in den amerikanischen Top-1000-Firmen haben an einem sogenannten "Frauencollege" studiert. US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton ist ebenso aus dem Wellesley-College in Massachusetts hervorgegangen wie ihre Vorgängerin Madeleine Albright und die Präsidentengattin Eleanor Roosevelt.

Auch die jetzige Harvard-Präsidentin Drew Gilpin Faust wechselte 1964 auf das elitäre Frauencollege Bryn Mawr im US-Bundesstaat Pennsylvania, weil die Princeton University zu dieser Zeit noch keine Frauen zuließ. (Beatrice Uerlings aus Boston, DER STANDARD Printausgabe 29./30.01.2011)