Odysseus imaginiert nebst Sohn und Crew seine kriegerischen Abenteuerreisen über die Meere.

Foto: Rita Newman

Wien - Der Glaube, das junge Theaterpublikum nur mehr mit kinematografischen Effekten anlocken zu können, ist grundverkehrt. Doch kann es sich ein Theater mit entsprechender technischer Ausstattung wie das Theater der Jugend in der Liliengasse leisten, den Bombast und die Bildmächtigkeit eines Hollywood-Blockbusters mit eigenen Mitteln zu imitieren.

Die Diskrepanz zwischen dem martialischen Gebaren eines zeitgenössischen Hightech-Sandalenfilms mit Starbesetzung und dem martialischen Gebaren eines zeitgenössischen Guckkastenbühnen-"Odysseus" mit starker Besetzung erzeugt Spannung. Die Illusionskraft des Theaters folgt dabei freilich eigenen Gesetzen.

Diese legt Regisseur Michael Schachermaier, derzeit auch Regieassistent am Burgtheater, in verblüffenden Schachzügen frei. Er erzeugt für Kim Nørrevigs Erzähldrama Odysseus etwa mythisch-vernebelte Schattenbilder in Cinemascope oder sorgt bei heldenhaften Begegnungen Odysseus' mit seinen Gegnern für markerschütternden Sound (tosendes Meeresrauschen oder die wuchtigen Fußauftritte des einäugigen Riesen).

Um das Heldenhafte an dem Helden ein wenig zu dämmen, verfügt dieser Odysseus (Georg Münzel) zum Glück über genügend Selbstironie, wenn er seinem Sohn Telemachos (Raphael Nicholas) von seinen Reisen erzählt. Das Geständnis seiner Untreue bei den Zirzen fällt dabei besonders kleinlaut aus. Der Sohn: "Und was ist mit Mutter!?" Diese (Karin Yoko Jochum) wartet bekanntlich in aller Entschlossenheit jahrelang auf ihren Gemahl.

Dieser Odysseus entzaubert den Macho, erzählt von abwesenden Vätern und Abenteuerlust. Und kombiniert auf bestechende Weise Action mit Bühnenzauber. Ab elf Jahren. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD - Printausgabe, 8. November 2011)