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"Ich hatte Strasser bisher zumindest eine gewisse Intelligenz zugestanden. Aber selbst da scheint es Probleme zu geben."

Foto: EPA/HELMUT FOHRINGER

"Uns haftet mehr und mehr der Ruf an, dass wir ein Land sind, wo man eine gewisse Bereitschaft zu Unseriösität hat", sagt der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler. Er kritisiert Ernst Strasser für seine Lobbyismus-Tätigkeit scharf: "Dass es so arg ist und so dumm und primitiv gemacht wird, das hätte ich ihm nicht zugetraut." Warum er für eine verpflichtende Lobbyisten-Liste im EU-Parlament eintritt und wie es mit der ÖVP-Delegation weiter gehen soll, sagt er im Interview mit derStandard.at. Nach der letzten Wahl sei es falsch gewesen, dass "von Außen bestimmt wurde", dass Strasser der Delegationsleiter wird.

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derStandard.at: Ernst Strasser ist als EU-Parlamentarier zurückgetreten. Was sagen Sie zu der Causa?

Fischler: Es war hoch an der Zeit, eigentlich hätte dieser Rücktritt schon früher sein müssen. Diese nahezu komischen Verteidigungsversuche in einer Sache, wo es nichts zu verteidigen gibt, haben zusätzlich noch viele Leute verärgert. So gesehen ist es wirklich wichtig, dass dieser Schnitt durch die Initiative von Josef Pröll vollzogen wurde.

derStandard.at: Haben Sie sich die Videos angesehen? Wie sehr hat es Sie verwundert, was Sie da zu sehen bekommen haben?

Fischler: Ich habe mir dieses Video am Montag angeschaut und muss sagen, es ist ein starkes Stück in mehrerlei Hinsicht. Zum einen, mit welcher Unverblümtheit man da offen bekennt, dass man an der eigentlichen Tätigkeit als Europaparlamentarier kein Interesse hat, sondern sich als Lobbyist betrachtet, der mit Hilfe der Möglichkeiten, die ein Parlamentarier hat, versucht, seine Geldinteressen zu unterstützen. Das ist schon eine Chuzpe, genaugenommen.

Darüber hinaus auch die offenkundige Diskrepanz, die ein seriöser Lobbyist nicht in der Form akzeptieren würde: dass man versucht, irgendwelche Pauschalbeträge zu vereinbaren, ohne dass auch nur irgendeine Leistung vereinbart wird. Das ist ja gleichzeitig ein bisschen eine Dummheit, weil ich mich auf diese Weise dem Korruptionsverdacht aussetze. So gesehen war dieses Video nahezu eine Offenbarung. 

derStandard.at: Haben Sie dieses Verhalten dem Herrn Strasser zugetraut?

Fischler: Dass es so arg ist und so dumm und primitiv gemacht wird, das hätte ich ihm nicht zugetraut. Ich hatte Strasser bisher zumindest eine gewisse Intelligenz zugestanden. Aber selbst da scheint es Probleme zu geben.

derStandard.at: Die Causa wirft ein schlechtes Bild auf das EU-Parlament, zumindest auf die Abgeordneten.

Fischler: Ja, in Österreich. Weil wir dazu tendieren, zu sagen, so ist das Europaparlament. Aber im Europaparlament ist es eher umgekehrt. Da gibt es eher die Meinung: so sind die Österreicher. Mit diesem Thema muss man sich daher beschäftigen, weil uns mehr und mehr der Ruf anhaftet, dass wir eigentlich ein Land sind, wo man es faustdick hinter den Ohren hat, und wo man eine gewisse Bereitschaft zu Unseriösität hat. Ich möchte jetzt nicht unbedingt den Balkan-Vergleich ziehen, denn es ist schon so, dass wir in den Mitgliedsstaaten vom Balkan strengere Maßstäbe anlegen als bei uns selber.

derStandard.at: Das Image ist beschädigt, auch für die Wirtschaftsberiebe?

Fischler: Gerade in Ost- und Zentraleuropa tätige Wirtschaftsunternehmen werden sicher mit der Frage konfrontiert werden: Wie ist das da bei euch eigentlich in Österreich? Es ist also nicht ein unmittelbarer Schaden, aber es ist sicher ein Beitrag, der unser Image schlechter macht.

derStandard.at: Othmar Karas wird als Nachfolger Strassers als Delegationsleiter gehandelt. Wie soll es Ihrer Ansicht nach mit der ÖVP-Delegation im Europaparlament weiter gehen? 

Fischler: Beim letzten Mal war es falsch, dass von Außen bestimmt wurde, wer der Delegationsleiter sein soll. Das sollte deshalb jetzt so gemacht werden, wie das bei allen anderen Delegationen der Fall ist: dass die Delegierten der ÖVP sich selber den Vorsitzenden wählen und der sollte dann akzeptiert sein.

derStandard.at: Wie beurteilen sie die Reaktion der Bundes-ÖVP in dieser Sache? Josef Pröll hat Strasser am Sonntag nahe gelegt zurückzutreten.

Fischler: Das war absolut richtig und notwendig, es wäre sogar wünschenswert gewesen, wenn das schon früher der Fall gewesen wäre. Wichtig ist, dass er das gemacht hat. Es gibt jetzt Kritik an seiner Personalauswahl, aber man sollte doch auch einmal die fragen, die ihm den Herrn Strasser aufgedrängt haben, wie sie eigentlich jetzt zu dieser Sache stehen.

derStandard.at: Wen sprechen Sie da an?

Fischler: Strasser stammt ja aus der ÖVP Niederösterreich.

derStandard.at: Der Tiroler Landeshauptmann Platter hat den Parteiausschluss Strassers verlangt. Sie haben "große Sympathien für die Position des Tiroler Landeshauptmannes" geäußert. Die ÖVP Niederösterreich hat sich nicht zu Wort gemeldet. Sollte Landeshauptmann Erwin Pröll also auch einmal was sagen?

Fischler: Das ist natürlich ihm überlassen, aber ich glaube, dass sich das viele Leute erwarten werden.

derStandard.at: Justizministerin Bandion-Ortner hat ein Lobbyisten-Gesetz angekündigt, wie stehen Sie dazu?

Fischler: Ich bin immer ein bisschen vorsichtig, wenn man sofort solche Anlassgesetzgebungen macht. Ich glaube nämlich nicht, dass man das Problem, um das es hier geht, so einfach in einem Lobbyistengesetz regeln kann. Aber was viel wichtiger ist, dass es vernünftige Regelungen gibt, was ein Abgeordneter darf und nicht darf. Das hat mit Lobbying zunächst nur wenig zu tun. 

Zweitens glaube ich, dass es durchaus sinnvoll wäre, dass man für Österreich im Wesentlichen jene Dinge übernehmen sollte, die auch in Europa üblich sind. Wobei ein Schwachpunkt, das muss ich schon sagen, ist auch auf der europäischen Ebene vorhanden: dass die Eintragung in die berühmte Lobbying-Liste eine freiwillige ist. Es ist keine Verpflichtung, wenn man als Lobbyist in Europa tätig ist, sich eintragen zu lassen. Obwohl das bei mir eigentlich immer das Grundprinzip war. Wir haben immer nachgeschaut, wenn jemand um einen Termin angesucht hat: steht der in der Liste drinnen?

derStandard.at: Das heißt, Sie treten für eine verpflichtende Eintragung ein?

Fischler: Wenn man durchgreifen will, dann müsste man eine verpflichtende Liste machen. Man könnte ja sagen: Wer dort nicht eingetragen ist, gilt für die EU-Behörden nicht als Lobbyist und kann daher auch nicht als Lobbyist den Behörden gegenüber tätig werden. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 23.3.2011)