Wien - Die eisige Höhe der Alpen ist in den Keller des Theaters Nestroyhof/Hamakom verlegt. Hier inszeniert Barbara Schulte die zwei Monologe Ich ersehne die Alpen; so entstehen die Seen des österreichischen Autors Händl Klaus als szenische Installation. Hier sehnt sich Olivia aus der städtischen Hitze in die Kühle der Berge. Hier begrüßt Bruno die Menschen in seiner hochgelegenen Einsamkeit.

Olivia (Patrick Jurowski) sitzt in einer Nische des Kellerraumes, von Gerümpel umrahmt, Staub auf dem altbackenen Anzug. Es gibt zu wenige Stühle in dem engen Raum, wer aus dem Publikum einen ergattert hat, rutscht unruhig darauf herum.

Ohne Unterlass fixiert Olivia ihre Zuhörer. "Liebe Alpen! Hört ihr mich, und könnt ihr mich verstehen? Leider weicht ihr aus." Aus dem hinteren Teil des Kellers dringen laute Rufe und Varieté-Musik, zögernd folgt das Publikum. Hier werden sie von Bruno (Barbara Gassner) erwartet. Auf zwei Bankreihen dürfen sie Platz nehmen, in ihrer Mitte geriert Bruno sich wie ein Zirkusdirektor. (Raumkonzept: Reinhard Taurer). Doch das Varieté entpuppt sich als Jenseits, statt den zwei Toten aus Händls Text wird das gesamte Auditorium zu Verstorbenen umfunktioniert. "Was müsst's ihr für liebe Menschen gewesen sein!"

Die bisweilen bedrängende räumliche Nähe zwischen Publikum und Darstellern macht die Themenkomplexe der Monologe fast körperlich spürbar: Nähe und Distanz, Wärme und Kälte, Leben und Tod. Verzweifelt will Bruno die Toten, das kühl beobachtende Publikum erwärmen, eine Reaktion erzwingen.

Barbara Schulte hat gut daran getan, die Geschlechterrollen zu vertauschen. Barbara Gassner verdeutlicht Brunos Wunsch nach Nähe mit fast schon klischeehaftem weiblichen Buhlen nach Zuneigung. Begleitet vom Mann am Keyboard (Herwig Ursin) singt sie schmachtende Jazz-Songs, verzweifelt rennt sie durch die Reihen und verteilt übervolle Schnapsgläser. "Prost! Alle Menschen sind sterblich!"

Es ist das so etwas wie die Quintessenz dieses Ganges durch die Niederungen sozialer Distanz und menschlicher Sterblichkeit: Jenseits und Varieté, ein und dasselbe. Langer Applaus für einen präzise inszenierten Abend mit herausragenden Darstellern. (Andrea Heinz/DER STANDARD, Printausgabe, 20. 4. 2011)