"Ohne Parteispendenregelungen wäre das modische „blaming the lobbyists" nur ein durchsichtiges Ablenkmanöver"

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"Wer sich nicht an die Spielregeln hält, wird empfindlich sanktioniert", sagt Politologe Hubert Sickinger im derStandard.at-Interview über das neue Lobbyistengesetz, das nächste Woche in Begutachtung gehen soll. Er bezeichnet das Gesetz als "Fortschritt" und begrüßt die Registrierungspflicht für Lobbyisten. Wieso gerade jetzt ein Parteienfinanzierungsgesetz dringend notwendig ist, erzählte er Marie-Theres Egyed.

derStandard.at: Gestern hieß es noch, es werde keinen Gesetzesentwurf vor dem Sommer geben, heute liegt er vor: Haben ÖVP und SPÖ aufgehört sich gegenseitig zu blockieren?

Sickinger: Das muss man differenziert sehen: Nicht die ÖVP hat das Lobbyisten-Gesetz blockiert, der Entwurf ist von einem ÖVP-Ressort, vom Justizministerium, gekommen. In dem Fall hat die SPÖ gezickt. Die Arbeiterkammer war 'not amused', dass sie in einem Gesetz mit schnöden Lobbyisten genannt werden soll, obwohl diese Empfindlichkeiten inhaltlich nicht nachvollziehbar sind. Den psychologischen Befindlichkeiten scheint man Rechnung tragen zu wollen, das Gesetz wurde ein bisschen umbenannt in Lobbyisten und Interessensvertretungsgesetz. Außerdem wollte die SPÖ ein größeres Paket, das auch die Offenlegung von Nebeneinkünften von Politikern beinhaltet. Jetzt bekommt die ÖVP ihren Entwurf, hat aber zugestimmt, bei der Offenlegung von Nebeneinkünften das deutsche Modell zu übernehmen. Das war seit einigen Jahren ein Anliegen von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die damit auch in ihrer Partei lange ziemlich allein gestanden ist. Beide Seiten haben jetzt etwas durchgesetzt, eine win-win Situation für die Koalition.

derStandard.at: Wie schaut die Registrierungspflicht für Lobbyisten im Detail aus?

Sickinger: Es gibt ein öffentliches Register, wo jeder Einsicht nehmen kann, und eine spezielle Abteilung, die nur für Amtsträger einsehbar ist. Am strengsten sind die Regelungen für Interessensvertretungsunternehmen vulgo Lobbyunternehmen, die im Auftrag von Dritten Lobbyaufträge durchführen. Sie müssen öffentlich die Zahl ihrer Kunden und ihren Gesamtumsatz aus Lobbying-Aufträgen des vergangenen Jahres angeben. Außerdem müssen sie, ebenso wie Unternehmen, die eine eigene Lobbyingabteilung im Haus haben, ihr lobbyierendes Personal registrieren. Im nur für Amtsträger zugänglichen Teil des Registers müssen sie schon ab Abschluss des Vertrags die konkreten Lobbyaufträge registrieren. Hier muss nicht der finanzielle Umfang des einzelnen Auftrags angegeben werden, sondern wofür und mit welchen Mitteln lobbyiert wird.

derStandard.at: Inwieweit sind Kammern in die Regelung eingebunden?

Sickinger: Bei Kammern, die ja gesetzlich eingerichtet und demokratisch organisiert sind, sieht man offenkundig keinen so großen Transparenzbedarf, daher gibt es für sie im öffentlichen Register eine eigene Abteilung. Nach dem bisherigen Entwurf müssen die Kammern nur Grunddaten zur Verfügung stellen und eine Auskunftsstelle bekanntgeben, bei der jeder nachfragen kann, wer lobbyiert und in welcher Angelegenheit – ob dies auch im endgültigen Begutachtungsentwurf enthalten sein wird, ist noch nicht klar. Bei Interessensvertretungen ist es ähnlich wie bei Kammern, die müssen aber ihre bezahlten Funktionäre entweder im Register nennen oder an einer öffentlichen Homepage auflisten. Unternehmen die eigene Lobbyabteilungen haben müssen ihre Lobbyisten registrieren und angeben, ob die Gesamtkosten für Lobbying im vergangenen Jahr über 100 000 Euro gelegen sind. Kammermitarbeiter müssen sich nicht ins Register eintragen lassen.

derStandard.at: Welche Auswirkungen haben die neuen Regelungen für Politiker?

Sickinger: Schon im allerersten Entwurf stand ein Lobbyverbot für Amtsträger. Es ist ein Verbot, in dem Bereich, in dem man als Amtsträger zuständig ist, für Geld im Auftrag Dritter zu lobbyieren. Das gilt für Regierungsmitglieder, Abgeordnete, Beamte und Beamte in der Privatwirtschaftsverwaltung. Parlamentarier, die in ihrem Zivilberuf Angestellte von Interessenvertretungen oder Unternehmen sind, sind davon allerdings nicht erfasst – und das ist in Österreich traditionell das typische Muster des "Lobbyismus". Anders ist das z.B. bei Freiberuflern, falls diese nicht z.B. nur Rechtsberatung betreiben, sondern für einen konkreten Lobbyingauftrag tätig sind: diese müssten sich dafür nämlich nach gegenwärtigem Stand sehr wohl als Lobbyisten registrieren lassen – hier greift das Lobbyverbot.

Ursprünglich war für Regierungsmitglieder eine Abkühlphase von zwei Jahren vorgesehen, die hat man aber gestrichen. Auch ein Verbot von Lobbying gegen Erfolgsprämien ist vorgesehen, bei denen ja immer der Verdacht naheliegt, dass damit in Wirklichkeit problematische Zahlungen an Amtsträger outgesourced werden. Lobbyisten müssen sich gegenüber ihrem Gegenüber stets klar deklarieren und sich auf Ehrenkodizes verpflichten, deren tatsächliche Umsetzung auch sanktionierbar ist.

Zwar sind die seriösen Lobbyunternehmer mit den detaillierten Meldepflichten offenkundig nicht glücklich, aber sie sollten diese Regelung positiv sehen: Diese Regeln können eine scharfe Waffe gegen problematische Außenseiter der Branche sein.

derStandard.at: In Österreich gelten Sie als Korruptionsbekämpfer: Wie finden Sie das neue Gesetz?

Sickinger: Wie das Gesetz im Herbst tatsächlich aussehen wird, wissen wir jetzt noch nicht – im Moment liegen ja nur die Entwürfe des Justizministeriums aus dem Mai und die Meldungen der Einigung der Koalitionsverhandler vom Mittwoch vor, der Ministerialentwurf, in den diese Änderungen eingearbeitet sein werden, wird vermutlich nächste Woche veröffentlicht, dann startet erst das Begutachtungsverfahren. Sollte das fertige Gesetz tatsächlich in die jetzt absehbare Richtung gehen, wäre es sicherlich ein deutlicher Fortschritt.

De facto bedeutet es ein Lobbyverbot für diejenigen, die nicht bereit sind sich zu registrieren, aber trotzdem Lobbying betreiben. Es sind strenge Strafen für die Verletzung der Registrierungspflichten vorgesehen und Spielregeln für Lobbyisten festgelegt. Damit kann man auch Außenseiter, die sich nicht an die Registrierungspflicht halten, mit einem Berufsverbot bestrafen. Die Strafen bewegen sich von zehn bis zwanzigtausend Euro, im Wiederholungsfall das Doppelte. Wenn jemand kein registrierter Lobbyist ist, aber trotzdem beauftragt und für seine Tätigkeit bezahlt wird, dann wird die bezahlte Summe dem Staat zugeschrieben.

derStandard.at: Wen meinen Sie mit jenen, die sich nicht registrieren wollen?

Sickinger: Kriminelle Außenseiter können mit den künftigen Regeln sanktioniert werden – dann nämlich, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, dass sie Aufträge nicht registriert haben, bzw. wenn sie offiziell nur als Unternehmensberater agieren, tatsächlich aber bei österreichischen Amtsträgern lobbyiert haben. Jene die sich künftig registrieren und ihre konkreten Lobbyaufträge melden werden, legen ohnehin Wert auf eine saubere Weste. Im Grunde unterscheidet der Gesetzesentwurf – wie auch sehr deutlich aus den Erläuterungen hervorgehht – zwischen gutem Lobbying, das bei der politischen Entscheidungsfindung sinnvoll ist, weil es die Entscheidungsbasis der Antsträger verbreitert, aber auch transparent ablaufen muss. Das ist nicht böse, sondern anerkannt und geregelt. Dann gibt es noch nicht legitime Einflussnahme mit unangemessenen Methoden, die auch sanktioniert werden kann – nicht gerichtlich, sondern mit hohen verwaltungsstrafrechtlichen Geldstrafen und Lobbyverboten.

derStandard.at: Wie steht das Gesetz im internationalen Vergleich da?

Sickinger: Im europäischen Kontext ist ein sicher ein Gesetz, das man gut herzeigen kann. Die Amerikaner sind noch strenger. In Kontinentaleuropa gibt es bisher meist nur freiwillige Register. Im österreichischen Entwurf ist von Freiwilligkeit keine Spur. Man macht Nägel mit Köpfen, wer sich nicht an die Spielregeln hält, wird empfindlich sanktioniert. Das ist ein großer Sprung vorwärts.
Aber eines muss trotzdem ganz klar gesagt werden: Die Lobbyistenregelung und die ebenfalls angekündigte bessere Transparenz der Nebeneinkünfte von Abgeordneten sind zwar wichtige Pfeiler zur Herstellung von Transparenz und zur Prävention von Korruption. Der Hauptpfeiler steht noch aus, hier hat es in den Verhandlungen seit vergangenem Oktober offensichtlich sogar starke Rückschritte gegeben: die Transparenz der Parteifinanzen, vor allem die Offenlegung von Großspenden. Und bei den strafrechtlichen Bestimmungen gegen Korruption hat das Parlament vor zwei Jahren sogar einen deutlichen Rückschritt beschlossen und bei politischen Amtsträgern sogar Straflücken zu verantworten, die es vorher nie gegeben hatte. Ein System der Korruptionsprävention, das nicht auch bei der Nehmerseite ansetzt, wird immer Stückwerk bleiben. Ohne Parteispendenregelungen wäre das modische „blaming the lobbyists" nur ein durchsichtiges Ablenkmanöver. (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 17.6.2011)