Polen ist von den Straßen her teilweise sehr abenteuerlich für Radfahrer. Gerade im Süden und insbesondere rund um Katowice wähnt man sich manchmal auf einer Autobahn. Die Polen selbst sagen, sie hätten zu wenige Straßen und zu viele Autofahrer.

Bis nach Lodz machte das Radfahren auf Polens Straßen also wenig Spaß, doch danach gab es wieder genügend Möglichkeiten, dem Verkehr auszuweichen.

Andreas Reiterer

Der Nordosten stellte sich als der bislang schönste Streckenabschnitt heraus. Perfekte Straßen führten uns durch endlose Wälder, an Seen vorbei, in denen wir des öfteren badeten - kaum Verkehr und perfektes Radwetter. Einheimische schenkten uns ihre selbst gebrockten Schwammerln, boten uns hausgemachten Schnaps und andere Leckerbissen an.

Foto: Ride for your Rights

Bialystok stellte sich aufgrund des fabelhaften Engagements unserer lokalen Organisatorin als außergewöhnlichster Aufenthalt heraus. Bereits 30 km vor der Stadt wurden wir von zwei Polizeiautos empfangen, die uns über die Bundesstraße ins Zentrum begleiteten.

Foto: Ride for your Rights

An der Stadtgrenze schlossen sich zwei weitere Wagen der Verkehrspolizei an. Somit gab es für uns kein Halten mehr. Rote Ampeln wurden mit Blaulicht und Syrenen abgesichert, trotzige Autofahrer sofort zurückgewiesen und eingeschüchtert und wir wussten nicht recht wie wir zu solch einem spektakulären "Einrollen" kamen, genossen aber die kurzen Momente, in denen die Straßen und die freie Bahn nur uns gewidmet war.

Foto: Ride for your Rights

Kaum angekommen am Hauptplatz von Bialystok, wurden wir überrascht von den lokalen Berichterstattern von Fernsehen und Zeitung. Während unseres Aufenthaltes kam es zu einer weiteren "Ride for your Rights!"-Stadtrundfahrt mit Polizeischutz a la critical mass ride, bei der wir wieder ein paar Radler für uns gewinnen konnten. Es gab aber auch beschauliche Augenblicke und spannende Bauwerke zu sehen, wie diese Kirche.

Foto: Ride for your Rights

Für uns Radler, die über sechs Wochen lang in die Pedale getreten haben, war ein Aufenthalt in einem Spa mit gratis Massage dann das absolute Highlight. Denn üblicherweise gestalten sich die Duschgelegenheiten so wie auf dem Bild.

Foto: Ride for your Rights

Auch beim Verlassen der Stadt Bialystok ließ es sich die Polizei nicht nehmen, uns sicher über die größten Straßen an die Stadtgrenze zu begleiten. Dies verursachte wieder jede Menge Stau, da wir als Gruppe nicht gerade die schnellsten am Rad sind, doch hatten wir nichts dagegen einzuwenden.

Dass Straßen von Radlern bevölkert werden, ist in größeren polnischen Städten noch nicht wirklich üblich. Die meisten fahren hier freiwillig auf den Gehsteigen. Auch wenn wir von einem unserer Organisatoren per Rad abgeholt und wohin gelotst werden, bevorzugen sie es meist mit der ganzen Gruppe auf Gehsteigen zu fahren, obwohl die Straßen eigentlich breit genug wären.

Foto: Ride for your Rights

Mit dem Verlassen Polens und der Einreise in die baltischen Staaten veränderten sich die Straßenverhältnisse wieder schlagartig. In Litauen und Lettland verbrachten wir die meiste Zeit auf Schotterstraßen, die teilweise einer kleinen Muggelpiste ähnelten. Landschaftlich waren die Tagesettapen von ihrer Schönheit her kaum zu übertreffen: Hügel, Weiden, Nationalparks, kleine bunte Holzhütten und dann noch Föhrenwäder direkt am Meer.

Foto: Ride for your Rights

In Litauen hatten wir einprägsame Begegnungen am Straßenrand und mit den Einheimischen vor Ort und verbrachten so manche Nacht in privaten Gärten oder Häusern.

Foto: Ride for your Rights

In Lettland bewiesen unsere Studenten-Partner wieder einmal Zielstrebigkeit und Engagement. Über fünf Tage hingweg musste unsere Gruppe nicht einmal Geld für Verpflegung oder Übernachtung ausgeben.

Die niedrigen Ausgaben ermöglichen einigen MitradlerIn, nun doch noch länger dabei bleiben als ursprünglich geplant. Auch die Treffen in Riga mit Experten aus der Bologna Gruppe und dem Wissenschaftsministerium waren wieder sehr hilfreich für unseren Zweck, die Mobilität von Studierenden zu fördern.

Foto: Ride for your Rights

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Unser kleines Bildungsprogamm verfolgten wir in den meisten Ländern natürlich weiter. So besuchten wir unterwegs Auschwitz (Bild), bekamen eine Tour durch das ehemalige Ghetto in Lodz, hielten einen Workshop zum Thema Menschenrechte in Vilnius ab - in unserer Schlafstätte, dem Menschenrechtshaus Vilnius. Dort trafen wir den Vorsitzenden der Konrad Ebenauer Stiftung, der uns mehr über den aktuellen Stand von Menschenrechten in Weißrussland erzählte.

Foto: APA/obs/Stiftung Auschwitz-Birkenau

In Kaunas gaben wir einen Workshop zum Thema European Citizenship mit interessanten Vortragenden aus Parlament und Universität. In Riga erfuhren wir bei einem weiteren Workshop genaueres über die Situation der Minderheiten in Lettland.

So decken wir Schritt für Schritt die für uns wichtig erscheinenden Themen rund um Studentenmobiliät ab.

Foto: Ride for your Rights

Was diese Reise extrem spannend macht, ist die Tatsache, dass kein Tag dem anderen gleicht. So stellt sich die Tour mittlerweile als eine der Extreme heraus. An manchen Tagen hatten wir 45 Grad Hitze, an anderen schüttete es was das Zeug hielt. Manchmal können wir auf den idyllischsten Radwegen fahren, dann wieder preschen die Zwölf-Tonner an uns vorbei.

Blick zum Hafen in Pärnu, Süd-West-Estland.

Foto: Ride for your Rights

Wir schlafen an einem Tag in den schönsten gesponserten Hostels oder Studentenheimen, am nächsten unter freiem Himmel oder im Garten von Einheimischen, die wir um einen Schlafplatz bitten.

Foto: Ride for your Rights

Wir ernähren uns von Brot, Pasta und Kartoffeln, um die Kosten niedrig zu halten, und dann wieder werden wir ab und zu mit Haubenmenüs verwöhnt. Teilweise sind wir nur eine Handvoll Fahrer, dann schließen sich wieder spontan Rad-Communities an und wir rollen mit über 30 Radlern durch die Stadt.

Foto: Ride for your Rights

Jetzt sind wir 3500 km geradelt und in Tallinn angekommen. Was uns bis zu unserem Ziel noch erwartet, sind die letzten beiden Länder Finnland und Russland. Wir werden wie immer versuchen, Entscheidungsträger und Studenten von der Wichtigkeit des kulturellen Austausches und des gegenseitigen Verständnisses zu überzeugen. Auf eines freuen wir uns an dieser Stelle im derzeit etwas nassen und kaltem Norden ganz besonders: die finnischen Saunen! (red, derStandard.at)

 

Foto: Ride for your Rights