Österreichische Lehrer beim Seminar zur Holocaust-Erziehung in Israel.

Foto: derStandard.at/Hackl

"An das Vergangene erinnern. Die Zukunft verändern." Das ist das Motto der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Für das Erinnern ist dort ein einzigartiges Museum zuständig, das allein im letzten Jahr rund 900.000 Menschen besucht haben. Damit die Verbrechen der Vergangenheit aber auch in Zukunft ihre mahnende Wirkung behalten, werden in einer speziellen Schule jährlich tausende Lehrer und Lehrerinnen in Sachen Holocaust-Erziehung trainiert.

Eine von ihnen ist Barbara Krenn-Schröggl, die Direktorin der Grazer Modeschule. Gemeinsam mit 19 anderen Österreichern verbringt sie zwei Wochen in Israel, davon allein sechs Tage in Yad Vashem. "Hier wissen sie einfach, wie man den Menschen am besten sensibilisiert. Dabei geht es vor allem darum, persönliche Geschichten zu erzählen. So können sich Kinder in die Situation im Warschauer Ghetto hinein fühlen", erklärt sie. Wer im Unterricht Bewusstsein schafft, habe schon gewonnen.

Der Schlüssel zu mehr Respekt

Neben den Seminaren und Vorlesungen, sind die Teilnehmer auch durch Israel gereist. "Die Schönheit des Ortes hat mich sehr berührt", meint Krenn-Schröggl. Besonders beeindruckt sei sie von einem Treffen mit der Holocaust-Überlebenden und ehemaligen israelischen Botschafterin Judith Hübner, die übrigens Teil der Gruppe von Israelis ist, die vom Staat Österreich neue Kompensationszahlungen fordern (derStandard.at berichtete).

Die Art und Weise, wie Frau Hübner mit ihrem "arabischen Personal" umgegangen ist, habe sie aber schockiert. "Ich denke doch, wir Israelis sind ziemlich aggressiv", habe die 90-Jährige ihr gegenüber zugegeben. Für Barbara Krenn-Schlöggl ist die Geschichte des Holocaust vor allem auch eine Lehre für die Gegenwart und für die Zukunft. "Vieles, was jetzt in Israel passiert, hat auch Formen dessen, was damals passiert ist", sagt sie vorsichtig. Wenn einmal Verdrängung und aggressives Verhalten gegenüber anderen Ethnien stattfinden, dürfe man das nicht einfach ignorieren.

Auch im multikulturellen Umfeld ihrer Schule sei das Thema Holocaust wichtig, um heutige Probleme zu bewältigen. "Es geht darum, andere Menschen wertzuschätzen. Je geringer die Bildung, desto größer die Probleme. Bildung ist der Schlüssel zu mehr Respekt", fasst sie die Bedeutung ihrer Arbeit zusammen.

Die Vergangenheit nachfühlbar machen

Nach einem längeren Gespräch geht es weiter in den Seminarraum nebenan, wo die anderen schon im Halbkreis sitzend auf den Kursbeginn warten. Zuvor haben sie in Gruppen Unterrichtsmethoden vorbereitet, die sie jetzt präsentieren sollen. Dabei haben die Teilnehmer versucht Bilder, Texte und Rollenspiele in kreativer Weise zu kombinieren, damit die Geschichte für Schüler möglichst greifbar wird.

Das Thema Rollenspiel löst schon nach der ersten Präsentation eine Diskussion aus. "Es ist unmöglich, sich in die Situation des Opfers hineinzuversetzen", kritisiert der Trainer den Vorschlag einer Gruppe. Man könne nicht nachspielen, wie sich ein Jude, der in Wien zum Straßenkehren gezwungen wurde, gefühlt hat. Eine Lehrerin, die sich mit dem Theater der Unterdrückten des Brasilianers Augusto Boal beschäftigt hat, sieht im Drama sehr wohl eine Möglichkeit, den Holocaust in die heutige Zeit zu übersetzen. "Das ist aber auch gefährlich", kontert ein anderer. Ohne professionelle Ausbildung, könne man so nicht mit Kindern experimentieren. "Versucht nicht, in die Psyche des Holocaust-Opfers einzudringen", kommentiert der Trainer die Diskussion.

Es gäbe auch andere Wege, um die Vergangenheit ins Heute zu übersetzen, meint eine Lehrerin aus Klagenfurt. Sie habe ihre Schüler immer zu den Orten gebracht, an denen früher Juden deportiert wurden. "Jetzt ist da natürlich nichts mehr. Aber es ist ein Weg, um heute über die Ereignisse von damals zu reden", sagt sie.

Besonders Bilder scheinen sich gut als Diskussionsimpuls zu eignen. Dazu hat der Verlag des Yad Vashem ein eigenes Lehrbuch herausgegeben, in dem historische Fotos gemeinsam mit Texten für den Unterricht aufbereitet sind. "Wir haben darüber nachgedacht, was man mit diesem Bild machen könnte", sagt eine Kollegin von Krenn-Schlöggl. Die Direktorin zeigt das Bild in die Runde, auf dem ein kleiner Junge zu sehen ist, der vor SS-Soldaten die Hände hochhält. "Was seht ihr? Was fühlen die Leute auf dem Foto? Was fühlt ihr, wenn ihr es euch anseht?", könnte man die Schüler zu diesem Bild fragen, erklärt sie.

"Es gibt nur einen Holocaust"

Die Kooperation mit Österreich sei ein großer Erfolg, sagt Rachelle Budd Caplan, die Europa-Direktorin der Holocaust-Schule in Yad Vashem. In einem Ketteneffekt würde jede einzelne Lehrperson nach dem Seminar mit Kollegen, Freunden und Familie sprechen. "Rund 1.200 Menschen erreicht allein die Mundpropaganda pro Teilnehmer." Aber bekämpft das Holocaustleugnung, Antisemitismus und Xenophobie? "Ich bin nicht wirklich optimistisch", sagt sie. Den Holocaust als mahnenden Vergleich für heutige Probleme zu verwenden, hält sie übrigens für gefährlich. "Da wird das große H ganz schnell zum kleinen. Es gibt einfach nur einen Holocaust." Letztlich gehe es bei der Holocaust Erziehung ganz grundlegend um menschliches Verhalten, Gleichgültigkeit und das Böse. "Nimm deinen Finger, zeig auf dich selbst und stell dir die Frage: Mache ich das Richtige? Bin ich respektvoll gegenüber anderen Menschen?" (Andreas Hackl, derStandard.at, 29.8.2011)