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Wien - 24,2 Prozent in Baden-Württemberg, zweitstärkste Partei und wahrscheinlich der erste grüne Ministerpräsident - die Atomkatastrophe in Japan und die nachfolgende Diskussion über einen Atomausstieg in Europa hat den Grünen in Deutschland starke Zugewinne gebracht. Die heimischen Parteifreunde freuen sich zwar mit, können selbst von einem derartigen Schwung aber nur träumen.

"In unseren österreichweiten Umfragen sehen wir die Grünen zwar stabil bei zwölf Prozent, aber auch das Unglück in Japan hat keinen Ausschlag nach oben gebracht", arbeitet Werner Beutelmeyer vom Linzer Market-Institut den Unterschied heraus.

Bundessprecherin Eva Glawischnig zweifelt diese Zahl allerdings an: "Die zwölf Prozent stimmen meiner Meinung nach nicht", sagt sie im Gespräch mit dem Standard, "wir liegen in den meisten Umfragen zwischen 13 und 16 Prozent." Ihre Erklärung für den Erfolg der Deutschen: Die Atomausstiegsdiskussion sei dort "eine innenpolitisch höchst emotional aufgeladene Debatte".

Dass es die deutschen Ökos derzeit leichter haben, glaubt auch der Politologe Peter Filzmaier. Die schwarz-gelbe Regierung in Berlin sei "ein guter Reibebaum", und mit der Atomkraftdebatte habe es ein "konkretes Umweltthema" gegeben. Filzmaier: "Das funktioniert bei uns nicht, weil schon länger alle Parteien auf Antiatomkraft eingeschwenkt sind." Zur Mobilisierung brauche es aber ein konkretes Thema, bei dem auch ein Gegner festgemacht werden kann. "Wo ist der Gegner in Österreich bei Mochovce?", fragt Filzmaier und gibt sich die Antwort gleich selbst: "Es vertritt niemand die Gegenposition."

Was die heimischen Grünen von den deutschen Freunden lernen könnten: "Die Grünen in Deutschland sind in den Altersgruppen weiter hinaufgekommen", erklärt der Politikwissenschafter. In Österreich seien sie bei den über 60-Jährigen noch immer im niedrigen einstelligen Bereich - "genauso wie bei den Menschen 50 plus".

Market hat im Frühjahr erhoben, in welchen Bevölkerungssegmenten die Grünen besonders viele bekennende Unterstützer haben. "Auffallend ist, dass bei Wahlberechtigten, die zumindest Matura oder gar ein Studium haben, beinahe jeder Vierte angibt, die Grünen zu wählen, in diesem Segment sind sie die stärkste Partei", sagt Beutelmeyer. Die Wählerschaft ist urban, gebildet, weiblich und jung - ganz schwach sind die Grünen bei Arbeitern, Senioren und in bildungsfernen Schichten.

"Uns sind dieses Defizit und die Chancen, die sich daraus ergeben, durchaus bewusst", sagt Glawischnig. Zielgruppenaktionen würden gerade vorbereitet, aber: "Eine eigene Seniorenkampagne wird es nicht geben. Denn wir machen keine Klientelpolitik im engeren Sinne. Wir haben unsere großen inhaltlichen Projekte und versuchen damit bei allen Generationen zu werben."

Interne Reformarbeiten

Glawischnig verweist auch auf die seit längerem laufenden Umbauarbeiten im grünen Parteiapparat. Es gehe darum, "die Kampagnenfähigkeit von Bund und Ländern und die Schlagkraft zu erhöhen". Münden soll diese Arbeit schlussendlich in einen Bundeskongress. Glawischnig: "Im Oktober soll der innerparteiliche Reformprozess abgeschlossen sein." Ob dort auch eine Regelung beschlossen werden soll, die für die Parteispitze reservierte Wahllistenplätze für Quereinsteiger vorsieht, will die Grünen-Bundessprecherin nicht kommentieren: "Das ist noch offen." (Peter Mayr, Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 29.3.2011)