Bild nicht mehr verfügbar.

Merkel will im Gegensatz zu von der Leyen keine fixe Frauenquote - zumindest nicht gleich. Denn in einem Punkt sind sich die beiden einig: Freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft seien bisher "krachend gescheitert".

Foto: REUTERS/Thomas Peter

Berlin - In der Regierungskoalition von Union und FDP schlägt die Frauenquote Wellen. Zwar herrscht Einigkeit, dass es mehr Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft geben sollte. Der Weg dorthin ist aber umstritten.

FDP gegen fixe Quote

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Streit über gesetzlich vorgeschriebene Quote oder Selbstverpflichtung der Wirtschaft am Mittwoch zu beenden versucht. Die Kanzlerin "verfolgt fürs Erste nicht den Weg einer gesetzlich vorgegebenen Quote", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Nach Ansicht Merkels solle die Wirtschaft stattdessen erneut die Möglichkeit erhalten, in einem überschaubaren Zeitraum ihren Frauenanteil zu verbessern. Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) habe der Kanzlerin zudem dargelegt, dass die FDP in einer gesetzlichen Quote nicht den richtigen Weg sehe.

Von der Leyen: Widerstand zu groß

Merkel bremst damit ihre Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Diese hatte für eine gesetzliche Vorgabe plädiert, 30 Prozent der Führungsposten mit Frauen zu besetzen, räumte am Mittwoch aber ein, dass der Widerstand zu groß sei. "Ich sehe auch, dass eine Quote zurzeit nicht durchsetzbar ist", sagte von der Leyen. "Aber damit ist das Problem nicht weg, dass Aufsichtsräte und Vorstände in Deutschland quasi frauenfreie Zonen sind." Wenn nichts passiere, gerate Deutschland im Wettbewerb um die besten weiblichen Köpfe "erbarmungslos ins Hintertreffen". Spätestens im Jahr 2018 werde es eine Quote geben, "ob national oder angetrieben über die anderen europäischen Länder".

Ihre Kabinettskollegin und Familienministerin Kristina Schröder (CDU) favorisiert dagegen eine gesetzliche Vorgabe, dass sich die Unternehmen selbst eine Quote verabreichen sollen. 

Freiwilligkeit "krachend gescheitert"

Einig dagegen scheint sich die Kanzlerin mit von der Leyen darüber, dass freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft wie etwa 2001 unter Rot-Grün "krachend gescheitert" seien. Das Ergebnis falle "gelinde gesagt bescheiden" aus, sagte Merkels Sprecher Seibert.

Kompromiss

Als Kompromiss könnte sich ein Stufenplan herausschälen, den die Gruppe der Frauen der Union im Bundestag bereits im Juli 2010 vorgestellt hatte. Daran erinnerte deren Sprecherin Rita Pawelski (CDU). Von der Leyen nannte den Vorschlag klug. Demnach hätten Unternehmen bis Ende 2013 Zeit, freiwillig 30 Prozent der Spitzenpositionen mit Frauen zu besetzen. Ab 2014 griffe eine gesetzliche Vorgabe, dass das 30-Prozent-Ziel bis 2018 erreicht sein muss. Der Stufenplan könnte noch dieses Jahr gesetzlich verankert werden, ginge es nach den Unions-Frauen.

Frauen in Chefetagen auch in Deutschland rar

In den Wirtschaftsetagen sind Frauen im Chefsessel die Ausnahme. Die folgenden Zahlen geben Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für 2010 wieder:

Vier (2,2 Prozent) von 182 Vorständen der 30 größten börsennotierten deutschen Unternehmen (Dax-Konzerne) waren 2010 Frauen. Sie sind bei Siemens, SAP und E.ON beschäftigt. Von den Aufsichtsräten der Dax-Konzerne ist fast jede Siebte eine Frau. Das ist der Arbeitnehmer-Mitbestimmung zu verdanken, die mehr Frauen als die Kapitalseite in das Aufsichtsgremium wählen.

Auch in den 200 größten deutschen Unternehmen (ohne Finanzsektor) sind Vorstandsposten eine Domäne der Männer: Nur 29 (3,2 Prozent) von 906 Vorstandsmitgliedern waren 2010 Frauen. Von den Aufsichtsratsmitgliedern stellten sie 10,6 Prozent.

Obwohl im Finanzsektor weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten Frauen sind, stellten sie 2010 nur 2,9 Prozent der Vorstandsmitglieder in den großen Banken und Sparkassen sowie 2,5 Prozent dieser Posten in den großen Versicherern.

In kleinen und mittelständischen Unternehmen sieht es für Frauen in den Führungsetagen etwas besser aus, wie 2008 eine Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergab. Aber auch dort gilt: Desto höher die Führungsebene, desto dünner die Luft für Frauen. In Betrieben mit bis zu neun Beschäftigten betrug der Frauenanteil in der obersten Führungsebene 27 Prozent, in Firmen ab 500 Beschäftigten nur noch neun Prozent. Alle Betriebe zusammengenommen ist jede vierte Spitzenposition mit einer Frau besetzt.

Im öffentlichen Dienst kommen Frauen besser weg. Aber auch dort schwindet ihr Anteil, desto höher sie die Karriereleiter erklimmen. Im allgemeinen öffentlichen Dienst stieg ihr Anteil an Führungspositionen zwischen 2002 und 2007 von 45 auf 54 Prozent, wie das DIW berechnete. In der Bundesregierung sieht es schlechter aus: 2009 gab es in den Bundesministerien unter den 30 beamteten Staatssekretären eine einzige Frau. Nach der Bundestagswahl 2009 stieg ihre Zahl auf drei.

"Gesetzliche Regelung unvermeidlich"

Im März will sich die Bundesregierung mit den Personalvorständen der 30 Dax-Konzerne beraten, die am Mittwoch bei von der Leyen zum Thema Fachkräftemangel zu Gast waren. Auch bei den Justizministern von Bund und Ländern ist die Frauenquote ein Thema: Die Justizministerkonferenz will sich auf ihrer Frühjahrstagung im Mai mit der "Notwendigkeit und Möglichkeit gesetzlicher Regelungen" befassen. In einem von der Konferenz im Juni vorigen Jahres zur Kenntnis genommenen Thesenpapier heißt es: "Eine gesetzliche Regelung ist nunmehr unvermeidlich." (Reuters)