Der Wiener Ex-Schulinspektor Hubert Prigl will, dass Arbeiter ihren Lehrabschluss leichter nachholen können.

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SPÖ-Mayer ist dafür, den Besuch einer Berufsschule für ältere Arbeitnehmer zu vereinfachen: "An den Kosten kann es nicht liegen."

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Könnte Zünglein an der Waage sein: ÖVP-Bildungssprecher Amon.

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Grünen-Politiker Walser will Hürden für potenzielle Facharbeiter abbauen.

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Wien - "Berufsschüler sind eine 'vergessene Mehrheit' im österreichischen Bildungssystem", kritisiert Hubert Prigl. Er muss es wissen. 15 Jahre lang war er Landesschulinspektor für Berufsschulen in Wien.

Jugendliche, die einen Lehrberuf erlernen, kriegen keinen verbindlichen Sportunterricht und sitzen meist nur einen Wochentag in der Schule, dafür dann aber neun bis zehn Stunden am Stück, kritisiert Prigl. Und noch etwas: "Man kann außer der Volksschule jeden Schultyp mit Hilfe der öffentlichen Hand im Nachhinein absolvieren. Und für Berufsschüler soll das nicht gelten?" Als er im Vorjahr in Pension ging, startete der 64-Jährige darum eine Bürgerinitiative, die Abbrechern von Berufsschulen eine zweite Chance geben soll.

SPÖ, Grüne wollen zweite Chance zum Lehrabschluss

Innerhalb weniger Wochen sammelte das SPÖ-Mitglied Prigl 8000 Unterschriften, die er dieses Jahr dem Parlament übergab. Er will erreichen, "dass Erwachsene, die ihre Lehrabschlussprüfung nachholen wollen, als ordentliche Schülerinnen und Schüler eine Berufsschule besuchen dürfen". Prigl will also den Besuch einer Berufsschule auch ohne Lehrvertrag ermöglichen. Das soll Abbrechern, aber auch angelernten Arbeitern (die noch nie an einer Berufsschule waren) sowie Menschen, die in Implacement-Stifungen des AMS ausgebildet werden, entscheidend helfen, ihren Abschluss nachzumachen. Es ergebe auch volkswirtschaftlich Sinn, sagt Prigl, denn das Land brauche Facharbeiter.

Am Mittwoch hat der Petitionsausschuss des Parlaments die Bürgerinitiative dem Unterrichtsausschuss zugewiesen. SPÖ-Bildungssprecher Elmar Mayer macht im Gespräch mit derStandard.at klar, dass er für die Gesetzesänderung ist: "Ich kann dem inhaltlich zur Gänze zustimmen, Herr Prigl läuft offene Türen ein. Wir möchten jungen Leuten, die aus der Bahn geworfen wurden oder einen anderen Weg gewählt haben, dabei helfen, ihren Lehrabschluss möglichst einfach nachzuholen." Grünen-Bildungssprecher Harald Walser signalisiert gegenüber derStandard.at ebenfalls Zustimmung. Mayer will nun versuchen, auch ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon davon zu überzeugen. Amon war für derStandard.at nicht erreichbar.

"Finanzielle Machbarkeit" ungewiss

Kommt die zweite Chance für Lehrberufsabbrecher per Gesetzesänderung, wie Prigl es will? "Ich halte es für sehr wahrscheinlich, weil das Anliegen einfach berechtigt ist", sagt Mayer. Die Stellungnahmen der beiden zuständigen Ministerien lassen Prigl aber noch bangen. Zwar anerkennt das ÖVP-geführte Wirtschaftsministerium Prigls Forderungen, weil deren Umsetzung "die Chancen zur positiven Absolvierung der Lehrabschlussprüfung erhöhen" würde. Das Unterrichtsministerium, das die Änderung bezahlen müsste, ließ sich aber eine Hintertür offen. In seiner Stellungnahme hinterfragt das Ministerium "die finanzielle Machbarkeit" und weist darauf hin, dass "die vielfältigsten Stakeholder miteinzubeziehen" wären - Stakeholder heißt in diesem Falle Länder und Gemeinden, weil sie die Berufsschulen mitbezahlen. "Wenn alle Stakeholder befragt werden müssen, bin ich aufgrund der Budgetsituation in den Bundesländern wenig optimistisch", warnt Prigl davor, dass die Koalitionsparteien seine Bürgerinitiative aus Budgetknappheit im Sand verlaufen lassen.

Prigl betont, dass es in Wien im Vorjahr nur rund 120 außerordentliche Berufsschüler gab. SPÖ-Bildungssprecher Mayer meint daher: "An den Kosten kann es nicht liegen." Sollte Prigl in seinem Vorhaben gestoppt werden, wäre die Ungleichheit zwischen Maturaschülern oder Studierenden - diese können ihre Abschlüsse jederzeit nachholen - und Lehrlingen die nächsten Jahre zementiert. Und das in einem Bildungssystem, in dem Berufsschüler traditionell auf dem kürzesten Ast sitzen. (Lukas Kapeller, derStandard.at, 5.10.2011)