Keine Sorge: Dieser junge Feschak bleibt als einer von Akram Khans sehr guten Tänzern nicht allein auf der Straße.

Foto: Haughton

 

Wien - Es klingt so romantisch: Ein Choreograf und der CEO einer großen Straßenbaufirma verstehen sich prächtig bei einem Essen. Das berauschende Ergebnis des gemeinsamen Mahls stammt von Akram Khan und ist gerade bei Impulstanz zu sehen. Es heißt, kleine Überraschung, Vertical Road.

Man muss kein Bewunderer der Schönheit von Erdpech, wie natürlicher Asphalt auch heißt, oder der behäbigen Grazie von Straßenbelagsmaschinen sein, um zu sagen: Da ist etwas in Ordnung. Ein Unternehmen, das sein Image nicht durch Sponsoring von Fußball oder Autorennen aufpoliert, sondern durch Förderung von Kunst, sogar von Gegenwartstanz.

Ein Vorstandsvorsitzender wie Hervé Le Bouc, der sich für dieses Sponsoring selbst einsetzt, ist eine Seltenheit. Le Bouc, der gar einen Text zur Sache geschrieben hat, darf sich daher als Leuchtturm unter seinesgleichen sehen, und Akram Khan ist ab sofort der König der tanzenden Teere.

Vertical Road handelt nicht wirklich von einer Himmelfahrt. Ein Mann, Typ Prophet mit Bart und Haarmähne, kommt auf die Erde nieder, mischt sich unter ein kleines Völkchen, erlebt Widerstände, Konflikte, Zweifel. Er ist in Kontakt mit sieben kleinen Tafeln, die wie göttliche Dominosteine im Vordergrund der Bühne stehen. Wiederholt fallen diese Tafeln um und werden wieder aufgerichtet. In einem dramatischen Schlussakt isoliert sich der Mann von der Gruppe, die schließlich dorthin gelangt, von woher er gekommen ist. Und er bleibt allein zurück.

Khans acht Tänzerinnen und Tänzer wirbeln in überraschenden Drehungen, an Sufitanz orientierte Soli wechseln mit kraftvollen Duetten, raffinierte Gruppen zeichnen die Verhältnisse der Figuren zueinander. Weißes Puder staubt auf. Es wetterleuchtet, und es rollt der Donner. Perfekt harmonieren intensiver Tanz, blitzsaubere Choreografie, Designerkostüme (Kimie Nakano) und Nitin Sawneys effektgeladene Musik. Immer wieder greift das Licht verlockend, fordernd oder bedrohlich auf die Irdischen nieder.

Wieder ist Akram Khan ganz er selbst als einer, der Künstler wie Anish Kapoor, Juliette Binoche, und Sylvie Guillem um sich schart und jetzt auch die weltgrößte Asphalt-Company gewonnen hat. "Ich gaube, dass Kunst eine Quelle der Inspiration, der Kreativität und der Sensibilität in der Firma ist", schreibt Chairman Le Bouc auf der Website seines Unternehmens. Die Interkulturalität, die bruchlose, unkomplizierte Ästhetik von Khans Company passen ins Leitbild des Global Players.

Das ist Kunst auch für die Business-Class im Kultur-Resort: hochwertige Erlebnisqualität an zarter Katharsis.

Human Resources Campaign

Bleibt die Frage, ob Hervé Le Bouc auch über die vielen Schatten der Vertical Road springen und künftig Brücken zu einer Kunst asphaltieren kann, die nicht schon als erfolgreiche Eigenmarke zertifiziert ist. Also auch Tanz zu sponsern bereit ist, in dem es frostbrüchig wird, der sagt, warum es vielerorts auf dieser Welt stinkt. Oder kontroverse Formen von Tanz, die neue Trassen in die Zukunft legen. Erst dann wird Le Boucs "human resources campaign" (Zitat Website) glaubwürdig sein.

Denn Schönwetterasphalte sind billig, eine richtige Straße aber muss auch extreme Witterungen aushalten. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Printausgabe, 28.7.2011)