Auf diesem Tisch steht Geografie auf dem Lehrplan, nebenan Mathe oder Lesen. Das pädagogische Ziel: Kinder unterschiedlichen Alters sollen sich gegenseitig weiterhelfen.

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Wien - Ist gerade Stunde oder Pause? Was lernen die Kinder hier? Und wo ist eigentlich ihr Lehrer? Wer eine Klasse der Schule am Friedrichsplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus betritt, braucht ein bisschen länger als anderswo, um das alles herauszufinden. Überall im Raum sitzen, hocken oder liegen die Schüler in kleinen Gruppen beisammen. Während die einen schreiben und rechnen, beschäftigen sich die anderen mit Geografie und Sachkunde (Fukushima steht diese Woche auf ihrem Arbeitsplan). Erst auf den zweiten Blick erkennt man die zwei Lehrer, die auf den kleinen Stühlen sitzen, und die "Lesefreundin", die einmal in der Woche die Klasse kommt.

Und noch eine Besonderheit gibt es in diesem Klassenraum: Die Schüler gehören drei verschiedenen Schulstufen an. Von der ersten bis zur dritten Klasse werden sie gemeinsam unterrichtet, dann vom vierten bis zum sechsten Schuljahr, und in der letzten Stufe werden die 13- und 14-Jährigen zusammengefasst. Aber nicht, weil es - wie in ländlichen Schulen häufig der Fall - zu wenige Kinder für eine Klasse gibt, sagt Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl: "Hier sollen die Kinder voneinander lernen." Das funktioniere bei Kindern unterschiedlichen Alters ebenso wie bei Kindern mit unterschiedlichen Talenten. Hochbegabte finden hier ebenso einen Platz wie Schüler mit Lerndefiziten, auch Kinder mit Behinderung werden im Klassenverband unterrichtet.

In dieser Hinsicht funktioniert die Integration hier also; erstaunlich für eine Schule im 15. Bezirk ist aber, dass hier verhältnismäßig wenige Migrantenkinder aus- und eingehen. "Es gibt die Tendenz, dass Kinder aus nicht-österreichischen Familien eher in die Regelschule gehen", bestätigt Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SP), der am Donnerstag gemeinsam mit Brandsteidl der Schule in Rudolfsheim-Fünfhaus einen Besuch abstattete.

Mehr Geld vom Stadtschulrat 

Wien-weit gibt es derzeit 104 Mehrstufenklassen, in denen über 2000 Schüler unterrichtet werden. Den pädagogischen Extra-Aufwand zahlt der Stadtschulrat; das gehe sich budgetär aus, sagt Brandsteidl - "unter Beibehaltung der aktuellen Zahl".

Dass das Zusammenleben in der Schule am Friedrichsplatz gut funktioniert, führen die Lehrer auch auf das Fach "Glück" zurück, das es dort gibt Den Kindern soll vermittelt werden, selbstsicher durchs Leben zu gehen - durch Kreativität, Bewegung und Ernährung; auch Umweltschutz oder demokratisches Denken sind ein Thema. Glücklichere Kinder seien gelassener, sind die Pädagogen überzeugt. In Bezug auf den politischen Besuch stimmt das jedenfalls: In dem vermeintlich chaotischen Klassenraum ließen sie sich weder von den Politikern noch von den mitgebrachten Fotografen vom Lernen abhalten. (Andrea Heigl, DER STANDARD; Printausgabe, 13.5.2011)