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Franz Kafkas "Das Schloss" wurde mit 1850 Fehlern versehen. Richtig aufgeregt waren Medien aber ob der EU-Förderung.

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In Franz Kafkas Roman "Das Schloss" wird eine Schule als "merkwürdig den Charakter des Provisorischen und des sehr Alten vereinigend" beschrieben. Es könnte auch die Beschreibung des österreichischen Schulsystems sein. Der Roman – 1926 postum veröffentlicht – hat in den letzten Tagen die österreichischen und deutschen Medien aus einem anderen Grund beschäftigt.

Der Verlag Gehlen und Schulz veröffentlichte "Das Schloss" als Gratis-Buch, welches von Fehlern nur so strotzte. Einige Schulen hatten das Buch zugesandt bekommen. Doch nicht nur das, angeblich wurde das Buch – so die Initiatoren – mit einer Auflage von zwei Millionen Stück veröffentlicht und von der EU mit 345.000 Euro gefördert. Es sei Teil eines "EU-weiten Projekts zur Förderung der Lust am Lesen und des Begreifens des 'Wortes' als wesentlicher Bestandteil von Kommunikation", hieß es am 25. Oktober in einer Presseaussendung des Verlags.

"Mensh" im "Schne"

So wurde in dem Buch aus dem Schnee der "Schne", aus Niemand "Niemant" und aus Mensch der "Mensh". Die Kombination aus Rechtschreibfehlern, Gratis-Buch und EU-Subvention sorgte für ein großes Medienecho. Die "Bild-Zeitung", die Kronen-Zeitung, "Die Presse" oder die FAZ berichteten über den "Skandal", auf derStandard.at fand die Aktion Eingang in eine Glosse. Die "Bild" schrieb in der ihr eigenen Sprache: "Ein Skandal – und der Verlag bombardiert die Schulen weiterhin mit den Schrott-Drucken." Die FAZ titelte: "Kafkas Hinrichtung, von der EU gefördert". Und die Kronen Zeitung urteilte: "Kafkas Schloss als Fehler-Gau". Dabei war die Kronen Zeitung der Lösung am Sonntag schon recht nahe. So zitierte sie einen "Insider": "Niemand kennt diesen Verlag. Man könnte fast glauben, es handle sich um ein Kunstprojekt."

Um so etwas Ähnliches handelt es sich auch: Die Gruppe "The BirdBase" (siehe Facebook-Seite) wollte mit ihrer Aktion auf die Bildungsprobleme in Österreich hinweisen (Siehe "Die Presse"). In einer Stellungnahme auf der Facebook-Seite der Gruppe heißt es: "Wir finden, dass Vieles nicht so ist, wie es in Österreich sein sollte. Zum Beispiel die derzeitige Bildungssituation: viele junge Leute können nicht richtig lesen und schreiben. Definitiv ein Problem."

Es gab weder EU-Subventionen noch eine Millionen-Auflage – lediglich 1000 Stück wurden an 9 Schulen versandt, wie eine Sprecherin der Aktionsgruppe, Elisabeth S., gegenüber derStandard.at bestätigt. Der Verlag war ebenso eine Erfindung wie die dazugehörige Homepage. Seit Jänner habe man an dem Projekt gearbeitet und in das Werk von Kafka rund 1850 Fehler "reinkorrigiert". "Es ist traurig wie viele Medien darüber geschrieben haben", sagt S. zu derStandard.at.

Unsere "Dienstleister"

Laut den Initiatoren seien rund 100 Leute an der Aktion beteiligt gewesen. Ziel war es, auf die Bildungsproblematik aufmerksam zu machen. "Es muss jetzt etwas getan werde und nicht in 20 Jahren. Nur reden hilft nicht", so S. gegenüber derStandard.at. Natürlich wollte man mit der Aktion auch Journalisten hinters Licht führen, denen es – so S. – in der Berichterstattung stärker um die EU-Subventionen, als um das Wesentliche, die Bildung, geht. Doch was wollte man mit der Aktion bezwecken? "Wir sind normale Bürger, die endlich wollen, dass gehandelt wird. Politiker reden nur und unternehmen nichts. Österreich muss aufmerksam werden auf die Bildung, es fehlen konkrete Handlungen", so S. Sonst habe man selbst irgendwann Kinder, die auch nicht Rechtschreiben können.

Und warum Franz Kafka? "Kafka sollte man gelesen haben. Kafka erregt selbst Aufsehen, von daher war es ein gutes Buch." Aufmerksamkeit erregen will "The BirdBase" auch in den kommenden Monaten. Bis zum 19. Jänner, wenn das Bildungsvolksbegehren voraussichtlich im Parlament behandelt werden wird, wollen sie weitere Aktionen durchführen. "Wir machen mehreren Aktionen, damit über Bildung gesprochen wird. Wir Bürger sollten den Ton vorgeben, wenn wir es nicht tun, dann werden die Politiker es auch nicht tun. Sie sind letztendlich unsere 'Dienstleister'." Die nächste Aktion ist nach Weihnachten geplant. (seb, derStandard.at, 17.11.2011)