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Sollte Grasser ein Durchgriffsrecht auf die Stiftung haben, könnte es für ihn eng werden.

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Wien - Karl-Heinz Grasser droht mehr Ungemach als bisher bekannt. Wie aus Ermittlerkreisen zu erfahren ist, liege der vermutete hinterzogene Steuerbetrag "näher bei drei als bei zwei Millionen Euro". Sollte es sich beim Stiftungs- und Firmennetzwerk mit Einheiten in Liechtenstein, Tortuga, Virgin Islands oder Zypern um eine Scheinkonstruktion handeln, würden alle erzielten Einkünfte Grasser als Person zugerechnet.

Nachzahlung von Sozialabgaben

Neben der Einkommensteuer könnte ihm auch eine Nachzahlung von Sozialabgaben und Schenkungssteuer (für die Einbringung von Vermögen in Stiftungen, die Höhe hängt vom Verwandtschaftsgrad ab) aufgebrummt werden, heißt es in informierten Kreisen. Zudem wird geprüft, ob es sich bei von Stiftungen gewährten Krediten um eine verdeckte Gewinnausschüttung handelt. In der Regel hängt die Unterscheidung davon ab, ob die Verzinsung marktkonform ist.

Grasser bestreitet die Vorwürfe und verweist insbesondere darauf, dass die Firmenkonstruktion vorsorglich der Finanz gemeldet und für in Ordnung befunden worden sei - es gilt die Unschuldsvermutung. Gegen die Hausdurchsuchungen vom Donnerstag, bei der 35 Kartons mit Akten sowie Laptops und Handys beschlagnahmt wurden, hat der Ex-Finanzminister Beschwerde eingebracht. Sie hat allerdings keine aufschiebende Wirkung. Sein Anwalt spricht von Retorsionsmaßnahmen, weil sich Grasser zuletzt der Aussage entschlagen hat.

Drohen bis zu zehn Jahre Haft?

Experten verweisen darauf, dass das theoretische Strafausmaß weit höher liegen könnte, als die von seinem Anwalt Manfred Ainedter genannten zwei Jahre. Schon nach dem alten Finanzstrafgesetz kämen fünf Jahre infrage. In Juristenkreisen wird sogar debattiert, ob nicht das seit heuer geltende Finanzstrafgesetz mit dem neuen Tatbestand des Abgabenbetrugs - Haftobergrenze: zehn Jahre - zur Anwendung gelangen könnte. Das wäre etwa der Fall, wenn heuer eine falsche Steuererklärung eingereicht worden wäre.

Jedenfalls ist für die Erfüllung des Abgabenbetrugs nicht notwendigerweise Dokumentenfälschung Voraussetzung, es reicht die Existenz eines Scheingeschäfts. Das wäre etwa der Fall, wenn Grasser weiterhin Zugriff auf sein Vermögen in den Stiftungen hätte, die an sich unabhängigen Vorstände einem Weisungsrecht unterlägen. Insider sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer "Geschwürstiftung". Der Beschuldigte beteuert, es handle sich um eine "intransparente Stiftung", bei der Grasser keinen Zugriff auf das Vermögen habe.

Vorsatz vs. "vertretbare Rechtsansicht"

In Expertenkreisen gibt es freilich auch eine andere Denkschule. Die Judikatur - mittlerweile existiert auch ein Erlass - klärte eine in der aktuellen Causa wesentliche Frage erst 2008: Die Einkünfte von Geschäftsführern oder Aufsichtsräten, die über eine Gesellschaft fließen, sind der Person zuzurechnen. Somit könnten sich Grasser und sein ebenfalls beschuldigter Steuerberater darauf berufen, nach einer "vertretbaren Rechtsansicht" gehandelt zu haben. In diesem Fall würde ein allfälliger Vorsatz wegfallen. "Das Strafrecht ist dann aus dem Spiel", meint ein Experte, die Nachzahlung bliebe aber.

Eine Rolle dürfte auch noch die Vorlage der Stiftungen beim Finanzamt spielen, wobei die erhaltene Auskunft nicht bindend ist. Allerdings kann sich Grasser auf "Treu und Glauben" berufen, vorausgesetzt, er hat die Konstruktion zur Gänze vorgelegt. Wesentliche Transaktionen wurden ohnehin erst nach der Vorsprache KHGs2007 bei der Finanz durchgeführt. (as, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29.5.2011)