ModeratorIn: derStandard.at begrüßt Josef Kalina zum Chat. Wir bitten die UserInnen um Fragen.

Josef Kalina: Hallo liebe Standard.at LeserInnen.

meryn: Welche Lobbyinggesetze sollten Ihrer Meinung nach verabschiedet werden?

Josef Kalina: Bin bei neuen Gesetzen grundsätzlich skeptisch. Solang jemand in Österreich eine Pressekonferenz für 96.000 Euro verkaufen kann und keine Behörde findet daran etwas seltsam, glaube ich dass es besser wäre zum Beispiel die Korruptionsstaatsanwaltschaft zu stärken, als jetzt wieder neue Gesetze, die dann nicht ordentlich kontrolliert werden können, zu verabschieden.

meryn: Wie viel Geld verdienen Sie pro Kunden ungefähr?

Josef Kalina: Ich habe im letzten Jahr mit rund 21 Kunden insgesamt rund 500.000 Euro Umsatz gemacht. Dafür beschäftige ich sechs MitarbeiterInnen. In den meisten Fällen stehen dahinter 1- bis 3-Jahres-Verträge mit genau definierten Leistungen. Honorarsätze wie sie die Herren Strasser, Rumpoldt, Meischberger, etc. teilweise ohne schriftliche Vereinbarungen erhalten haben, gehören nicht zu meinen Geschäftspraktiken.

dirtyoldman1: Warum sind Sie nicht mehr im bundesrat?

Josef Kalina: Ich habe mich bewusst dafür entschieden, mich ganz auf den Aufbau meiner PR-Agentur zu konzentrieren und wollte auch ganz bewusst Diskussionen darüber - die anlässlich der jetzigen Ereignisse wohl unausbleiblich gewesen wären - dass ich einen Auftrag nicht wegen meiner Leistungen erhalten habe, sondern nur deswegen weil ich für die SPÖ im Bundesrat sitze, von Haus aus vermeiden.

kultur2020: Sie haben sich laut Medien mit dem ehemaligen Mock/Schüsselsprecher Krenkel zusammengeschlossen. Soll das eine neue schwarz-rote Lobbyisten-Koalition werden?

Josef Kalina: Ganz im Gegenteil: ich glaube dass Österreich eine "ganz große Koalition" der Verwirklicher braucht, weil es in unserem Land unglaublich viele kleine Koalitionen der Verhinderer gibt. Krenkels spezielle Erfahrungen im Bereich EU, UN, Wirtschaft und meine speziellen Erfahrungen im Bereich Journalismus, Verlagsmanagement und Politik sollen dazu beitragen an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Medien und Politik Projekte, die für Österreich wichtig sind, in guter Zeit zu verwirklichen. Dass wir persönlich, er als Sprecher Schüssels, ich als Sprecher Klimas, trotz vieler unterschiedlicher Positionen schon zu dieser Zeit eine gute tragbare Beziehung aufgebaut haben, ist für mich ein gutes Zeichen für konstruktive Zusammenarbeit.

kultur2020: Casinos Austria Lobbyist Rosam meinte im Falter: "unsere Branche ist tot". Der muss es doch wissen, warum machen Sie dann weiter?

Josef Kalina: Da kann er wohl nur eine ganz spezielle Form des Lobbyings gemeint haben, wo Beratung und Feinschmeckeraktivitäten in einander fließen :). Im Ernst: ich denke kluge strategische Beratung wird immer wichtiger. Es gibt bei jedem Projekt Gegner, oft welche die man auf den ersten Blick nicht erwartet hätte. Lobbying so wie ich es verstehe, ist eine Knochenarbeit. Es geht um Konzepte, es geht um Bilder in den Köpfen, es geht darum jenen, die schließlich eine Entscheidung treffen müssen, bestmögliche Unterlagen über die eigene Position zu geben. Und es geht immer auch um die Öffentlichkeit und damit die Medien, die heutzutage jeden Prozess kritisch begleiten. Ich kenne im übrigen keinen Branchenvertreter, der seine eigene Zunft totsagt.

Forstmann: Ist es leichter Politiker zu sein oder Lobbyist? Oder gleichzeitig beides?

Josef Kalina: Beides gleichzeitig halte ich für problematisch, wenn auch nicht grundsätzlich unmöglich. Die aktuellen Diskussionen zeigen aber wohl, dass es real nicht geht. Sicher eine der schwierigsten Tätigkeiten unserer Zeit ist die Spitzenpolitik. Darum muss heutzutage jede/r PolitikerIn sich vor jeder Entscheidung wirklich gut alle Positionen anhören, denn es gibt immer Gegner. Politik hat allerdings in meinem Leben eine wichtige Rolle gespielt und mir viel Erfüllung gebracht, weil sie der Ort ist, an dem man das Gefühl hat, etwas verändern zu können.

meryn: Was sind Sie lieber: Lobbyist oder Politiker?

Josef Kalina: Nur zur Klarstellung: 80% meines Umsatzes in meiner Firma stammen aus klassischen PR- und Event-Aufträgen. Politik habe ich grad beantwortet. Aber auch strategische Beratung ist eine spannende Herausforderung, erfordert sie doch einerseits mit den Augen anderer zu sehen, Prozesse längerfristig durchdenken zu können und vorallem die richtigen Geschichten zu erzählen, damit Entscheider entscheiden können, und das Publikum die Vorteile einer Entscheidung erkennen kann.

meryn: Haftet Lobbyisten tatsächlich ein "gewisser Geruch" an?

Josef Kalina: Mir nur Joop Jump!

dirtyoldman1: Was sagen Sie zur Einschätzung: Es hat nicht (nur) die SPÖ ein Popularitätsproblem, sondern das ganze Parteiensystem. Der Tenor auf der Straße nach Strasser: Das machen die eh alle. Was wäre der Ausweg?

Josef Kalina: Da haben Sie leider recht. Was das Abstellen von negativen Einflüssen a la Strasser und der FPÖ Buberlpartie betrifft, hilft nur Transparenz auf Seiten der Entscheidungsträger. Und was auch hilft, ist gesunder Menschenverstand, wen man in welche Position setzen kann und wem man vertrauen kann. Der Bundesregierung von SPÖ und ÖVP wird es dauerhaft nur besser gehen, wenn sie erkennbar gemeinsame Ziele verfolgt. Das heißt nicht, dass es keine Konflikte geben kann. Aber wenn die beiden Regierungsparteien gestärkt aus einer nächsten Wahl hervorgehen wollen, müssen sie einerseits eine vernünftige Bilanz vorweisen können, aber andererseits glaubwürdig den Menschen sagen können, dass sie auch gern miteinander an wichtigen Zielen für Österreich arbeiten wollen.

dirtyoldman1: Finden Sie nicht, dass Gusenbauer ein schlechtes Licht auf die SPÖ wirft, wenn er das kasachische Staatsoberhaupt berät?

Josef Kalina: Überhaupt nicht. Kasachstan ist wie viele andere Teile der ehemaligen Sowjetunion ein Staat in einer Übergangsperiode. Daran mitzuwirken, dass die Entwicklung eines solchen Staates in Richtung Demokratie und Menschenrechte und freier Marktwirtschaft führt, ist wichtig und keinesfalls zu kritisieren.

Forstmann: Gibt es einen Unterschied zwischen PR und Lobbying oder ist das dasselbe?

Josef Kalina: Da gibt es große Unterschiede, das wird hier im Chat wohl zu lang. Aber grundsätzlich wendet sich PR wohl immer an die Öffentlichkeit, während Lobbying oft auch ein Prozess ist, der sich an Entscheidungsträger wendet.

dirtyoldman1: Im DATUM hieß es einmal über Sie: "In einem anderen Leben wäre der Kommunikationsprofi vielleicht ein Schwarzer und würde Autos verkaufen." Gibt's was, das Sie nicht verkaufen würden?

Josef Kalina: Klingt lustig, unterstellt mir aber Grundsatzlosigkeit. Wer mich kennt, weiß, dass das vollkommen falsch ist. Das wissen vor allem die meisten JournalistInnen Österreichs, mit denen ich in den letzten Jahren in den verschiedensten Funktionen immer wieder zu tun hatte. Aber klar ist schon, dass man in der Politik manchmal für sich rasch ändernde Positionen werben muss. Das habe ich, wie es meine Art ist, immer mit vollem Einsatz betrieben. Außerdem: gegen Autos verkaufen gibts ja wohl wirklich nichts zu sagen, und ich denke unter Österreichs Autohändlern wird sich auch der eine oder andere Rote finden.

Leo N.: Haben Sie schon einmal einen Auftrag wegen moralischer Bedenken abgelehnt?

Josef Kalina: Nein, weil bisher kein solcher an mich herangetragen wurde.

Mad Max: Wie stehen Sie zu einer verpflichtenden Offenlegung sämtlicher Parteispenden?

Josef Kalina: Da bin ich sehr dafür, und habe mich in der Vergangenheit auch schon dafür eingesetzt. Alfred Gusenbauer hat sogar einen derartigen Vorschlag schon vor Jahren gemacht. Mir gefällt das amerikanische System, das ich vor Ort detailliert studiert habe, sehr gut. Jede Spende, egal ob von einer Firma oder einer Privatperson, muss deklariert werden und ist öffentlich einsichtig. Selbstverständlich müsste das allerdings in Österreich ALLE Vorfeldorganisationen, oder Bünde oder wie die sonst heißen einbeziehen.

Tolling: Wie sehr haben Lobbyisten Ihre politische Tätigkeit beeinflusst?

Josef Kalina: Sicher oft: ich habe an allen Stellen, wo ich selbst Entscheidungen treffen musste oder in einer Stabsfunktion war, immer danach getrachtet möglichst viel Informationen zu sammeln. Jede/r vernünftige PolitikerIn wird es schätzen möglichst viel an gut aufbereiteten Informationen zu erhalten, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Etwas ganz Ähnliches ist ja wohl das Begutachtungsverfahren vor einem Gesetzesbeschluss.

Herr Jesus #1: An welche Moral halten Sie sich beim Lobbyieren?

Josef Kalina: Meine persönliche Prägung kommt aus dem sozialdemokratischen Wertegerüst: Freiheit, Gleichheit, Chancengerechtigkeit. Ich möchte durch meine Tätigkeit grundsätzlich niemals Menschen schaden. Und ich möchte auch nicht die Uninformiertheit anderer ausnutzen.

Stöberant: Wo sind in Österreich die Lobbyisten Hot-Spots – Wiener Kaffeehäuser oder irgendwelche dunklen Keller?

Josef Kalina: Landtmann und Co. sind sicher gute Adressen, sonst geht mit Ihnen wohl die Phantasie durch. :) Sicher gehört zu einem guten Berater auch ein breites Netzwerk an Kontakten und zur Kontaktpflege der eine oder andere Kaffee. Entscheidend für die Qualität der Arbeit ist aber immer etwas ganz anderes: nämlich eine überzeugende Idee, gute Vorbereitung, ein gutes Konzept, hervorragende Präsentationsunterlagen.

meryn: Was ist leichter: Politische Inhalte zu verkaufen oder Lobbying für ein Unternehmen zu betreiben?

Josef Kalina: Das kann man nicht vergleichen. In der Politik geht es um längerfristige Prozesse. Es geht vor allem um Glaubwürdigkeit und wenn man bei einer Wahl Erfolg haben will, um Vertrauen für die Zukunft. Immer mehr WählerInnen fragen sich ja bis kurz vor dem Wahltag: was bringt der/die mir ganz persönlich, wenn ich ihn/sie morgen wähle. Was die Unternehmenskommunikation betrifft ist das gänzlich anders. Meist müssen sie Kunden permanent von der Qualität ihrer Dienstleistung oder ihres Produkts überzeugen und nicht nur alle fünf Jahre. Ausserdem sind viele Entscheidungen nicht immer mit so vielen Emotionen verbunden, wie die meisten politischen Themen.

meryn: Hören Sie öfter von Vorfällen in der EU, die jenem von Strasser gleichen?

Josef Kalina: Ich habe in dieser Form, dass sich ein Abgeordneter mutmaßlich als bestechlich präsentiert, noch nie einen zweiten Fall zu Ohren bekommen.

DanMaster: Ist genug Transparenz in der Politik vorhanden?

Josef Kalina: Ich glaube nicht. Und ich glaube, dass sich die Parteien etwas Gutes täten, würden sie die Transparenz der Finanzierung deutlich erhöhen.

Idealist23: Andreas Khol sagt: "Wenn du als 40-jähriger Politiker ohne Mandat dastehst, musst du sehr aufpassen, dass du kein Sozialfall wirst. Oder du gehst ins Lobbying." Hat er Recht?

Josef Kalina: Ich halte eine wesentlich höhere Durchlässigkeit und einen häufigeren Wechsel zwischen Politik und Beruf für absolut wünschenswert. Eine Politik, die nur mehr aus Berufspolitikern oder karenzierten Beamten bestünde, hielte ich nicht für erstrebenswert. Vielmehr wäre es besser, mehr Berufsgruppen als bisher im Parlament zu finden.

Leo N.: Kurz und knapp, bitte: Was sind die drei wesentlichen Charaktermerkmale eines guten Lobbyisten?

Josef Kalina: Schwer zu sagen, was sollten die wesentlichen Charaktermerkmale eines Arztes sein? Ich denke wie in jeder Branche braucht es klare Regeln, der Rest ist vor allem Professionalität. Wer längerfristig und nachhaltig denkt, wird sich schon aus Vernunftgründen - sollte er charakterlich nicht gefestigt sein - an krummen Geschäften nicht beteiligen.

drechfachs: Hätten Sie im Lobbyismus eine Chance, wenn Sie nicht so gut in der SPÖ verankert wären?

Josef Kalina: Nochmal, mein Hauptgeschäft ist die Kommunikation. Ich denke nach 30 Jahren als Journalist, als Berater, als Manager und letztlich auch als Politiker, biete ich in diesem Bereich qualitätvolle und erfolgreiche Arbeit an. Das hat mit der Weltanschauung glaube ich nichts zu tun.

Grünzweig: Wofür würden Sie nicht lobbyieren, wo ziehen Sie die Grenze?

Josef Kalina: Grundsätzlich für alles, was nicht erlaubt ist. Dazu kommen Dinge die Menschen schaden würden, in welcher Form auch immer.

fräulein potmesil: haben sie mit joop jump einen pr-vertrag?

Josef Kalina: Nein, aber es riecht gut, findet meine Frau.

CrangerMan: Wollen Sie je in die Politik zurückkehren?

Josef Kalina: Ich bin jetzt mit 53 Jungunternehmer. Das ist ein gutes Gefühl, vor allem weil es funktioniert und ich ein junges sympathisches Team um mich habe. Ausserdem kann ich, was ich auch jedem anderen nur raten würde, weiter aktiv an Politik interessiert sein und als engagierte Privatperson mitmischen. Das reicht für die nächsten Jahre vollkommen aus.

ModeratorIn: derStandard.at bedankt sich bei Josef Kalina und den UserInnen. Auf Grund der vielen Fragen konnten leider nicht alle beantwortet werden. Schönen Tag noch.

Josef Kalina: Schönen Nachmittag, ich freue mich schon jetzt auf die vielen freundlichen Postings. Bitte scheuen Sie auch nicht vor freundlichen Kommentaren zu meinem Äußeren zurück. Gerne nehme ich auch Empfehlungen für andere Rasierwässer entgegen.