Ein Satyr hält sein Astgehörn fest: "Here you are" von Lisa Hinterreithner, Rotraud Kern und Daniel Zimmermann.

Foto: Zimmermann

Eine seltsame Perücke namens "Oper", geisterhafte Posen in 3-D und unheimliche Performances da wie dort.

Salzburg/Wien - Wenn die Performance aus ihren Theaterräumen nach draußen entweicht, darf sich das Publikum auf besondere Erlebnisse freuen. So gerade beim Salzburger Sommerszene-Festival mit der Foto-Installation Here you are von der Choreografin Lisa Hinterreithner mit der Tänzerin Rotraud Kern und dem Künstler Daniel Zimmermann. Und falls die Performance doch unterm Dach bleibt, dann kann es schon einmal haarig werden - wie bei der Hair-Installation von Cabula6 - oder gruselig wie bei dem Stück I almost love you der jungen Choreografin Fanni Futterknecht beim Jacuzzi-Festival im Wiener Wuk, das noch bis Samstag läuft.

Gerade das Unheimliche schafft eine auffällige Verbindung zwischen diesen Arbeiten. Die acht Fotografien, die bei Here you are den Stefan-Zweig-Weg hinauf auf den Salzburger Kapuzinerberg säumen, haben es in sich. Die Betrachter schauen in kleine, auf Ständer montierte Guckkästchen und sehen perfekte 3-D-Bilder mit Motiven, die jeweils genau vor Ort aufgenommen wurden. Es sind Blicke in eine Geisterwelt, Begegnungen mit mythischen Ikonen: Narziss verliert sich in einem Allibert-Spiegelschrank, eine Nymphe ist mit einem Fallschirm im Wald gelandet. Eine Vagina wird vorgewiesen, und ein Satyr mit haarverhülltem Kopf hält unter Bäumen sein Astgehörn fest.

Die Kultur bricht in die Natur ein. Den vorbeikommenden Wandersleuten widerfahren seltsame Verwerfungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. In einem Folder können die Betrachter lesen, welche Ideen die Künstler zu ihren Motiven geführt haben, und diese mit ihren eigenen Assoziationen abgleichen.

Bei Jacuzzi im Wiener Wuk interpretiert die Gruppe Cabula6 das Musical Hair von 1968 neu. Aber nicht als Musical, sondern als Inszenierung der Fabrikation einer Wien Perücke aus den Haaren vieler spendabler Köpfe. Das von Perückenmachern gefertigte Haarteil ist ab 10. Juli im Museum für angewandte Kunst zu bestaunen.

Auch hier sind alle Assoziationen willkommen. Die Künstler nennen ihr Werk Oper. Das weckt Fantasien, die von der Cabula6-Wirklichkeit mit Witz unterlaufen werden. Das Haar "zu einer Perücke zu verarbeiten bedeutet, es seine eigene Arie singen zu lassen", heißt es in einem Statement. Außerdem sei Haar weder tot noch lebendig, es steht genauso für Unentscheidbarkeit wie für archaische Symboliken.

Weder tot noch lebendig erscheinen auch die maskierten Figuren in Futterknechts fabelhaftem Stück I almost love you. Ein Girlie moderiert mit piepsender Stimme die wirre Präsentation seiner Gefühlswelt. Sein Lover ist auch dabei. Die kalten, starren Masken lösen Verwirrung aus. Ein gruseliger Traum wird erzählt, Blutflecken aus rotem Samt werden verteilt. Auch hier: Ambivalenz. Dabei mischt sich provokante Naivität mit bissiger Ironie.

Noch ein Blick nach Salzburg: Das Stück Versuchsperson der Breakdancerin Silke Grabinger, nach seiner Sommerszene-Uraufführung auch bei Impulstanz in Wien zu sehen, weckte im Vorfeld große Erwartungen: Vier renommierte Choreografen - Hubert Lepka, Anne Juren, Philippe Riéra (Superamas), Oleg Soulimenko - und der hippe Kabarettist Dirk Stermann haben kurze Szenen mit Grabinger erarbeitet. Doch leider scheitert die talentierte Tänzerin darin als Performerin. Noch dazu erinnert das Konzept für die Versuchsperson so sehr an jenes von Milli Bitterlis Projekt In bester Gesellschaft von 2003, dass es wie abgekupfert wirkt.  (Helmut Ploebst/ DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.7.2011)