Warschau - Nach heftigen Protesten der Eltern hat die polnische Regierung ihre Meinung zum Thema der Herabsetzung des Schulalters wieder geändert. Nachdem Premier Donald Tusk kurz vor den Parlamentswahlen im Oktober erklärt hatte, dass der Termin der Einführung der obligatorischen Schulpflicht für sechsjährige Kinder um ein Jahr, also bis 2013 verschoben wird, kündigte das Bildungsministerium nun an, dass die Übergangsfrist, in der die Eltern selber entscheiden dürfen, ob sie ihre Kinder früher in die Schule schicken oder nicht, bis 2014 verlängert werden soll.

Das Ressort erstellte einen Entwurf der entsprechenden Novelle der Bildungsreform. Laut der Zeitung "Rzeczpospolita" will das Ministerium die Novelle noch heuer dem neuen Parlament vorlegen. Das umstrittene Bildungsgesetz muss schnell modifiziert werden, weil gemäß der aktuellen Gesetzeslage bereits ab 2012 alle Sechsjährigen eingeschult werden müssten.

Dem Vorwurf von Elternorganisationen, dass viele Schulen auf die Aufnahme von Sechsjährigen nicht ausreichend vorbereitet seien, bestätigte das Bildungsministerium nun. Für die Verschiebung der Reform gibt es aber auch einen anderen Grund. In diesem Schuljahr entschlossen sich nur 23,6 Prozent der Eltern, ihre sechsjährigen Kinder einzuschulen. Das bedeutet, dass man im nächsten Jahr in den ersten Klassen Platz für einen Doppel-Jahrgang finden müsste. Der Sprecher des Bildungsministeriums, Grzegorz Zurawski, erklärte gegenüber der "Rzeczpospolita", dass die Verlängerung des Termins der Einführung der Schulpflicht für Sechsjährige bis 2014 der lokalen Selbstverwaltung ermöglichen werde, Hilfsmittel aus einem Regierungsprogramm für notwendige Investitionen zu nutzen.

Das polnische Parlament beschloss die Schulpflicht für Sechsjährige Anfang 2009. Das Bildungsministerium forcierte die Reform, weil es das herabgesenkte Alter der Einschulung für die "billigste, einfachste und effektivste Art" hielt, Chancengleichheit herbeizuführen. Die sogenannten Nullklassen für Sechsjährige, die in Kindergärten und Schulen bisher in Polen angeboten werden, hätten nämlich kein einheitliches Niveau und würden von Kindern auf dem Land kaum besucht. Ursprünglich hätte die Schulpflicht schon von 2010 an im sechsten Lebensjahr beginnen sollen. Die Regierung hatte das Gesetz wegen Protesten der Eltern und der Opposition entscheidend geändert und die Übergangfrist bis zum Jahr 2012 beschlossen. (APA)