Wien - Ach, Europa! Seit griechisch-römischen Tagen drängeln sich zwischen den Gestirnen Götterscharen, die in dysfunktionalen Familiensystemen Mord und Totschlag begehen. Der europäische Mensch: Er tut es seinen Göttern gleich. O Amerika! Der Himmel: frei und weit und blau. Der Mensch: ist seines eigenen Glückes Schmied. Götter? Sind höchstens freundlich zur Stelle, wenn der amerikanische Mensch Mist baut.

Die Wiener Kammeroper hat in ihrer dritten Produktion zwei Kurzwerke zusammengespannt: Le pauvre matelot von Darius Milhaud (Libretto: Jean Cocteau) und Venus in Africa, einen Einakter des US-Amerikaners George Antheil. In der "Complainte" (Moritat) Milhauds tötet eine Frau versehentlich ihren innigst geliebten Mann; bei Antheil wird ein unguter Chauvi-Ehemann durch das Eingreifen der Göttin Venus zu einer Verhaltenskorrektur gebracht.

Wie so oft an der Kammeroper sind in dieser Produktion Regie (Giorgio Madia) und Bühne erstklassig: Beim ganz in Schwarz-Weiß gehaltenen Le pauvre matelot nimmt das Schicksal zwischen zwei drehbaren Wänden seinen Lauf, wie eine Kugel beim Roulette, die letztendlich auf "Tod" fällt; in einer schicken Bar, mit schön-sinnlichen Kostümen bezirzt die Venus in Africa (Bühne und Kostüme: Cordelia Matthes).

Die vom ehemaligen Ballettchef der Volksoper bewegungsmäßig geforderten Sänger bieten annehmende (Mentu Nubia, Diana Higbee) und hervorragende (Pablo Cameselle, Nazanin Ezazi) vokale Leistungen; Daniel Hoyem-Cavazza führt das etwas verstimmt wirkende Kammerensemble sicher durch Milhauds schichsalsschwere und Antheils heitere Klanglandschaften. Ein künstlerisch überzeugendes Vitalzeichen der Wiener Kammeroper, die durch den Wegfall der Bundessubventionen um ihr Überleben kämpft. (Stefan Ender, DER STANDARD - Printausgabe, 31. Mai 2011)