Wien - Am gemeinsamen Standort der Volksschule Kleistgasse und der Kooperativen Mittelschule (KMS) Kölblgasse in Wien-Landstraße soll bis Herbst 2012 die erste "Wiener Schule der Zukunft" entstehen. Das Pilotprojekt soll eine gemeinsame Schule für Sechs- bis 15-jährige mit moderner Pädagogik sein, wobei das letzte Jahr der Berufsorientierung dient. Wie genau diese Schule inhaltlich aussehen wird, ist noch nicht fix. Das Konzept sollen die Lehrer und Direktoren am Standort bis Dezember selbst erarbeiten, betonte Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ), der das im rot-grünen Koalitionsabkommen fixierte Projekt am Mittwoch mit Grünen-Gemeinderat Christoph Chorherr und Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) präsentiert hat.

Die Sechs- bis 15-Jährigen sollen jedenfalls von einem gemeinsamen Lehrkörper "mit einem gemeinsamen Pädagogischen Fokus" unterrichtet und nachmittags betreut werden, so Brandsteidl. "Das ist eine neue Schulform, die wir in dieser Form in Wien und in Österreich noch nicht haben." Ziel soll sein, dass der Großteil der rund 170 Volksschüler, die aus 40 verschiedenen Nationen kommen, auch an der KMS am Standort bleiben, die bis dahin zu einer Wiener Mittelschule (WMS) aufgewertet werden soll.

Kreativitätspotenzial der Lehrer heben

Mit einem neu zu entwickelnden neunten Schuljahr nach Vorbild der in Wien bereits bestehenden Fachmittelschule sollen die Schüler bei der Berufswahl unterstützt werden, damit "nicht jedes Mädchen Friseurin und jeder Bursche Kfz-Mechaniker werden will" (Chorherr). Der Wechsel an höhere Schulen nach dem achten Schuljahr ist aber weiter möglich.

Ziel des Projekts ist es laut Brandsteidl die "Sternderlschule in Wien" zu werden - und zwar ohne zusätzliche Geldmittel und Lehrer, wie sie betont. "Wir gehen ganz bewusst davon aus, dass es keine Sonderform ist." Sowohl der Bau vom Anfang des 20. Jahrhunderts als auch etwa der Anteil an Risikoschülern beim Wiener Lesetest sei typisch für eine "normale" Wiener Schule. Es bleibe auch innerhalb der geltenden Gesetzesgrenzen, so Oxonitsch. Denn schon jetzt gebe es viel Raum für Autonomie, etwa die Möglichkeit 50-Minuten-Einheiten abzuschaffen. Man wolle nun "das Kreativitätspotenzial" der Lehrer heben.

Ob es an der "Schule der Zukunft" nur gemeinsame Projekte der Schüler geben wird oder ob Volksschullehrer Schüler der WMS und WMS-Lehrer Volksschüler unterrichten, sollen Lehrer und Direktoren gemeinsam mit einem externen Schulentwickler entscheiden. Vom Chor über alle Altersgruppen bis zu Mehrstufenklassen, die von Schülern unterschiedlichen Alters besucht werden, ist für Brandsteidl alles vorstellbar. Chorherr sieht die Schule auch als Möglichkeit, Kritikern der Gesamtschule zu beweisen, dass in diesem Modell sowohl Förderung schwacher als auch begabter Schüler möglich sein wird. "Ich hoffe, dass das ein Impuls für das gesamte Wiener Schulwesen sein kann." (APA)