Der Salzburger Wilfried Haslauer unterstützt Parteichef Spindelegger, erinnert diesen aber, dass die ÖVP nicht nur aus Niederösterreichern besteht.

Foto: WildBild

STANDARD: Wenn Sie die vergangenen Wochen Bundespolitik Revue passieren lassen - sind Sie froh, dass Sie im Zuge des Wechsels von Pröll zu Spindelegger doch nicht Justizminister geworden sind?

Haslauer: Es war ein ehrendes Angebot und wäre eine reizvolle Aufgabe gewesen. Es war aber klar, nach siebeneinhalb Jahre Aufbauarbeit in Salzburg kann ich nicht so ohne weiteres weg.

STANDARD: Trotz Obmannwechsels kommt die ÖVP im Bund nicht so recht vom Fleck. Sie haben einmal gesagt, in Wien sei zu viel Taktik und Parteipolitik im Spiel. Was meinen Sie damit? War das auch an die eigene Partei gerichtet?

Haslauer: Das Kernproblem ist die Führungslosigkeit der Regierung, das liegt beim Kanzler. Dort wird eine politische Kultur gelebt, die sich nur nach taktischen Gesichtspunkten richtet. Eine Koalition funktioniert aber nur, wenn beide mitmachen. Es funktioniert nicht, wenn einer der Partner dem anderen - in dem Fall dem kleineren Koalitionspartner - keinen Erfolg gönnt. Ich habe eine andere Auffassung von Koalition. Beide müssen Erfolge haben - leben und leben lassen. Das muss sich durchsetzen, sonst wird Wien noch ein blaues Wunder erleben.

STANDARD: Bei der Debatte um die Oberstufenreform spielt aber die ÖVP doch auch dieses Spiel. Werner Amon verhandelt, und die Partei pfeift ihn zurück.

Haslauer: Das ist sicher problematisch, da bedarf es einer Verbesserung der Kommunikation. Gerade bei so emotionalen Themen wie dem Aufsteigen mit drei Fünfern muss das vorher intern abgesprochen werden. Möglicherweise ist da Werner Amon vorschnell in die Öffentlichkeit gegangen. Es ist derzeit wenig Verständnis in der Bevölkerung vorhanden, dass man mit drei "Nicht genügend" aufsteigen soll. Das modulare System ist in einigen Salzburger Schulen aber in Erprobung - mit eher positiven Ergebnissen. Wir brauchen als ÖVP in dieser Diskussion sicher mehr Gelassenheit, auch mehr Offenheit, aber wir werden sicher nicht an der Kernmeinung unserer bürgerlichen Anhänger vorbeigehen.

STANDARD: Sie sind also letztlich der Meinung, dass die Regelung Aufsteigen mit drei Fünfern keine gute Idee wäre?

Haslauer: Ich bin skeptisch, aber man soll die Verhandlungen unter Beiziehung der Experten führen. Es muss möglich sein, dass man da eine Lösung findet, die sich nicht an ideologischen Theoremen aufhängt.

STANDARD: Eine andere Baustelle ist die Heeresreform und die Frage der Wehrpflicht. Sie haben einmal gemeint, wenn das Bundesheer so bleibt, wie es ist, ist es bald am Ende. Wir erleben einen weitgehenden Stillstand in dieser Frage. Wie soll es denn weitergehen?

Haslauer: Das Schlimmste ist, dass sich nichts ändert, dass man weder Reformen macht, noch eine Volksbefragung durchführt. Staats-politisch ist sicher ein Bundesheer aus der Bevölkerung für die Bevölkerung der richtige Weg.

STANDARD: Darf man da die ÖVP ganz aus der Verantwortung entlassen? Bei der jüngsten Klausur der Bundesregierung hat man sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt und die Heeresreform völlig ausgeklammert.

Haslauer: Das Dilemma der ÖVP in der Regierung besteht darin, dass sie auf der einen Seite ihre Standpunkte nicht durchsetzen kann, weil der Koalitionspartner diese nicht will. Auf der anderen Seite versucht die ÖVP immer noch Brücken offen zu halten, um doch noch Lösungen zu ermöglichen. Das wird ihr als Schwäche ausgelegt. Vielleicht wäre es besser, klar Position zu beziehen: bis daher und nicht weiter!

STANDARD: Die nächste Baustelle sind die Universitäten. Der Salzburger Rektor droht sogar mit Klage. Haben Sie dafür Verständnis?

Haslauer: Ich habe absolut Verständnis für seine Situation. Man hat den Eindruck, als wären die Universitäten von der Republik alleingelassen. Die Unis bekommen die Studentenzahlen nicht in den Griff. Gerade in Salzburg kommen immer mehr Studierende aus dem Ausland. Da sind wir auch bei einer politischen Problematik: Im September 2008 wurden die Studiengebühren abgeschafft. Das war ein Fehler; das waren nämlich genau die zehn Prozent des Gesamtbudgets, die jetzt abgehen. Juristisch will ich eine Klage nicht beurteilen. Die Drohung ist eine politische Maßnahme.

STANDARD: Sie haben vom "blauen Wunder" gesprochen. FPÖ-Chef Strache klopft bereits an die Kanzlertür. Können Sie sich Strache in der Bundesregierung vorstellen?

Haslauer: Diese Diskussion stellt sich vorerst nicht. Michael Spindelegger macht die Sache gut, man kann von ihm aber nicht erwarten, dass er in wenigen Wochen eine Trendwende herbeiführt. Dazu ist der Karren zu verfahren. Spindelegger ist ein großer Verbinder, er ist parteiintern einer, der gut mit einbezieht.

STANDARD: Sie sagen Parteiobmann Spindelegger sei ein großer Verbinder. Ihre steirischen Parteifreunde sprechen von einer Gesamtfrustration, einer Verengung. Was ist denn da los in der ÖVP?

Haslauer: Es ist vonseiten der Länder zu wenig, nur über Wien und die Bundespartei zu schimpfen. Die Länder sollten in der schwierigen Situation, in der die ÖVP ist, in Vorleistung treten und sagen: Michael Spindelegger, du übernimmst die Partei in einer so schwierigen Zeit, wie sie lange nicht gewesen ist. Suche dir dein Team und mach das Beste daraus. Wir dürfen nicht auf die Vertretung von Bünden oder Ländern das Hauptaugenmerk legen. Wir müssen dem Parteiobmann die Freiheit geben, sein Team zusammenzustellen. Natürlich fordern wir dann auch eine gewisse Sensibilität, dass nicht alles Niederösterreich im Vornamen führt.

STANDARD: Sehen Sie eine "Verniederösterreicherung" der ÖVP?

Haslauer: Niederösterreich hat immer eine besonders starke Rolle gespielt. Mir kommen auch die Interessen der westlichen Bundesländer personell zu wenig vor, keine Frage. Das empfinden eben momentan die Steirer auch, aber deswegen den Krieg zu erklären, halte ich für völlig verfehlt.

STANDARD: In Salzburg regiert wie im Bund eine rot-schwarze Koalition. Wie ist denn an der Salzach das Koalitionsklima?

Haslauer: Besser als im Bund. Im Unterschied zum Bund glänzt in Salzburg die zweite Ebene nicht so hell. In Wien tragen die diversen Parteisekretäre und -strategen einen wesentlichen Teil dazu bei, dass das Klima vergiftet ist; auf Ministerebene ist mehr Goodwill vorhanden. (Thomas Neuhold, STANDARD-Printausgabe, 25./26.6.2011)