Doch während diese väterliche Lebensphase in skandinavischen Ländern nichts Exotisches ist, bleibt der karenzierte Mann hierzulande ein (fast) unbekanntes Wesen. UnternehmensberaterInnen nehmen sich nun dieses Stiefkinds an.

Roman Steinbrucker ist Projektmanager für Event & Sponsoring in der Generali Gruppe in Wien. Der 34-Jährige ist verheiratet und Vater der kleinen Anna-Theresa. Was Steinbrucker von anderen seines Alters unterscheidet: Er hat sich acht Monate nach der Geburt seiner Tochter karenzieren lassen - wohingegen seine Frau Manuela wieder in den Fachverband der Metallwarenindustrie der Wirtschaftskammer Österreich zurückkehrte.

Vorbild Skandinavien

Sie hätten sich das damals durchgerechnet und gefunden, es gäbe keine Einbußen, und außerdem hätten sie schon vor der Geburt der Tochter halbe-halbe gemacht. Ihre große Angst, erinnert sich Frau Steinbrucker, sei gewesen, dass sich die Tochter ihr entfremden würde, aber dem sei nicht so gewesen. Und ihr Mann freut sich, dass er die Vorurteile seiner damaligen Kollegen - "Da kannst den ganzen Tag nur Windeln waschen" - widerlegen konnte. Rundum also ein zufriedenes Paar, und angesichts der lebhaft herumtollenden kleinen Anna-Theresa auch ein glückliches Kind.

"Traum und Wirklichkeit", nennt denn auch Erich Lehner, Psychoanalytiker und Fachmann für Väterkarenz des Ludwig Boltzmann Instituts für Werteforschung, die zusammengefassten Ergebnisse mehrerer europäischer Studien zum Thema "Vaterkarenz". Im Jahr 2002 befanden sich 1725 Männer und 86.278 Frauen in Karenz, zwei Prozent gegenüber 98 Prozent. In Deutschland sei das ebenso, in Frankreich sogar noch geringer, nur in den skandinavischen Ländern gibt es offenkundig nicht nur gesellschaftliche Akzeptanz, sondern auch die nötigen Rahmenbedingungen.

70 Prozent in Norwegen

In Norwegen nehmen 70 Prozent der Männer ihren Erziehungsurlaub in Anspruch, in Schweden auch immerhin 12,4 Prozent. Bei der Erklärung für dieses Phänomen kommt der Sozialforscher schließlich darauf, dass es sich finanziell einfach rechnet, in Karenz zu gehen. Der obligate Papa-Monat in Schweden - zwölf Monate Karenz bezahlt, ein Monat ausschließlich für den Vater, wenn nicht, verfällt die Unterstützung - und die Drittelung in Island, die ebenfalls mit dem Prinzip "use it or lose it" gekoppelt ist. In Dänemark und Finnland bestehen ähnliche Regelungen. Die finanzielle Unterstützung besteht in 80 Prozent des letzten Gehalts, daneben gibt es ausgedehnte Kinderbetreuung, Recht auf Teilzeit bis zum 7. Lebensjahr des Kindes und nationale Väter-Bildungskampagnen.

37 Prozent der Männer wollen - und nach noch nicht veröffentlichten Zahlen will bereits jeder zweite Mann - in Karenz gehen (und zwei Drittel der Frauen wollen, dass er geht!). Die Frage ist, warum tun es - noch immer - so wenige. Und ob die gegenwärtige Pensionsdiskussion den Drang zur Karenz insgesamt und zur Väterkarenz im Besonderen verstärken wird, kann bezweifelt werden.

Wie auch immer, die im Prinzip männerdominierte Wirtschaftskammer Österreich (WKO) hat in ihrer Fachgruppe Unternehmensberatung & Informationstechnologie mit immerhin österreichweit 33.000 Mitgliedern eine Spin-Gruppe installiert, die Betriebe und und künftige Karenzierte berät. Damit aus dem Traum in der Zukunft einmal Wirklichkeit wird - wenn auch sicher kein Massenphänomen. (pest/DER STANDARD, Printausgabe 06./07./08.06.2003)