Glaubens- und Religionsfreiheit sind Grundprinzipien eines modernen demokratischen Staatswesens und stehen überall in Europa außer Zweifel. Aber eine weitere Säule ist die Trennung zwischen Kirche und Staat, und die wird in vielen Staaten schlampig umgesetzt - auch in Österreich und Italien.

Zwar wurde die Kirche aus dem Familienrecht herausgedrängt - selbst die Homo-Partnerschaft konnte sie nicht verhindern -, aber das Kreuz in öffentlichen Kindergärten und Schulen erinnert daran, dass die Aufklärung hierzulande noch immer nicht ganz angekommen ist.

Oft hört man, das Kruzifix sei ja gar kein religiöses, sondern ein kulturelles Symbol, und man sollte doch aus Prinzipienreiterei nicht geliebte Traditionen über Bord werfen. Aber gerade weil wir uns zu Recht über Intoleranz und Fundamentalismus in islamischen Ländern empören, wäre es dringend geboten, einen klaren Schlussstrich gegenüber dem klerikal-autoritären Staat von früher zu ziehen, der durch das Kruzifix an der Wand symbolisiert wird.

Das Kreuz mag niemandem weh tun, aber es trägt auch nichts zu einer Atmosphäre des aufgeschlossenen Lernens bei, die Schulen heute bieten sollten. Es ist ein Anachronismus, der unseren pluralistischen Idealen widerspricht.

Selbst wenn die Höchstgerichte in Wien und Straßburg in der Kruzifix-Pflicht keinen Verstoß gegen die Menschenrechte sehen, könnte die Politik ja von sich aus die geistige Reise vom 19. ins 21. Jahrhundert antreten.(Eric Frey, DER STANDARD; Printausgabe, 19./20.3.2011)