Berlin/Wien - Sie nennen sich "Rasenstolz", "Sowilo" und "JunkerJörg", tauschen sich sechs Jahre in einem Internetforum aus, zu dem nur Zugang bekommt, wer persönlich bekannt ist oder einen Bürgen hat. Wie die unzähligen rassistischen, nationalsozialistischen und frauenfeindlichen Forenbeiträge belegen, fühlte man sich offenbar sicher unter seinesgleichen. Nachrichten werden unter Überschriften wie "Binnenjuden - Zentralrat - Holokult" veröffentlicht. Registriert war das Forum auf Holger Apfel, den NPD-Fraktionschef im Sächsischen Landtag.

Wie das Nachrichtenportal tagesschau.de am Dienstag berichtete, soll sich hinter "JunkerJörg", der NPD-Mann Matthias Heyder verbergen. Der Spitzenkandidat der rechtsextremen Partei für die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt am Wochenende zweifelte an, dort Texte geschrieben zu haben. Nur wenige Stunden später ging das Forum, das dem Standard komplett vorliegt, offline. Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt ermittelt. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Martin Krems, Sprecher des Innenministeriums von Sachsen-Anhalt, sagte am Dienstag: "Die uns vorliegenden Auszüge aus Internet-Foren machen es plausibel, dass sich dahinter niemand anderes verbirgt als Herr Heyder."

Bombenbau, Schändungen

Die Vorwürfe gegen "JunkerJörg" wiegen schwer. Er soll Anleitungen zur Sprengstoffherstellung und - bezugnehmend auf eine junge Linke-Landtagsabgeordnete in Sachsen - auch Aufrufe wie: "Schändet ihre Frauen, ihr tapferen Nationalisten !" gepostet haben.

Eine andere sächsische Landtagsabgeordnete der Linken, Kerstin Köditz, die wie berichtet zwei Anfragen zu den Verbindungen von NPD-Funktionären und österreichischen Neonazis einbrachte, reagierte am Dienstag empört: "Es ist auffällig, dass alle Details zu kriminellen Machenschaften der NPD von engagierten Journalisten stammen. Die Sicherheitsbehörden befanden sich dagegen bisher - in Österreich wie Deutschland - scheinbar im Dauertiefschlaf."

Unter den knapp achtzig registrierten Benutzern finden sich auch mehrere Österreicher. Etwa "Sowilo", der als Wohnort Wien angibt und die Neonazi-Seite Alpen-Donau.Info als "unseren Nachwuchs" bezeichnet. Laut Standard-Recherchen heißt er Wolfgang L. mit richtigem Namen. Mit "JunkerJörg" gehörte er zu einer siebenköpfigen Gruppe, die sich in einem geschlossenen Unterforum über "Illegale Geldbeschaffungsmaßnahmen zwecks Durchführung weiterer Projekte/Aktionen/Einkäufe" und "Waffen (Stichwort ,Tag X', Waffenakkumulation, etc.)" austauschte.

Ein anderer User nennt sich "Olifaktor". Unter diesem Pseudonym trat schon 2003 der ehemalige RFS-Obmann, nunmehriger FPÖ-Bezirksrat in Wien-Simmering und Mitarbeiter der FPÖ Niederösterreich, Gernot Schandl, für die virtuelle Partei FUN (Freiheitlich, Unabhängig, National) als "Kanzlerkandidat" an. Auf Nachfrage des Standard räumt Schandl ein: "Im Rahmen des Internetspiels dol2day, bei dem man sich virtuell als Politiker wählen lassen konnte, wurde ich in das geschlossene Forum eingeladen und habe mich damals dort an einzelnen Diskussionen beteiligt." (mb, cms, DER STANDARD, Printausgabe, 16.3.2011)