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Deutsche Studenten fliehen vor dem Numerus Clausus, Platter will ihn nun auch für Österreich.

Foto: ap/Maurer

Die Debatte rund um den Hochschulzugang ist seit dem Wochenende um einen Vorschlag reicher. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat verlautbart, dass er einen "Numerus Clausus" nach deutschem Vorbild auch für Österreich nicht von vornherein ausschließen würde. Experten aus Deutschland und Österreich empfehlen allerdings nicht, dieses System auf Österreich zu übertragen. Die Maturanoten seien in durch die unterschiedlichen Schulformen zu wenig vergleichbar, der Numerus Clausus beziehe sich nur auf die Quantität und nicht auf die Qualität des Studiums und lasse keine Schwerpunktsetzung einzelner Universitäten zu, so die Argumente.

"Der Numerus Clausus ist ein Instrument, um bei hoher Nachfrage und geringen Studienplätzen die Bestbewerber auszuwählen. Das geht in Deutschland mit der Abiturnote", erklärt Ludwig Voegelin, Berater des Centrum für Hochschulforschung (CHE) in Deutschland. Beschränkt werden in Deutschland nur jene Studien, die besonders überlaufen sind. Dafür gibt es ein eigenes Rechenmodell, das sich daran misst, wie viel Lehrpersonal an der Universität zur Verfügung steht und wie viel Studenten dieses Personal unterrichten kann. Die Universität legt fest, wie groß die Gruppen bei Vorlesungen und Seminaren sein dürfen. Überschreitet die Studentenzahl die Kapazitäten der Universität, wird der Zugang beschränkt. 

Drei Möglichkeiten der Zulassung

Es gibt drei Möglichkeiten, wie man zum Studium zugelassen wird. Entweder man erreicht beim Abitur jenen Notendurchschnitt, den der schlechteste Student aus dem Vorjahr hatte (beispielsweise 1,9) oder man hat schon so viele Semester auf einen Studienplatz gewartet, wie der letzte zugelassene Student. Die restlichen Studienplätze kann die Hochschule nach eigenen Kriterien auffüllen. Meist wird auch hier eine bestimmte Abiturnote erwartet.

"Keine Qualitäten werden betrachtet"

Voegelin vom CHE-Institut würde das Numerus-Clausus-Modell nicht weiterempfehlen. "Das Rechenmodell hat verschiedene Mängel. Einer der wesentlichsten ist, dass es im Studium keine Qualitäten betrachtet", sagt er zu derStandard.at. Der Soziologe kritisiert auch, dass das System die mittel- und langfristige Planung von Universitäten nicht beachtet. "Da kriegt die Studienrichtung Thermodynamik keinen Professor - obwohl das ein Pflichtfach ist - weil die Physik insgesamt genug Stellen hat. Die Kapazitätsverordnung unterstellt, dass die Universitäten das Problem lösen können. Wenn ein Professor für Theoretische Physik eingestellt wird, dann ist der 35 Jahre da. Sie können nicht seinen Teil der Lehrverpflichtung zu Thermodynamik verlagern", erklärt Voegelin. Das System sei eher dazu geeignet Stellen einzusparen und sei eher ein Instrument des Finanzministeriums als des Bildungsministeriums.

Voegelin empfiehlt stattdessen, dass die Hochschulen Verträge mit dem für sie zuständigen Ministerium abschließen. Dabei sollte das Ministerium sagen, wie viele Absolventen es von der Universität erwartet, wie und wo diese Studenten ausgebildet werden, würde demnach den Universitäten überlassen werden. "So könnte eine Universität die Kapazitäten von den Geisteswissenschaften teilweise in die Naturwissenschaften verlagern und Schwerpunkte setzen", so der Soziologe.

"Nicht nur Numerus Clausus"

Stefanie Busch von der deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erklärte im Gespräch mit derStandard.at, dass man in Deutschland mit dem Abitur die Voraussetzung für den Zugang zu einem Hochschulstudium mitbringt. "Allerdings übertrifft in vielen Fächern die Nachfrage das vorhandene Angebot an Studienplätzen", so Busch. "Dennoch haben sowohl die Hochschulen als auch die Politik das Bestreben, den Hochschulzugang so frei wie möglich zu lassen, damit jeder Studierwillige auch ein Studium aufnehmen kann", sagt sie. Grundsätzlich spreche sich die HRK eher dafür aus, nicht nur die Note als Kriterium für eine Studienzulassung heranzuziehen, sondern auch andere Eignungsnachweise zu verlangen. So könnten auch jene mit schlechteren Noten zugelassen werden.

Sünkel dagegen

Ähnlich argumentiert der österreichische Rektorenchef Hans Sünkel. "Wenn man schon an Notendurchschnitts-Orientierung denkt, dann muss sich noch eine ordentliche Aufnahmsprüfung dazugesellen und vielleicht sogar noch ein Aufnahmegespräch", sagt er in einem Gespräch mit der APA. Die Notendurchschnitte der Gymnasien würden nur einen Teil der Fähigkeiten abbilden, die man für ein bestimmtes Studienfach braucht.

Bildungsexperte Ferdinand Eder von der Universität Salzburg macht auf die unterschiedliche Qualität von österreichischen Schulabschlüssen aufmerksam. "Derzeit kann man in Österreich aus den Noten in den Abschlussklassen keine sinnvolle Prognose für das Studium ableiten", sagt er zur APA. Auch die Zentralmatura würde die Vergleichbarkeit der Matura bei unterschiedlichen Schulen nur bedingt bringen, da es dann immer noch neben den Gymnasien fünf verschiedene Formen von berufsbildenden höheren Schulen (BHS) mit Hochschulreife gebe.

Modell gesucht

Ein Numerus-Clausus in Österreich wäre also derzeit weder umsetzbar noch wünschenswert. Auch Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) hat den Vorschlag von Platter bereits abgelehnt. Das von ÖVP-Chef Michael Spindelegger vorgeschlagene Modell, bei dem unterschiedliche Studien unterschiedlich viel kosten sollen, wurde bisher weder abgelehnt noch begrüßt. Töchterle hat ein Modell für den Uni-Zugang und Studiengebühren für Ende des Jahres angekündigt. (Lisa Aigner, derStandard.at, 22.8.2011)