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Warten aufs Urteil: Der Strafprozess gegen Uwe Scheuch ist auf 2. August vertagt worden.

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Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft dem Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreter Uwe Scheuch (FPK) vor, einem Russen eine Staatsbürgerschaft versprochen und im Gegenzug Geld für die Parteikasse, damals noch fürs BZÖ, verlangt zu haben.

Beteilige sich der Russe mit einer Millionensumme an einer Gesellschaft, sei die Staatsbürgerschaft "part of the game", soll Scheuch auf Tonband gesagt haben. Der Mitschnitt sei "mit allergrößter Wahrscheinlichkeit unverfälscht", sagte ein gerichtlich beeideter Sachverständiger am 6. Juli.

Scheuch bekannte sich "nicht schuldig". derStandard.at beleuchtet vor der heutigen Prozess-Fortsetzung Fragen, die sich aus dem Verfahren ergeben.

Frage: Was steht im Strafantrag gegen den FPK-Chef?

Antwort: Scheuch ist angeklagt nach § 304 des Strafgesetzbuchs. Korruptionsstaatsanwalt Eberhard Pieber wirft ihm das "Verbrechen der Geschenkannahme durch Amtsträger" vor. Strafrahmen: bis zu fünf Jahre Haft.

Frage: Was passiert, wenn ein Regierungsmitglied strafrechtlich verurteilt wird?

Antwort: Tageszeitungen berichteten, Scheuch müsste bei einer unbedingten Haftstrafe von sechs Monaten oder einer bedingten von zwölf Monaten zwingend das Amt des Landeshauptmann-Stellvertreters zurücklegen.

In einer schriflichen Antwort des Justizministeriums heißt es zu derStandard.at hingegen:

"Das Strafgesetzbuch (StGB) sieht in seinem § 27 den Amtsverlust als Rechtsfolge unter folgenden Voraussetzungen vor:

  • Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung UND
  • der Verurteilte ist ein Beamter (davon sind alle österreichischen Beamten im dienstrechtlichen Sinn betroffen) UND

- wenn die verhängte Freiheitsstrafe ein Jahr übersteigt (auch wenn sie zur Gänze bedingt nachgesehen wird) ODER

- wenn eine sechs Monate übersteigende Strafe nicht bedingt nachgesehen wurde."

Da es sich bei Mitgliedern der Bundes- und Landesregierung nicht um Beamte nach dem Beamtendienstrecht handelt, würde Scheuch im Falle einer Verurteilung nicht ex lege das Amt verlieren.

Frage: Bei welchem Urteil müsste Scheuch gehen?

Antwort: Der Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs bestätigt die Einschätzung des Ministeriums: "Die Rechtssprechung bezieht die Automatik des Machtsverlusts nur auf Beamte." Im Gespräch mit derStandard.at weist er aber darauf hin, dass Scheuch trotzdem Probleme drohen könnten: Laut Kärntner Landtagswahlordnung verliert eine Person ihr passives Wahlrecht (= ein Mandat ausüben zu dürfen), falls sie zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wird. Hier kommt die Kärntner Landesverfassung ins Spiel: "Nach der Kärntner Landesverfassung endet das Amt eines Mitglieds der Landesregierung mit dem Ende der Wählbarkeit für den Kärntner Landtag", führt Fuchs aus. Eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe wäre das sofortige Aus für Scheuch.

Frage: Was wird Scheuch machen?

Antwort: Kommt aufs Urteil an. Im Grunde gibt es drei Szenarien: eine unbedingte Strafe, eine bedingte oder einen Freispruch. Aus dem Büro von Landeshauptmann-Stellvertreter Scheuch hieß es zu derStandard.at, zum Verhalten nach dem Urteil nehme man nicht Stellung. Auch Scheuch selbst sagte bei einer Pressekonferenz am 6. Juli, dem ersten Prozesstag: "Kein Kommentar."

Aus Kärntner Nicht-FPK-Kreisen hört man: Scheuch werde bei einem Freispruch, aber auch bei einem bedingten Urteil zur politischen Tagesordnung übergehen. Im Falle einer Verurteilung sei damit zu rechnen, dass Anwalt Dieter Böhmdorfer die zweite und letzte Instanz, das Oberlandesgericht Graz, anruft. Lediglich im Falle einer unbedingten Haftstrafe in letzter Instanz würde Scheuch einem Rücktritt nicht entgehen, mutmaßen politische Gegner.

Frage: Hat Scheuch gegen das Parteiengesetz verstoßen?

Antwort: Definitiv nicht, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens gab es keine Parteispende, sondern allenfalls die Absicht, eine zu bekommen. Zweitens herrscht in Österreich keine Offenlegungspflicht für Parteispenden. "Was ich übrigens skandalös finde", erklärt der Parteienfinanzierungs-Experte Hubert Sickinger. "Gäbe es die Verpflichtung für eine Partei oder einen Politiker, Spenden ab bestimmter Höhe offenzulegen, würde man es sich ersparen, so etwas strafrechtlich beweisen zu müssen."  Sickinger fordert ein Gesetz, das die Nicht-Offenlegung von hohen Spenden strafen und Parteispenden durch Ausländer verbieten würde. Aber: "Das wäre keine Lex Scheuch, weil der russische Investor offensichtlich ja nicht gezahlt hat."

Frage: Hat SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller dasselbe gemacht?

Antwort: FPÖ und FPK behaupten das. Sie sehen ungleiche Maßstäbe: Scheuch wurde angeklagt, Burgstaller nicht. Hintergrund: Anfang 2010 ermittelte die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen die Salzburger Landeshauptfrau wegen des Verdachts, sie habe für die Millionenspende eines russischen Mäzens an die Osterfestspiele im Gegenzug für die Verleihung seiner Staatsbürgerschaft interveniert. Burgstaller bestritt die Vorwürfe. Im März 2010 stellte die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Ermittlungen ein.

"Es ist insofern anders als der Fall Scheuch, als es keine hinreichende Verdachtslage gab. Die Tatbestandsmerkmale, dass die Landeshauptfrau sich einen Vorteil versprechen hat lassen, ihn angenommen oder gar gefordert hätte, waren nicht erfüllt", sagt ein Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu derStandard.at. Bei Scheuch gebe es hingegen ein Tonband-Protokoll und damit den Verdacht, dass er den Vorteil aktiv gefordert hätte, begründet die Korruptionsstaatsanwaltschaft, warum sie Scheuch anklagte und Burgstaller nicht.

Frage: Gab es schon jemanden, der sein Regierungsamt aus dem Gefängnis ausübte?

Antwort: Nein. Allerdings: In den Achtzigerjahren blieb Walter Zimper (ÖVP) trotz strafrechtlicher Verurteilung Bürgermeister. Er war im Zuge des Skandals um die Wohnbaugenossenschaft Ost (WBO) 1983 wegen Untreue zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. In einer Abstimmung der Gemeindebürger von Piesting (NÖ) sprachen sich trotzdem 61,4 Prozent für den Verbleib des beliebten Bürgermeisters aus.

Der mittlerweile Verstorbene musste die Gefängnisstrafe damals nicht antreten, da er gegen das Urteil berief und der Oberste Gerichtshof 1984 weite Teile des Urteils aufhob. (Lukas Kapeller, derStandard.at, 8.7.2011)