Konfliktscheu ist nicht gerade eine Eigenschaft der britischen Tanzcompany DV8 Physical Theatre. Seit 25 Jahren sind heikle politische Themen das tägliche Brot für die Company unter ihrem Leiter Lloyd Newson, in deren bisherigem Werk die Vergesellschaftung von menschlichen Niederungen immer wieder auftauchen: schon in den 80ern bei Dead Dreams of Monochrome Men, in Strange Fish (1992) und Enter Achilles (1995), die bis heute als Paradewerke für kritisches Physical Theatre gelten.

In Can We Talk About This? nimmt sich Newson eines Konflikts an, der den Kern zahlloser historischer und politischer Katastrophen darstellt: die Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung, der Pressefreiheit und der künstlerischen Freiheit. In Wien war DV8 zuletzt 2003 mit The Cost of Living zu sehen: einer Satire über Normierung, falschen Individualismus und abzockendes Entertainment.

Can We Talk About This? ist eher als Dokuperformance angelegt. Begeistert aufgenommen im August bei der Uraufführung in Sydney, erreicht das Stück ein verunsichertes Europa. DV8 verhandelt die Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit Multikulturalität und der Islam-Rezeption. Zur Sprache kommen Rushdies Satanische Verse und die jahrelange Verfolgung des Autors genauso wie die Vorgänge um die Mohammed-Karikaturen, die Einrichtung von Scharia-Gerichten in Großbritannien und die Zwangsehe.

Der Tanz ist hier keine stumme Kunst mehr, sondern eine Performance als Choreografie von Argumenten. (ploe / DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2011)