Wien - In Österreich gibt es an die 5800 Schulen, an denen rund 4000 Schulversuche - oft mehrere an einer Schule - laufen. Der prominenteste ist die "Neue Mittelschule", die unter "Weiterentwicklung der Sekundarstufe I" fällt und gemeinsamen Unterricht bis 14 statt Aufteilung in Hauptschulen und Gymnasien probiert. Niederösterreich legt übrigens Wert darauf, "keine verlängerte Volksschule" zu haben. In der dortigen NMS-Variante haben die Schüler nach der 6. Schulstufe "zwei Möglichkeiten" - Gymnasium oder "interessen- und berufsorientierte Mittelschule". Mit 320 Schulen (darunter elf AHS) ist der NMS-Versuch aber nicht der größte.

Sehr experimentierfreudig sind die Volksschulen: An 2205 der 3219 Standorte werden alternative Modelle der Leistungsbeurteilung oder fremdsprachliche Schwerpunkte erprobt.

Laut der Beantwortung einer Anfrage der ÖVP-Nationalratsabgeordneten Anna Franz durch Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) vom Jänner laufen an 302 der 1157 Hauptschulen Schulversuche unter dem Titel "Differenzierung".

Ein Opfer des Sparbudgets ist die geplante Ausweitung des Ethikunterrichts in der Oberstufe geworden. An 195 AHS und BMHS läuft Ethik im Versuch noch.

AHS-Schulversuche betreffen etwa die künftige Zentralmatura, aber auch E-Learning in Notebook-Klassen oder Modulsysteme.

"Wust" der Engagierten

Selbst Unterrichtsministerin Schmied kam dieser "Wust an Schulversuchen" am Anfang etwas viel vor. Im Standard-Gespräch sagt sie aber: "Ich sehe es jetzt nicht mehr so skeptisch, denn es zeigt auch, dass dieses Schulsystem so was von rigide ist und zu allem ein Gesetz, eine Verordnung oder einen Erlass vorschreibt, dass die Eigenverantwortung an der einzelnen Schule sehr gering ist." Schulversuche seien "eines der wenigen Instrumente für wirklich Engagierte. Sie sind oft die einzige Luft zum Atmen für die Schulen, fast eine Selbsthilfeaktion der Engagierten", sagt Schmied.

Für die Ministerin ist nicht die Zahl der Schulversuche ein Problem, sondern der Grund dafür: "Es ist jetzt unsere Aufgabe, den Schulen mehr Selbstverantwortung zu ermöglichen - bei klaren Vereinbarungen und mit Bildungsstandards und Zentralmatura als Qualitätssicherungsinstrumenten. "

Aus der Pension zurück

Ein anderes, wenngleich kein neues Problem, das nicht nur der personalintensive NMS-Versuch (in Vorarlberg gibt es zu wenige AHS-Lehrer für das Team-Teaching) aufzeigt, ist der drohende Lehrermangel, der teilweise schon Realität ist. der Standard berichtete bereits über die anstehende Pensionierungswelle, die in den kommenden Jahren die Hälfte der Pädagogen aus dem System spülen wird - ohne dass, je nach Fächern unterschiedlich, genügend Junglehrer da wären. In Oberösterreich werden pensionierte Pädagogen zurückgeholt, in Wien unterrichten Lehramtsstudenten.

Schmied will mit Überstunden gegensteuern, setzt auf Teilzeitkräfte, die aufstocken wollen - und das neue, attraktivere Dienst- und Besoldungsrecht. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 9.2.2011)