Wien - In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine, hat Marlene Dietrich einmal gesungen. Und weil das am Tag und auch im Alter nicht anders ist, finden sich auf der Bühne der Kammerspiele sechs Senioren im trostlosen Schulungszimmer einer Volkshochschule ein. Sie besuchen einen Flirtkurs. Auch Mittvierzigerin Julia (Anna Franziska Srna) ist dabei, der "Vierzig Plus" kam nicht zustande. Jetzt also "Fünfundfünzig Plus" mit dem verdächtig dynamischen Jungspund Jan (Peter Scholz) als Kursleiter.

Lutz Hübners Stück Blütenträume kommt in der österreichischen Erstaufführung von Michael Gampe leichtfüßig daher, es gibt viel zu lachen. Bei aller Unbeschwertheit aber ist diese Aufführung ein starkes Statement gegen die Verramschung von Gefühlen. Die Neoliberalisierung der Liebe, die Selbstvermarktung auf Partnerbörsen ist nicht erst seit Warum Liebe weh tut der Soziologin Eva Illouz ein Thema. Hier aber wird nicht analysiert, sondern gezeigt. Die bis ins kleinste, nervöse Zucken fein gezeichneten Figuren sind dem Zuschauer schnell ans Herz gewachsen. Umso unerhörter erscheint es, wenn Jan von diesen unverstellten, liebenswerten Persönlichkeiten "richtige" Selbstpräsentation verlangt und ihnen sagt, sie haben "so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann."

Ulf (Erich Schleyer), der kindliche Riese, der wenig, aber ausschließlich Wichtiges sagt, hat Frieda eben seine Liebe gestanden. Marianne Nentwich spielt sie als lebenskluge Dame. Dann wäre da noch der unsichere Heinz (Dietrich Siegl), Gila mit rauer Stimme und überbordender Lebenslust (Tatja Seibt), Bibliothekarin Britta (Bigi Fischer), bissig und trocken, und Schuldirektor Friedrich. Heribert Sasse macht aus ihm ein ungustiöses Highlight, einen selbstverliebten Gockel, ohne jedes Gespür für die eigene Peinlichkeit. Und Julia schließlich, die völlig (und bisweilen allzu sehr) hysterisierte, erfolgreiche Singlefrau.

Die Schwäche dieser Aufführung: Die schiere Menge an existenziellen Ereignissen, an Tod, Krankheit und Familienhölle. Das wäre gar nicht nötig gewesen bei diesem großartigen Ensemble, das bei aller Vergnüglichkeit niemals ins Belanglose abdriftet. Und mit leichter Hand essenzielle Lebensthemen anfasst. (Andrea Heinz/DER STANDARD, Printausgabe, 29.11.2011)