Die Sokrates-Lehrer bleiben im Unterricht auf dem Boden: Erich Sitz und Iris Fuchs.

Foto: Wakolbinger

Linz - Noch geben in dem Gewölberaum mit den roten Klinker-Ziegeln an der Decke die Handwerker den Ton an. In dem ehemaligen Kuhstall des Parzmairhofes in Leonding bei Linz wird derzeit eifrig gestemmt, geschraubt und gebohrt. Ab kommendem Herbst muss hier nämlich alles kindgerecht sein. Neben Hühnern, Ziegen, Pferden und Wollschwein Giovanni hat der Verein Emotion Gefallen an der ländlichen Idylle gefunden und den Bauernhof als Platz für ein neues, alternatives Schulprojekt auserwählt. 

22 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren werden ab Herbst gemeinsam die freie "Sokrates-Schule" mit Leben füllen. Statut und Räumlichkeiten sind bereits vom oberösterreichischen Landesschulrat genehmigt, gearbeitet wird künftig im Parzmairhof mit einem Mix verschiedener reformpädagogischer Ansätze. "Wir haben bewusst nicht eine bestimmte Richtung gewählt, sondern einfach die für uns stimmigen Pädagogik-Ansätze herausgegriffen", erzählt Iris Fuchs, eine von künftig zwei Lehrerinnen. 

Der Schultag beginnt auch in der freien Schule um 8 Uhr früh. Doch über die Beginnzeit hinaus gibt es wenig Parallelen zu Regelschulen. Die Schüler werden hier Studenten genannt, mit den Lehrern ist man per Du. Hausübungen gibt es keine, Lernbeschreibungen ersetzen die Noten. Fuchs: "Wir wollen dieses Machtverhältnis zwischen Lehrern und Schülern vermeiden." Bänke und Tische werden nur für bestimmte Arbeitsprojekte gebraucht. Ansonsten bleibt man im Unterricht bevorzugt auf dem Boden der Tatsachen. "Wir sitzen mit unseren Schülern lieber auf Arbeitsteppichen", erzählt Vereins-Obmann Erich Sitz im Standard-Gespräch. Jeden Morgen ist zunächst einmal Zeit für ein Gespräch. Sitz: "Kinder erleben so viel und haben natürlich ein Mitteilungsbedürfnis. Daher fängt der Schultag bei uns mit einer Erzählstunde an." Aber es wird auch gelernt: Am alternativen Lehrplan stehen Projektunterricht, Kompetenztrainings in den Kulturtechniken und Reflexionsphasen. Geübt wird in altersgemischten Gruppen. 

Warum-Sanktionen 

"Die Projekte bestimmen weitgehend die Kinder selbst. Wenn jemand sagt, er geht heute auf die Wiese, um Regenwürmer zu beobachten, ist das auch gut. Wir Pädagogen begleiten dann diesen Prozess", schildert Iris Fuchs.
Entscheidend ist in der Privatschule - 295 Euro beträgt das monatliche Schulgeld - die Frage nach dem Warum. Sitz: "Die Kinder müssen verstehen, warum sie Dinge lernen sollen - was es für sie bringt zu lesen und zu rechnen. Wird das verstanden, so ist auch die Lust am Lernen da." Und selbst nach disziplinären Ausreißern im sanften Alltag steht die Ursachenforschung im Vordergrund: "Die größte Sanktion ist die Frage nach dem Warum. Das Kind muss sich erklären: Warum hast du dem jetzt eine reingehauen?" (Markus Rohrhofer, DER STANDARD; Printausgabe, 28./29.5.2011)