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Foto: APA/Pfarrhofer

Ein heißblütiger Tölpel fordert vom Vater sein Erbe, zieht in die Welt hinaus, verprasst dort den ganzen Mammon und muss sich später, als ihn in der Fremde eine Hungersnot trifft, als Schweinehirt durchboxen. Reuig kehrt er nach einer kurzen Nachdenkpause zum Vater zurück und bittet ihn untertänigst, mit hängenden Schultern und gesenktem Blick, um eine Stelle als Tagelöhner. Der gute Vater jedoch ist zu seiner Überraschung so erquickt über das Comeback, dass er den Filius festlich kleidet und ihm zu Ehren eine große Sause gibt. - Die Literaturgeschichte kennt den Stoff vom Verlorenen Sohn, erstmals erzählt im Lukas-Evangelium, sehr gut. Elisabeth Frenzel zählt in ihrem Standardwerk Stoffe der Weltliteratur gleich 54 Bearbeitungen der Parabel vom abtrünnigen Sohn auf.

Unter diesen stechen besonders diverse italienische Fassungen aus dem 16. Jahrhundert hervor, in denen man die schöne Zeit des Sohnes im Ausland, zu der auch der Umgang mit Trinkern und Dirnen gehörte, betonte. Johann Ackermann führte in seiner deutschen Bearbeitung des Stoffes (1536) wiederum auch eine fürsorgliche Mutter ein, die den jüngeren Sohn bis zum Äußersten verhätschelt und verwöhnt.

In späteren Bearbeitungen geht die Verzweiflung des Abtrünnigen bis zum Selbstmordversuch, im Jesuitentheater wird er als "die sündige und büßende Seele schlechthin" zur Schau gestellt. Besonders krass mutet die Bearbeitung von Wernher dem Gärtner an ("Meier Helmbrecht", 1250/80), der die Antithese zum so gar nicht nachtragenden Vater entwirft und diesen vielmehr ein überaus strenges Gericht abhalten lässt, samt anschließender Verbannung des reuigen Sünders.

In dem englischen Drama "The London Prodigal" (1605) wird der Abtrünnige interessanterweise durch die Treue seiner Frau wieder auf den rechten Weg geführt. Bedauerlicherweise ist aber in keiner der dramatischen Bearbeitungen - abgesehen von diversen Film- und Fernsehfassungen der jüngeren Zeit, die allerdings oft nicht mehr als den Titel übernahmen - jemals von einer weiblichen Hauptrolle, also einer "Verlorenen Tochter", die Rede. Fiona Swarovski hätte in dieser Woche also Geschichte schreiben können. Leider machte sie bekanntlich wieder einen Rückzieher. Nicht nur literaturhistorisch betrachtet ist das für Viele die wahre Tragödie. (Martin Putschögl, derStandard.at, 10.6.2011)