Mürzzuschlag - Welche Gründe mag es geben, bei immerhin 30 Grad im abendlichen Schatten nach Mürzzuschlag aufzubrechen, um sich dort mit Becketts Warten auf Godot abzukühlen? Ein erster, etwas äußerlich geratener liegt im Bühnenjubiläum des absurden Dramas, das 1953 seine Uraufführung erlebte.

Nachgeborene Existenzialisten können immerhin nach hitzeresistenten Leidensgenossen Ausschau halten. Oder man hat treuherzig zugehört, wie die Bundeskulturpolitik ihre eigenwilligen Schwerpunktsetzungen jüngst mit einem Ausflug in die Obersteiermark rechtfertigte. Kulturstaatssekretär Franz Morak gab an, den vielleicht besten Shakespeare seines Lebens in Oberzeiring erlebt zu haben. Gespielt von jener Studiobühne THEO, die jetzt in Mürzzuschlag mit Becketts Geniestreich gastierte.

Nun wäre es schließlich nicht das erste Mal, dass eine schräge Meinung sich dem Absurden näherte. Prüfenswert scheint es auf alle Fälle, was sich abseits großer Theaterzentren tut. Schon allein deshalb wartete man zwar verschwitzt, doch glücklich fast drei Stunden lang aufs Neue auf Godot.

Natürlich ist er wieder nicht gekommen. Was aber kam, war fleißig eingeübtes Theater: Nicht schärfer hätten die Figuren konturiert sein können. Hans T. Tafner gibt einen ganz verträumten, romantisch eingefärbten Estragon, der seinen Weg des Weges wegen geht. Axel Grau ist ein oft nur überreizter Wladimir. Dirk Küpper, als Pozzo ins Vampirfach abgeglitten, wird durch seinen Sklaven Lucky freigespielt, der den Restbestand an quälerischem Existenzialismus allein durchs Stück trägt.

Didaktisch auffrisiert, wird die von Beckett eingebaute Metaebene zum beständig wiederkehrenden Stück im Stück - wenn Wladimir das Textbuch zückt und sich über die verpatzte Eingangsszene laut mokiert. Ansonsten wird strikte auf Becketts Weisung hin aus dem Fundus ältester Theaterwitze geschöpft. Betont sind die vom Autor dicht verstreuten Clownerien.

Dass trotzdem bald die Langeweile herrscht, darf ebenfalls als werkgetreu gelten. Zuletzt reicht eine Sicherheit, die weit über die biedere Darbietung hinausweist, wohl bis an die Pforten der Subventionspolitik: Absehbar bleibt jedes Ende aufgeschoben. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2003)