Rechtsextrem im Trachtenlook: Gottfried Küssel wurde wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung in Wien verhaftet.

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Nach dem Fußballtraining seines Sohnes wartete auf Gottfried Küssel eine unliebsame Überraschung. Denn als er am Montagabend aus Niederösterreich nach Wien-Leopoldstadt zurückkehrte, stand um 18 Uhr plötzlich die Polizei vor der Tür. Mit einem Hausdurchsuchungs- und einem Haftbefehl. Der Vorwurf: Nationalsozialistische Wiederbetätigung. Der Hintergrund: Die neonazistische Webseite Alpen-Donau.Info.

Der 52-Jährige war nicht der einzige, der sich unvermittelt der Staatsgewalt gegenübersah. Insgesamt 40 Beamte durchsuchten vier Wohnungen in Wien sowie zwei in der Steiermark, darunter jene von Küssels Gesinnungskameraden Franz Radl. Neben Küssel wurde auch ein zweiter Wiener festgenommen. Bis Mittwoch werden die beiden Verdächtigen jetzt einvernommen, dann muss die Justiz über eine etwaige Untersuchungshaft entscheiden.

Laufende Computer

Bei Polizei und Staatsanwaltschaft Wien ist man überzeugt, dass man damit die Hintermänner der zwei Jahre lang aktiven Neonazi-Homepage erwischt hat. Um das zu untermauern sollen nun die beschlagnahmten Computer und Unterlagen gesichtet werden. Das könnte erfolgversprechend sein: Denn zumindest einige der Verdächtigen hatten beim Zugriff offenbar ihren PC in Betrieb - so haben die Ermittler nun leicht Zugriff auf die Daten und müssen sich nicht mit dem Knacken von Passwörtern beschäftigen.

Das sei auch der Grund, warum man den Zugriff nicht wie üblich in der Nacht oder dem frühen Morgen durchgeführt habe - "wir wollten, dass sie online sind", sagt ein Beteiligter. Auch der Wochentag wurde mit Bedacht gewählt: Die Genehmigung für Hausdurchsuchungen hatte die Polizei zwar schon seit einer Woche in den Händen, am Montag fand aber im so genannten "Reichskeller", einem Versammlungsort der Szene, ein Stammtisch statt.

Intern heißt es, man habe eine "starke Indizienkette" gegen Küssel. Bei der Staatsanwaltschaft will man aber nicht ausschließen, dass es noch mehr führende Internetaktivisten gibt.

Es ist nicht der erste Einsatz gegen die Rechtsextremen. Im Oktober 2010 wurde bei insgesamt 18 Hausdurchsuchungen in mehreren Bundesländern die Szene aufgescheucht. Damals handelte es sich um Personen, die sich im internen Forum der Homepage ausgetauscht hatten. Verhaftet wurde aber niemand.

Auch damals geriet Gottfried Küssel bereits in den Fokus der Fahnder - allerdings unabhängig von der Homepage-Affäre, betonte man. Eine Hausdurchsuchung bei ihm fand nämlich bereits einen Tag vor den anderen statt. Offiziell ging es um ein anderes Delikt: Küssel wird vorgeworfen, mit anderen Verdächtigen in einem Lokal in Wiener Neustadt zunächst einschlägige Parolen gegrölt und anschließend die Wirtin attackiert zu haben.

Keine Homepagesperre

Die Neonazi-Seite verbreitete jedenfalls auch nach den Hausdurchsuchungen ungehindert weiter ihre neonazistische Propaganda. Der dazugehörende Server stand in den USA, wo derartige Äußerungen nicht strafbar sind. Kritik, dass die Homepage nicht von österreichischer Seite gesperrt worden sei, kontert Thomas Vecsey, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, am Montag mit dem Hinweis auf ermittlungstaktische Notwendigkeiten.

"Wir hatten in den USA Zugriff auf die Daten und konnten sämtliche Vorgänge auf der Seite beobachten." Die US-Behörden hatten offenbar dafür gesorgt, dass die heimischen Ermittler die Zugangscodes bekamen - ob offiziell oder mittels Hackerangriff bleibt vorerst offen. Vor rund drei Wochen hetzte die Alpen-Donau.Info dann plötzlich nicht mehr - die Seite ging offline. Der US-Serverbetreiber habe sie aufgrund anhaltender Kritik von sich aus abgeschaltet, sagt Vecsey nun. "Für uns in Wahrheit ein Rückschlag." Gemurrt wird in der Staatsanwaltschaft auch über die Medien. So soll ein Fotograf bereits eine Stunde vor dem Polizeizugriff vor Ort gewesen sein und so den Einsatz gefährdet haben, heißt es. (Michael Möseneder, STANDARD-Printausgabe, 13.4.2011)