Zur Person:

Iris Appiano Kugler (46) ist Juristin und hat als Gleichbehandlungs- und Gender Mainstreaming Beauftragte des AMS Wien maßgeblich an der Umsetzung des Frauenförderungsplans des AMS mitgewirkt. Sie ist neben ihrer Tätigkeit beim AMS als selbstständige Unternehmensberaterin tätig. Seit Dezember 2011 bekleidet sie das Amt der Personalchefin von AMS Österreich.

Foto: AMS

Iris Appiano-Kugler war die meiste Zeit ihres Lebens Teilzeit beim Arbeitsmarktservice (AMS) beschäftigt und nun ist sie Chefin der Personalabteilung von AMS Österreich. Wie das? Der in herkömmlichen Unternehmen anzutreffende "absolute Karrierekiller Teilzeit" existiert beim AMS nicht, erklärt die Gender Mainstreaming-Expertin im Interview mit dieStandard.at nicht ohne Stolz. Was das AMS sonst noch für seine MitarbeiterInnen tut und was es mit dem selbstauferlegten Ziel des AMS auf sich hat, die Fördergelder paritätisch unter den Kundinnen und Kunden aufzuteilen, erklärt sie Ina Freudenschuß.


dieStandard.at: Beim AMS gibt es seit 1996 ein "Gleichstellungs- und Frauenförderungsprogramm", in dieser Zeit konnte der Frauenanteil an Führungspersonal von 23 auf 42 Prozent erhöht werden. Wie ist Ihnen das gelungen?

Appiano-Kugler: Das ist vor allem der Erfolg der Frauengrundsatzabteilung des AMS und ihrer Leiterin, Hilde Stockhammer, und der Erfolg des AMS-Managements.

Grundsätzlich war das sehr viel Arbeit. Ich war in diesen Jahren ja für die Gleichstellung in Wien zuständig. Wir haben zunächst begonnen alle Führungskräfte zu schulen: Sie sollten wissen, was mit Gender Mainstreaming gemeint ist. Anschließend kamen alle MitarbeiterInnen dran. Die Führungskräfte werden in Wien mittlerweile alle zwei Jahre in Gender und Diversity geschult, bei den MitarbeiterInnen sind wir inzwischen bei zwei Drittel angelangt. In den Bundesländern ist das zum Teil unterschiedlich, weil sie bei der Umsetzung des Plans aufgrund unseres föderalistischen Prinzips freie Hand haben.

Eine wichtige Voraussetzung für Gleichstellung in einem Unternehmen ist es, Akzeptanz und Bewusstsein bei den MitarbeiterInnen herzustellen: Es geht darum, Rollenklischees und Stereotypen zu korrigieren, die immer noch in Köpfen herumgeistern. Schulungen bereiten also den Boden auf, bei den Führungskräften selbst und zweitens bei den Mitarbeiterinnen, dass die sich auch für Führungspositionen bewerben. In Wien haben wir das Problem nicht so sehr, aber in gewissen Landesorganisationen hörten wir bis vor kurzem noch gerne den Satz: 'Es hat sich halt keine gemeldet'. Wenn ich das zum dritten Mal höre, lasse ich es schlicht nicht mehr gelten, weil so etwas dann ein Auftrag für die Personalabteilung/Personalentwicklung ist.

dieStandard.at: Sie haben beim AMS ja einen recht hohen Frauenanteil, er liegt im Österreichschnitt bei 60 Prozent. Das ist der Frauenförderung vermutlich nicht abträglich.

Appiano-Kugler: Ja, in Wien sind es sogar fast 70 Prozent. Ein hoher Frauenanteil in einem Unternehmen ist aber noch keine Garantie für viele Frauen in Führungspositionen. In Wien sind derzeit 50 Prozent Frauen in Führung, aber nicht einmal hier repräsentieren sie an der Spitze ihren Anteil im Unternehmen. Anders gesagt: Männer sind zwar in der Unterzahl, auf Führungsebene aber immer noch mit 60 Prozent vertreten. Das ist in meinen Augen nicht gerechtfertigt.

dieStandard.at: Wo greift der Gleichstellungsplan sonst noch?

Appiano-Kugler: Mir ist sehr wichtig zu betonen, dass es Gleichstellungs- und Frauenförderplan heißt, d.h. der überwiegende Teil dieses Plans richtet sich an beide Geschlechter, da wo es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familien geht. Das AMS berücksichtigt, dass zwei Drittel der unbezahlten Arbeit in unserer Gesellschaft von Frauen geleistet wird. Für den Erfolg des Unternehmens ist es wichtig, solche gesellschaftlichen Eckdaten mit einzubeziehen und zu berücksichtigen. Das bedeutet aber auch, dass wir Männer und Väter einladen, in Karenz zu gehen und Teilzeit zu arbeiten.

dieStandard.at: Und wird das angenommen?

Appiano-Kugler: In Wien haben wir einen Teilzeit-Anteil von 21 Prozent, aber der Frauenanteil macht da mit zwei Drittel weit mehr aus. Österreichweit sind 29 Prozent der MitarbeiterInnen teilzeitbeschäftigt, wobei hier der Männeranteil bei nur acht Prozent liegt. Bei den Karenzen stellen die Männer drei Prozent.

dieStandard.at: Sie selbst haben beim AMS Karriere gemacht, seit Dezember 2011 sind Sie Personalchefin von AMS Österreich. Waren Sie immer Teilzeit beschäftigt?

Appiano-Kugler: Fast immer! Ich habe neben meiner Tätigkeit beim AMS Expertise im Bereich Unternehmensberatung aufgebaut und habe dann über viele Jahre zwei Jobs bedient, die beide so flexibel waren, dass sie auch noch mit Kind gut funktioniert haben. Bei uns ist Teilzeit kein Karrierenachteil, im Gegensatz zu anderen Unternehmen, wo Teilzeit normalerweise der Karriere-Killer schlechthin ist.

dieStandard.at: Ist das Signal des Unternehmens, dass ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig ist, also der zentrale Baustein, damit die Frauenförderung gelingen kann?

Appiano-Kugler: Nicht nur. Der AMS-Vorstand hat Gleichstellung als wichtigen Wert und Ziel in der Unternehmensführung festgeschrieben. Es macht einen Unterschied, ob ich als Frau in einem Unternehmen arbeite, wo das kein Thema ist und man einfach zu funktionieren hat, egal was frau sonst noch für Betreuungspflichten um den Job herum zu erledigen hat. Es gibt ein Bewusstsein für den Gesamtzusammenhang, in dem sich Frauen und immer mehr Männer befinden.

dieStandard.at: Das AMS hat sich nicht nur der Gleichstellung nach innen, sondern auch nach außen hin verpflichtet, indem es Gender Budgeting bei der Förderung ihrer KundInnen festgeschrieben hat. Können Sie diese Ziele erreichen?

Appiano-Kugler: Wir arbeiten daran und wir haben es implementiert. Es gibt zum Beispiel seit 2006 kein Datenpaket beim AMS, das nicht geschlechtsspezifisch ausgewertet werden kann. In anderen Unternehmen ist das ein großes Problem.

dieStandard.at: Und bei den Fördergeldern?

Appiano-Kugler: In der Vergangenheit haben wir die 50 Prozent österreichweit schon erreicht, derzeit liegen wir bei 49 Prozent, d.h. 49 Prozent des Förderbudgets werden für Frauen ausgegeben, der Anteil der Frauen an allen von Arbeitslosigkeit Betroffenen lag 2010 jedoch bei 43 Prozent. Man sieht also deutlich, dass Frauen vom AMS überproportional gefördert werden.

dieStandard.at: Hier gibt es sicher auch regionale Unterschiede.

Appiano-Kugler: Alle Länder bemühen sich, obwohl es ist nicht immer ganz leicht ist. Das AMS bewegt sich mit seinen Maßnahmen ja nicht im luftleeren Raum. In Wien gibt es zum Beispiel die Ausbildungsgarantie für junge Leute, der wir als AMS auch gerne nachkommen. Wenn man aber weiß, dass zwei Drittel der Lehrstellensuchenden Burschen sind, dann ist klar, dass sich das Halbe-Halbe Förderbudget nicht immer gut ausgehen wird angesichts der großen Kosten, die dieser Bereich verursacht.

Die zwei größten Förderpunkte sind für uns der Widereinstieg von Frauen und Frauen-Förderung in nicht-traditionelle Berufe. Mit dem Programm "Frauen in Handwerk und Technik" haben wir sehr viel Erfolg, weil es neben einer Langzeitförderung auch parallel Beratung und Unterstützung für die Kundinnen ermöglicht. Hier werden auch lange Ausbildungen wie Fachhochschulen, Fachschulen, Lehren und sogar Hochschulen gefördert. Gerade die Förderung von auch bildungsfernen Schichten in zukunftsfähige Berufe verstehen wir beim AMS unter Herstellung von Chancengleichheit. (dieStandard.at, 2.1.2012)