Musterbeispiel einer "weißen Weste": 524.000 Euro erzielte diese Liegende jüngst in London.

Foto: Christie's

Plan A (Arbeiten auf Papier) funktioniert wohl nicht, à la longue bedarf es eher Plan B (Ölbilder)

***

Diethard Leopold will nicht reden, schlicht weil es noch nichts zu sagen gebe. Wann welche Arbeiten von Egon Schiele wo und über welches Auktionshaus versteigert werden, darüber hüllt sich der gesamte Vorstand der Leopold-Museum-Privatstiftung lieber in Schweigen. Dass Teile des Bestandes zugunsten der Erhaltung des Sammlungskerns geopfert werden (müssen), ist hingegen fix.

Denn man benötigt Bares, und das zügig: Nicht nur die Refinanzierung des für das Bildnis Wally aufgenommenen Kredits in der Höhe von etwa 15 Millionen Euro steht an. Weiters fordert wohl der eine oder andere Restitutionsfall Budget, diesen Einblick gewährt Diethard Leopold dann doch. Der bisher formaljuridische Standpunkt, signalisierte er zuletzt, sei Geschichte, sachlich geführten Verhandlungen und möglichen Einigungen gehöre die Zukunft.

Manche Blätter sind wertlos

Zur Orientierung: Elf Werke aus dem Bestand wurden vom ministeriell bestellten Gremium mittlerweile als restitutionswürdig eingestuft, darunter zwei Bilder von Anton Romako (Slg. Moriz Eisler) oder fünf Schiele-Blätter (Slg. Karl Mayländer). Dazu laufen Verhandlungen mit den Erben nach Jenny Steiner. Die Idee, Schieles Häuser am Meer zu versteigern und den Erlös zu teilen, ist vom Tisch, man will das Bild doch behalten. Die Erbengemeinschaft (siehe DER STANDARD, 25. Februar, "Restitution ist angebracht") besteht zwar nicht mehr auf einer Naturalrestitution, aber auf einer marktkonformen Abgeltung. Der in einer Auktion realisierbare Wert liegt zwischen 25 und 30 Millionen Euro. Das weiß auch Leopold, gedachte er doch über eine Fifty-fifty-Aufteilung das Wally-Minus auszugleichen.

So weit die Theorie, für die es in der Praxis dann insgesamt zumindest an die 35 Millionen Euro aufzutreiben gilt. Dafür müsste man freilich weit mehr als die zuletzt kolportierten 40 Schiele-Blätter auf den Markt werfen. Anfang Dezember hatten Christie's und Sotheby's dem Vorstand des Leopold-Museums ihre Konzepte präsentiert. Wer den ganz passabel vermarktbaren Auftrag bekommt, ist noch immer ungewiss. Bis zur Entscheidung beschäftigt man jedenfalls die Restitutions-Abteilungen beider Häuser.

Einige Zeichnungen und Gouachen, darunter auch solche, für die das Bundesdenkmalamt bereits eine Ausfuhr genehmigt hatte, sind aufgrund ihrer lückenhaften oder nachweislich problematischen Provenienzgeschichte bereits ausgeschieden. Da international nicht verkäuflich, sind sie aus wirtschaftlicher Sicht quasi wertlos. Denn selbst in Österreich sind solche "Patienten" kaum verkäuflich. Der heimische Kunsthandel würde sich daran nicht die Finger verbrennen wollen. Und wer weiß, ob das Kunstrückgabegesetz nicht doch auch irgendwann Privatsammlungen umfassen könnte: "Unwahrscheinlich, wiewohl rechtstechnisch theoretisch möglich", kommentiert Anwalt Alfred Noll.

Neben der "weißen Weste" bestimmt auch bei Schiele die künstlerische Qualität der Werke den Preis. Nur solche, wie etwa der jüngst bei Christie's versteigerte Liegende Akt, übertreffen dann auch die Erwartungen der Einbringer und Experten (524.000 statt 170.000 Euro).

Plan A, bei dem sich das Leopold-Museum nur von Dubletten und nicht von den den substanziellen Kern gefährdenden Papierarbeiten trennt, scheint nicht lukrativ genug, jedenfalls aber zeitraubend. Sind die einen Arbeiten aus dem Rennen, rücken andere potenzielle Kandidaten nach. Diethard Leopold will das weder bestätigen noch in Abrede stellen. Nur so viel: Ja, die Objektauswahl sei punkto Provenienz eingeschränkt, und nein, die Liste mit den 40 Arbeiten sei niemals zum Verkauf bestimmt gewesen.

Ob das auch die beiden Auktionshäuser wissen, die seit drei Monaten jene akribischen Recherchen betreiben, die man seitens des Museums jahrelang verabsäumte? Dazu möchte er nichts sagen, aber erforscht müssen ja ohnehin alle werden. Vermutlich ist das der Preis, den Christie's und Sotheby's berappen müssen, um für Plan B im Spiel zu bleiben: ein, zwei oder auch drei Ölbilder, die flugs die benötigten 35 Millionen Euro in die leeren Kassen spülen würden. Theoretisch, denn praktisch bedürfe es dann freilich noch grünen Lichts seitens des Bundesdenkmalamts. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 26./27. Februar 2011)