"Ich will ja nicht, dass die Universitäten in irgendwelche Termingeschäfte oder sonstige riskante Finanzprodukte einsteigen. Was ich will, ist eine eigentlich konventionelle im ganzen Wirtschaftsleben tagtäglich übliche Praxis."

Foto: derstandard.at

"Man muss vielleicht manchmal ein bisschen beiseitetreten von den breitgetretenen Pfaden."

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"Es besteht die große Gefahr, dass Töchterle seinen Bonus verspielt, indem er die Universitäten immer und immer wieder vertröstet - und sich vielleicht auch selbst zu lange vertrösten lässt."

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In der Diskussion um die Finanzierung der Universitäten lässt Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien und Vizevorsitzender der Universitätenkonferenz, mit einem neuen Konzept aufhorchen: Die Universitäten sollen Kredite aufnehmen, um die Finanzierungsprobleme zu lösen. "Was macht ein Unternehmer, wenn er dringend eine Investition tätigen muss? Völlig logisch: Er nimmt Kredite auf." Der Staat bediene sich in verschiedensten Bereichen dieses Schrittes, sei es beim Tunnel-Bau oder bei der Bankeninfrastruktur. Die von den Rektoren geforderte Uni-Milliarde könne so aufgestellt werden. Welche Ideen er hat, um den Andrang von deutschen Studierenden einzubremsen und womit Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle seinen Start-Bonus verspielen könnte, sagt er im Interview mit derStandard.at.

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derStandard.at: Vor nicht allzu langer Zeit haben Sie in Hinblick auf die Universitäten gesagt, Sie wollen nicht hinnehmen, dass eines der reichsten Länder der Erde mit unglaublichem Zukunftspotenzial zerstört wird. Sie seien ein gnadenloser Optimist, der das nicht zur Kenntnis nehmen will. Woher kommt dieser Optimismus?

Bast: In Zeiten wie diesen ist Optimismus ganz dringend notwendig, weil man nur mit viel Optimismus und Tatkraft schwierigen Situationen entgegen treten kann.

Außerdem glaube ich, dass in Wahrheit viele ein Interesse daran haben, dass die Universitäten funktionieren, damit dieses Land eine Zukunft hat. Ich unterstelle niemandem völlige Gleichgültigkeit, Ignoranz oder Böswilligkeit. Man muss nur das richtige tun und vielleicht manchmal ein bisschen beiseitetreten von den breitgetretenen Pfaden.

derStandard.at: Die MedUni-Wien warnt vor einem Ärztemangel im AKH, der Rektor der Uni Wien droht mit der Schließung einzelner Studienrichtungen, die TU Graz ruft zu Spenden auf - die Universitäten plagen Finanznöte. Wie schwerwiegend sind die Probleme?

Bast: Die Probleme sind sehr gravierend, sie werden ab dem Jahr 2013 dramatisch und existenzgefährdend für viele Teile des Universitätssystems. Mir geht nur die Art, wie jetzt diskutiert wird, zunehmend auf die Nerven. Da gibt es die Unis, die völlig zu Recht sagen, wir brauchen mehr Geld. Die Politiker sagen, es tut uns leid, wir haben nicht mehr Geld. Dann sagen die Unis, wir müssen Personal kündigen, Studienrichtungen streichen - alles was jetzt so diskutiert wird - und die Politiker reagieren darauf entweder mit Schweigen, Ratlosigkeit, Achselzucken oder dem Hinweis, so schlimm wird es schon nicht werden. Das ist keine Art, wie man eine zukunftsorientierte Diskussion führen kann. Das ist eine Todesspirale für die Politik und die Universitäten, aus der wir dringend herauskommen müssen. 

derStandard.at: Bis Jahresende muss die Regierung das Budget für die österreichischen Universitäten für 2013 bis 2015 bekanntgeben. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle hat angekündigt, er werde sich in den Verhandlungen mit Finanzministerin Maria Fekter für ein höheres Uni-Budget für die kommende Leistungsvereinbarungsperiode einsetzen. Die Rektoren verlangten zuletzt eine Bildungsmilliarde. Wie kann ein entsprechendes Finanzierungskonzept aussehen?

Bast: Es gibt nicht eine einzige Lösung für dieses Problem, sondern es gibt mehrere Elemente und Module, die man zusammensehen muss. Vorweg sollte einmal außer Diskussion gestellt werden, dass aus dem Bundesbudget alle Universitäten die Teuerung abgegolten bekommen. 

Den Universitäten wird sehr gerne vorgeworfen, sie würden nicht wirtschaftlich denken oder nicht so denken wollen. Ich habe auch immer wieder vertreten, dass man die Universitäten nicht so einfach mit Wirtschaftsunternehmen gleichsetzen kann. Aber trotzdem möchte ich einmal darauf zurückgreifen. Was macht ein Unternehmer, eine Unternehmerin, wenn er oder sie dringend eine Investition tätigen muss, wissend, dass wenn die Investition nicht gemacht wird, das Unternehmen den Bach runter geht? Was macht ein Unternehmer, wenn er diese Investition nicht aus dem laufenden Budget finanzieren kann? Völlig logisch: Man nimmt Kredite auf. Überall in der Wirtschaft ist es so, dass langfristige Investitionen am Kapitalmarkt finanziert und refinanziert werden. Das ist das normalste auf der Welt. 

Der Staat bedient sich auch in verschiedensten Bereichen dieser Logik, bei den sogenannten Strukturinvestitionen. Der Koralmtunnel kostet mindestens 4,7 Milliarden Euro. Laut Experten wird es sogar in Richtung 10 Milliarden Euro gehen. Der Brennerbasistunnel kostet der Republik 5 Milliarden Euro. Beim 100-Milliarden Paket zur Rettung der Bankeninfrastruktur werden jedenfalls mehrere Milliarden Euro für die Republik schlagend werden. Jetzt frag ich mich, warum ist die geistige Infrastruktur, die notwendig ist, um Innovationskraft zu erhalten, nicht mindestens so viel wert? 

derStandard.at: Strukturinvestitionen für die Universitäten. Wie stellen Sie sich das vor?

Bast: Man könnte Universitätsanleihen begeben, das könnten entweder der Staat oder einzelne Universitäten machen. Man kann Universitäten Kreditrahmen geben, in denen sie Zukunftsprojekte über Kredite finanzieren. 

Das ist eine Frage, die man mit Experten, insbesondere auch mit den Banken diskutieren müsste. Aber da müsste die Regierung einmal aktiv werden. Ich glaube auch, dass der österreichische Bankensektor sehr wohl Interesse daran haben könnte, nachdem hier wieder massiv Bedarf an Imagegewinn ist. Auch die Banken sollen hier einen Beitrag leisten und nicht Finanzprodukte als zusätzliche Gewinnquelle für sich sehen. 

Ob die Universitäten Kredite aufnehmen oder Anleihen begeben, ob der Bund das macht und den Universitäten das projektorientiert zuteilt, ist eine Frage der Details. Ich bin auch kein Anleihen- oder Finanzprodukt-Experte, aber da gibt es zu Hauf Leute. Wenn man den Universitäten diese Möglichkeit gibt, Geld aufzunehmen, muss der Bund den Universitäten auf jeden Fall in Form von Garantien für die nächsten Leistungsvereinbarungsperioden die Möglichkeit geben, diese Kredite langfristig wieder zurückzubezahlen.

derStandard.at: In welchem Zeitraum soll das passieren, dass es die Möglichkeit gibt, Kredite aufzunehmen?

Bast: Bei den Banken haben wir gesehen, dass eine riesige Lösung innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten möglich ist - wenn der politische Wille da ist.
Es könnten völlig neue Dinge gemacht werden, wo auch die Politik gemeinsam mit den Universitäten Steuerungsinteressen wahrnehmen kann. Wenn hier zusätzlich eine Universitätsmilliarde zur Verfügung steht, kann man wirklich auch Probleme in der Struktur der Universitätslandschaft bereinigen. 

derStandard.at: Wie sollen die Universitäten die Kredite zurückzahlen?

Bast: Die Universitäten schließen im Rahmen der Leistungsvereinbarung einen Vertrag ab, der definiert, was sie in den nächsten drei Jahren zur Erfüllung ihrer Aufgaben an Budget zur Verfügunghaben. Da könnte es sein, dass die Leistungsvereinbarung ein eigenes Kapitel beinhaltet, das regelt wie mit der Rückzahlung von solchen Investitionskrediten umgegangen wird. Wo vertraglich zwischen Universität und Republik gesichert wird, dass diese Rückzahlung durch die Anhebung der Leistungsvereinbarung für die Universitäten möglich ist. Es könnte auch gesteuert werden, ob und für welche Zwecke eine Universität Kredite aufnehmen soll. 

derStandard.at: Wenn für die Universitäten auch Anleihen begeben werden, besteht da nicht die Gefahr, dass die Anleihenkäufer ein Mitspracherecht haben wollen?

Bast: Eine Anleihe ist etwas anderes als eine Aktie. Ich bin weit davon entfernt aus den Universitäten Aktiengesellschaften zu machen. Für mich ist es keine Alternative die staatlichen Universitäten zu privatisieren, in dem Sinn, dass private Aktionäre Einfluss auf die Universitäten bekommen. Diejenigen, die Anleihen zeichnen, haben nirgendwo Mitspracherechte.

derStandard.at: Ist Ihre Idee in diesen Zeiten besonders mutig? Kredite und Anleihen sind doch sehr negativ behaftet. 

Bast: Ich will ja nicht, dass die Universitäten in irgendwelche Termingeschäfte oder sonstige riskante Finanzprodukte einsteigen. Was ich will, ist eine eigentlich konventionelle im ganzen Wirtschaftsleben tagtäglich übliche Praxis. Wenn der Eigentümer momentan nicht das Kapital hat, um eine notwendige Investition zu tätigen, holt er sich das Geld am Kapitalmarkt. Die Banken könnten großes Interesse haben, dass sie endlich eine positive Rolle spielen. 

derStandard.at: Bleibt Ihre Forderung nach einer Studienplatzfinanzierung aufrecht? 

Bast: Das soll zum Teil durch dieses neue Modell finanziert werden. Diese Forderung bleibt, aber der Terminus ist etwas verkürzt. Dass man den Universitäten nur für Studienplätze Geld gibt, reicht nicht, es muss parallel dazu eine Basisfinanzierung der Infrastruktur für die wissenschaftliche und künstlerische Grundlagenforschung geben. 

derStandard.at: Wird Ihr Konzept Anklang finden?

Bast: Ich habe mir abgewöhnt Politik zu prognostizieren, aber nachdem ich ein Optimist bin, baue ich darauf, dass über eine breite Diskussion Druck für konkretes Handeln entsteht.

derStandard.at: Um den vielzitierten "Ansturm der Deutschen" zu bewältigen, haben Sie Strukturfördermittel der EU vorgeschlagen. Was genau meinen Sie damit?

Bast: Österreich hat einen gleichsprachigen Nachbarstaat, der zehnmal so groß ist, der den Studienzugang limitiert: Wo Fakt ist, dass Leute, die den Numerus Clausus nicht bestehen, nach Österreich gehen. Wenn ich sage, das ist ein Problem für die österreichischen Universitäten, ist das keine Missachtung, dass die österreichischen Universitäten internationaler werden müssen. Es ist ein Strukturproblem. Es gibt die europäischen Strukturfonds, wo ausdrücklich drinnen steht, dass diese Fonds zur Unterstützung von Maßnahmen zur Beseitigung der Ungleichgewichte der Regionen dienen. Warum probieren die österreichischen Politiker nicht hier Geld zu bekommen? Für bestimmte Bereiche Österreichs und der österreichischen Jugend besteht eine immanente Gefahr und ein immanenter Wettbewerbsnachteil, den es auszugleichen gilt. 

Genauso in der Landwirtschaft, wo auch Probleme ausgeglichen werden. Wenn man sich hier sich aus diesem Strukturfonds 10.000 Studienplätze zu 10.000 oder 15.000 Euro pro Jahr finanzieren lässt, hat man 100 bis 150 Millionen im Jahr. Das ist für die EU keine riesen Summe. Für die betroffenen Universitäten wäre das ein enormer Gewinn. Wenn das nicht möglich ist, wird man wieder zurückgehen müssen auf die Forderung nach Quoten, was die EU überhaupt nicht gern sieht. 

Noch drastischer wäre folgendes, ich sage nicht das ich es will: Wir könnten auch für manche Studienrichtungen kostendeckende Studienbeiträge von allen verlangen und gleichzeitig bekommen österreichische Staatsbürger einen gesetzlichen Anspruch auf Studienbeihilfe jedenfalls in der Beitragshöhe. Das wäre EU-rechtlich zulässig.

derStandard.at: Karlheinz Töchterle hat die Rektoren bisher auf den Herbst vertröstet. Wird er sich durchsetzen können?

Bast: Es besteht die große Gefahr, dass er seinen Bonus verspielt, indem er die Universitäten immer und immer wieder vertröstet - und sich vielleicht auch selbst zu lange vertrösten lässt. Die Universitäten haben sehr große Hoffnungen in ihn gesetzt. Grund dafür ist, dass er kein traditioneller Politiker ist, der in diesen Machtspielen sozialisiert wurde, sondern, dass er die Sachlage der Universitäten kennt und wirklich etwas Gutes für die Universitäten erreichen will. Das ist sein Vertrauensbonus, den die Universitäten zu seinen Gunsten haben.

Je schneller die Zeit vergeht, desto stärker gefährdet ist diese Rolle. Ich habe schon einmal an die Regierungsmitglieder appelliert: Lasst ihm bitte den Erfolg. Wenn Töchterle scheitert, scheitert die Bundesregierung in einer ganz wichtigen Zukunftsfrage, deren Lösung mindestens so wichtig ist wie die Tunnelinfrastruktur, die Banken- und die Landwirtschaftsinfrastruktur. (Katrin Burgstaller, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 19.8.2011)