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Der Leiter der Universitäts-Frauenklinik, Peter Husslein, präsentierte das Gutachten bei einer Pressekonferenz.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien - Im Fall einer Frühschwangeren, die vor einigen Wochen in Wiener Spitälern nach Blutungen nicht aufgenommen wurde und eine Fehlgeburt erlitt, sei es an der Universitäts-Frauenklinik der MedUni Wien im AKH "zu keinem medizinischen Fehlverhalten" gekommen. Das ist das Fazit eines medizinischen Gutachtens aus Deutschland, das von Med-Uni-Wien-Rektor Wolfgang Schütz und dem Leiter der Universitäts-Frauenklinik, Peter Husslein, bei einer Pressekonferenz am Donnerstag präsentiert wurde. Das Gutachten stammt von Klaus Friese, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Schütz wies die Vorwürfe gegen das AKH als ungerechtfertigt zurück: "Es wurde medizinisch völlig korrekt gehandelt, sowohl im AKH als auch in den anderen betreffenden Krankenhäusern." Es sei zwar ein Dokumentationsfehler seitens der behandelnden Ärztin passiert, dieser habe jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Schwangerschaft der Patientin gehabt. Ursache dafür seien die Angaben der Patientin bei ihrer Aufnahme gewesen.

"Hätte die Patientin bei ihrer Aufnahme Blutungen als Grund für den Krankenhausbesuch angegeben, wäre sie anders behandelt worden", erklärte Husslein. "Sie kam aber mit einer Zuweisung zur Geburtsanmeldung und einer Nackentransparenzmessung des Ungeborenen und wurde auch in die dementsprechende Warteschlange gereiht." Erst nachdem die zuständige Fachärztin eine Risikoschwangerschaft ausgeschlossen hatte, habe die Patientin von den Blutungen berichtet.

Blutungen in dieser Phase häufig

In der Nacht zuvor war die Patientin wegen leichter Blutungen ins Krankenhaus Göttlicher Heiland gefahren. Dort wurde sie jedoch nicht aufgenommen, sondern für den nächsten Tag wiederbestellt. Dies sei auch völlig korrekt, da Blutungen in dieser Phase der Schwangerschaft relativ häufig seien und es zudem keine medikamentöse Therapie gebe, sagte Husslein. Da die Patientin im AKH von keinen Verschlechterungen seit dem Krankenhausbesuch in der Nacht zuvor berichtet habe, sei sie von der Ärztin - wie in solchen Fällen üblich - nach Hause geschickt worden. "Eine Aufnahme erfolgt in einem Krankenhaus, wenn es sich um eine starke Blutung handelt, die eine Gefährdung insbesondere der Mutter darstellt", heißt es in dem zitierten Gutachten.

Unmittelbar danach begab sich die Patientin in das Krankenhaus Rudolfstiftung, wo sie jedoch ohne ärztliche Konsultation erst für den nächsten Tag wiederbestellt wurde. Nach dreitägigem stationärem Aufenthalt in der Rudolfstiftung wurde sie nach Hause entlassen, vier Tage später verlor sie ihr Kind.

Patientenanwalt sieht Gutachten skeptisch

Der Wiener Patientenanwalt Konrad Brustbauer hingegen sieht das präsentierte Gutachten skeptisch. Er hegt Zweifel, ob das Gutachten "auf einer ausreichenden Befundlage" beruhe, so Brustbauer. Schließlich gebe es seitens des AKH keinen Befund, da die Frau nicht untersucht wurde. Zudem dürfe die Rudolfstiftung, bei der die Patientin letztlich stationär aufgenommen wurde, ihren Befund aus rechtlichen Gründen nicht weitergeben.

Man müsse sich also fragen, auf welchen Daten die Expertise von Gutachter Klaus Friese beruhe. Von einem "Gefälligkeitsgutachten" für das AKH wollte Brustbauer aber nicht sprechen.

MedUni erfuhr MA-40-Vorwürfe aus Medien

"Wir fühlen mit Frau W. und ihrer Familie. Es ist äußerst bedauerlich, dass sie ihr Kind verloren hat, doch ist dieser Verlust nicht auf einen ärztlichen Fehler zurückzuführen", erklärte MedUni-Rektor Schütz bei der Pressekonferenz. Die massiven Vorwürfe der zuständigen MA 40 (Sozial- und Gesundheitsrecht) im "Kurier" wies er zurück: "Wir wurden bis heute nicht von der MA 40 informiert und erfuhren von dem Bericht selbst erst durch die Medien. Die Vorgangsweise einer objektiven Behörde, die schwere Vorwürfe in den Medien erhebt, ohne dies vorher mit uns abzusprechen, ist unüblich." 

Auch Husslein kritisierte den Bericht der MA 40 scharf. Was im AKH als schwer mangelhaft bezeichnet wurde, sei in der Rudolfstiftung überhaupt völlig ausgeblieben. "Es gab im AKH Kontakt zu einer Ärztin und eine relativ genaue - wenn auch nicht vollständige - Dokumentation. In der Rudolfstiftung hingegen gab es weder ein Arztgespräch noch eine Dokumentation." Dennoch sei die Vorgangsweise in der Rudolfstiftung als vorbildlich gelobt worden, während dem AKH schwere Missstände vorgeworfen würden. Als besonders bedauerlich betrachtete Husslein, dass dieser Fall in der Bevölkerung hohe Verunsicherung auslöse.

KAV-Direktor sieht sich bestätigt

Der Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV), Wilhelm Marhold, wollte das deutsche Gutachten nicht kommentieren. Das Gutachten bzw. die medizinische Frage sei nicht sein Thema, so Marhold. Ihm gehe es darum sicherzustellen, dass jeder Wiener im Bedarfsfall untersucht werde. Er hat sich am Donnerstag in seiner ursprünglichen Kritik, dass die Frühschwangere im AKH nicht untersucht wurde, bestätigt gefühlt. Husslein habe offenbar eingesehen, dass die Frau untersucht hätte werden müssen, so Marhold.

Schließlich gebe es für alle Wiener Krankenanstalten die Weisung, dass jeder hilfesuchende Patient zu administrieren sei, von einem dazu qualifizierten Arzt untersucht und wenn notwendig aufgenommen werden müsse, betonte Marhold. Insofern sei es "medizinisch, rechtlich und humanitär nicht haltbar" gewesen, die betreffende Frau nicht zu untersuchen.

Nicht nachvollziehen konnte Marhold Hussleins dahingehende Kritik, wonach die Frau auch in der Rudolfstiftung - das Spital gehört zum KAV - zuerst ohne Untersuchung bzw. ohne Arztkontakt nach Hause geschickt worden sei. Es gebe seitens der Rudolfstiftung eine umfangreiche Dokumentation, die belege, dass die Frau in diesem Fall sich für eine reguläre Geburt anmelden wollte. "Sie hat kein Wort über die Blutungen verloren", versicherte Marhold: "Hussleins Vorwurf geht ins Leere." (David Rennert, APA, derStandard.at, 9.2.2012)