Wien - Jene Kommission, die die kolportierten Missbrauchs-Vorfälle im ehemaligen Kinderheim im Wiener Schloss Wilhelminenberg aufarbeiten soll, soll Ende der Woche stehen. Der zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch rechnet damit, dass bis dahin die Zusagen jener Personen eintreffen, die angefragt wurden, ob sie die Kommission leiten wollen.

Bei den Leitern wird es sich um Juristen, also etwa ehemalige Richter oder Staatsanwälte handeln, wie die Magistratsabteilung 11 (Jugend und Familie) Anfang der Woche betont hatte. Das neue Gremium soll die jüngst erhobenen massiven Vorwürfe untersuchen. Zwei Schwestern gaben an, dass es in dem Heim in den 1970er Jahren zu Serienvergewaltigungen und Fällen von Kinderprostitution gekommen ist.

Diese Anschuldigungen seien eine "neue Dimension", begründete Oxonitsch die Einrichtung einer eigenen Kommission. Dass es sexuelle Übergriffe und körperliche Misshandlungen in den - inzwischen nicht mehr existierenden - Wiener Großheimen gegeben hat, ist unterdessen schon länger bekannt. Dafür wurde bereits eine Historikerkommission eingerichtet. Und inzwischen werden Opfer auch entschädigt: Erste Zahlungen wurden 2010 geleistet. 

Stadt habe nicht zu langsam reagiert

An einer Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Wiener Heimen führt kein Weg vorbei, wie Oxonitsch betonte: "Das ist unangenehm und schmerzvoll, aber es ist notwendig." Es sei wichtig, mit den Fällen sensibel umzugehen. Gleichzeitig sei es aber auch nicht zu vermeiden, dass das nun in der Öffentlichkeit breitgetreten werde, so der Stadtrat. Dass die Stadt einst zu langsam reagiert habe, glaubt er nicht. Laut Oxonitsch ist schon in den 1970er Jahren klar geworden, dass die Struktur der Großheime überholt ist.

"Man kann 35 Jahre später alles anders beurteilen", befand Oxonitsch. Er erinnerte jedenfalls daran, dass die Diskussion damals letztendlich zur Schließung der großen Heime geführt habe. Ausschlaggebend sei hier etwa der damals publizierte Bericht ("Verwaltete Kinder") der früheren SP-Nationalratsabgeordneten Irmtraut Karlsson gewesen - auf den der "Standard" verwiesen hat. Karlsson hat darin unter anderem von "Kindergefängnissen" gesprochen.

Sofortige Schließungen war nicht möglich

"Die Zustände damals waren schlimm", zeigte sich der Stadtrat überzeugt. Die sofortige Schließung aller Heime sei jedoch nicht möglich gewesen, auch aus organisatorischen Gründen. In Wien wurden - nach einer Reihe von Reformen - die letzten derartigen Einrichtungen im Jahr 2000 zugesperrt. Seither werden Kinder in Wohngesellschaften oder bei Pflegeeltern betreut.

Im Wiener Rathaus wird kommende Woche auch ein Sonderausschuss zu dem Thema stattfinden. Dort sollen die anderen Parteien über den Stand der Dinge informiert werden, kündigte Oxonitsch an. Auch Fragen an die Wilhelminenberg-Kommission sollen dort formuliert werden. (APA)