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Stein auf Stein zum Genius. Was für Lego-Einsteine gilt, soll auch für Bologna-Studien gelten.

Foto: ap/Martin Meissner

DER STANDARD-Schwerpunktausgabe Patchwork.

Wien - "Stein auf Stein, Stein auf Stein, das Studium wird bald fertig sein." Das waren die Erwartungen an das Studium im "Einheitlich geregelten Europäischen Hochschulraum", initiiert durch den Bologna-Prozess. Die Idee: Studienarchitekturen flexibilisieren und so die Kombination verschiedener Fächer ermöglichen. Stichwort: Interdisziplinarität.

Im Zuge der vielzitierten, in ihrer Umsetzung heftig umstrittenen Hochschulreform stellten hierzulande praktisch alle Studienrichtungen auf ein dreigliedriges System um: Auf das dreijährige Grundstudium Bachelor (BA) kann ein ein- bis zweijähriger Master (MA) aufbauen. Daran anschließen kann ein Doktorat beziehungsweise PhD-Studium.

"Wollt ihr fleißige Handwerker seh'n", kann man nach wie vor anstimmen. An Fächerkombinationen und dem Anrechnen "fachfremder" Studien und Stunden wird weiterhin gebastelt.

Wer auf seinen BA einen MA in einem anderen Studienfach setzen möchte, stellt einen Antrag an die Studienprogrammleitung seines Wunschfaches. Sie urteilt von Fall zu Fall über die "Gleichwertigkeit des Abschlusses". Diese kann, wenn das innerhalb von maximal 30 ECTS-Punkten möglich ist, nachgeholt werden. Bei einem Wechsel zwischen Master und Doktorat dürfen Auflagen von nicht mehr als 60 ECTS gemacht werden, um die "Fachfremde" auszugleichen.

"Man hört immer wieder Klagen, alles sei rigider geworden", sagt der Klagenfurter Hochschulforscher Hans Pechar. Ganz würde er das nicht unterschreiben. "Vieles hängt vom guten Willen der einzelnen Unis ab", sieht er das Problem nicht als systemimmanentes. "Interdisziplinarität ist immer gut", ist Pechar überzeugt, eine Schwierigkeit sieht er daher in der Spezialisierung des Bachelors. Genau dieser erste Studienteil sollte breiter angelegt sein und allgemein orientiert, statt fachlich spezialisiert, wie das verstärkt in Deutschland und Österreich umgesetzt wurde. Der Anschluss an einen solchen breiten Bachelor sei viel besser möglich und werde etwa in Nordamerika als "gar nicht außergewöhnlich angesehen."

Auch Uni-Wien-Rektor Heinz W. Engl ist der Ansicht, "der volle Nutzen der neuen Struktur kann erst durch 'vertikale Mobilität' erreicht werden". Beispiel: Auf einen BA in Mathematik wird ein MA in Bioinformatik gemacht. Die Möglichkeiten der "flexibleren Kombinationen" wolle man ausweiten, nicht zuletzt, da die Nachfrage seitens der Studierenden sukzessive steige.

Selten geht man bei dieser "vertikalen Mobilität" von der Verknüpfung klassischer Studienfächer aus. Es handelt sich um spezialisierte MA-Studien, die für mehrere BA-Abschlüsse offenstehen. Die Uni Wien nennt hier etwa "Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens", "Science-Technology-Society" und das exotisch klingende "MEi:CogSci: Middle European interdisciplinary master pro- gramme in Cognitive Science".

Kollegiales Umfeld

"Wir leben diese Interdisziplinarität", sagt Petra Pesak vom Departement für Kognitionsbiologie an der Uni Wien. In einem kollegialen Umfeld arbeiten hier Master, PhD- und Postdoc-Studierende. Im Doktoratskolleg seien Ingenieure, Mathematiker und sogar eine Philosophiestudentin aus Sizilien dabei. Daher sei der Diskussionsstandard sehr hoch, erzählt Pesak, erwähnt aber im gleichen Atemzug: Möglich ist dies, weil das Betreuungsverhältnis und die Finanzierung stimmen. Ihrer Erfahrung aus der wissenschaftlichen Praxis nach sei Interdisziplinarität am Anfang des Studiums "sehr schwierig". Schließlich sei eine gute Grundlagenausbildung und eine Vertiefung auf einem Gebiet vonnöten. Das größte Potenzial des Fleckerlteppich-Studiums sieht sie in der Forschung - im PhD- und Postdoc-Bereich. (Julia Grillmayr, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.12.2011)