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Hannes Androsch und Bernd Schilcher.

Foto: APA/Schlager

So viel Harmonie ist man im Budgetsaal des Parlaments nicht mehr gewohnt. In den letzten Wochen diente der Saal als Heimstätte des Untersuchungsausschusses. Um 100.000 Euro an diese Partei oder jene Werbeagentur, um korrupte Politiker und korrumpierende Manager geht es hier normalerweise.

Am Donnerstag startete man mit gegenseitigen Beglückwünschungen in eine andere Debatte, der besondere Ausschuss zur Behandlung des Bildungsvolksbegehrens setzte sich in einer ersten inhaltlichen Sitzung mit der Elementarpädagogik auseinander. Die Parlamentsparteien bekundeten in einer seltenen Einigkeit zu Beginn der Sitzung, dass die Behandlung des Bildungsvolksbegehrens ein "erster großer Erfolg" sei. Den Initiatoren sei zu danken. Hannes Androsch kennt das Spiel der gegenseitigen Höflichkeiten. "Ich möchte mich bei Ihnen bedanken", sagt Androsch.

"Es ist mit Sicherheit nicht alles schlecht, was unser Bildungssystem anbelangt, aber das ändert nichts daran, dass es beträchtliche Schwächen gibt", sagt der ehemalige Vizekanzler. Rund vier Monate nachdem knapp 383.000 Personen das von ihm mitinitiierte Bildungsvolksbegehren unterzeichnet haben, wird es nun im Parlament behandelt. Regelrecht optimistisch zeigt sich der Industrielle. Er habe "große Hoffnung", dass die in der Bildungsdebatte herrschende Resignation "durch konkrete Ergebnisse überwunden werde". Es bedürfe einer "nationalen Kraftanstrengung". Die wird an diesem Tag noch öfter herbeigerufen.

"Sehr viel bewirkt"

Androsch fordert, die "machtpolitischen, regionalen und interessenbezogenen" Hürden zu beseitigen, einen verstärkten Sprachenunterricht und ein "zeitgemäßes Dienst- und Besoldungsrecht" einzuführen. Mehr Kompetenzen im Bildungsbereich mahnt Androsch für den Bund ein. In zwölf Punkten haben die Initiatoren ihre Forderungen niedergeschrieben. Nun redet man über jeden Einzelnen im Parlament. "Ich gehe davon aus, dass unsere Hoffnungen begründet sind", wendet sich Androsch an die Parlamentarier.

Es klingt ein bisschen wie ein Trost, wenn Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) in ihrer Stellungnahme sagt, das Bildungsvolksbegehren habe schon "sehr viel bewirkt" und Druck aufgebaut. Die Behandlung im Parlament werde "wichtige Beiträge dazu leisten, dass etwas weitergeht", so Schmied.

"Zeichen von Wertschätzung"

Vorsitzender des besonderen Ausschusses ist Elmar Mayer, der Vorarlberger ist auch Bildungssprecher der SPÖ. Er hofft, dass die Behandlung der Forderungen des Bildungsvolksbegehrens ein "Zeichen von Wertschätzung" sein wird und am Ende auch "konkrete Antworten" gegeben werden können. Für seine Parteikollegin Andrea Kuntzl ist der Ausschuss ein "Etappenziel, jedenfalls schon ein Erfolg".

Silvia Fuhrmann (ÖVP) sieht in der Behandlung ein "Zeichen, dass wird das Volksbegehren ernst nehmen". Der Bildungssprecher der FPÖ, Walter Rosenkranz, mahnt in der Bildungsdebatte eine Differenzierung zwischen "Bildung" und "Ausbildung" ein. Er sieht die "Gefahr, dass junge Menschen nur einer rein wirtschaftlichen Brauchbarkeit zugeschrieben werden".

"Matthäus-Prinzip"

Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, fordert in der Debatte ein Abgehen von der Sicht der Ganztagsschule als Betreuungsangebot "hin zu modernen pädagogischen Konzepten und verschränktem Unterricht". An Konzepten mangle es nicht, "sondern an Mut, diese auch umzusetzen". Noch immer werde in der Bildung nach dem "Matthäus-Prinzip" gehandelt. Walser erläutert: "Den Reichen wird gegeben, den Armen wir genommen."

"Das Bildungssystem ist reformbedürftig und ist ein Spielball von parteipolitischen und Länderinteressen", sagt Ursula Haubner. Das BZÖ will vor allem Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung abgeschafft wissen. Einig sind sich die Parteien bei der Notwendigkeit eines neuen Dienst- und Besoldungsrechts sowie einer neuen Pädagogenausbildung. Neben den Proponenten des Volksbegehrens und Mandataren des Bundesrats sowie des Nationalrats konnte jede Fraktion Experten für den inhaltlichen Teil der Sitzung nominieren.

Frühkindliche Erziehung

"Weniger Kinder, mehr Bezahlung!" - Ein Zwischenruf bringt die Forderungen einer Elementarpädagogin auf den Punkt. Der Kindergarten ist noch immer ein vernachlässigter Teil der bildungspolitischen Diskussion. Ob, wo und wie lange ein Kind vor seinem Schuleintritt in einem Kindergarten ist, welche Standards bei Ausbildung und Bezahlung angewendet werden und wie lange der Kindergarten offen hat, hängt vor allem vom jeweiligen Bundesland ab.

KindergartenpädagogInnen werden schlechter bezahlt als LehrerInnen, und Österreich ist eines der wenigen europäischen Länder, in denen deren Ausbildung nicht an einer Universität oder einer Pädagogischen Hochschule stattfindet. 

"Freue mich, dass der Kindergarten im Parlament angekommen ist"

Die Initiatoren des Volksbegehrens fordern ein flächendeckendes Angebot elementarpädagogischer Einrichtungen für Null- bis Sechsjährige sowie die Schaffung von bundesweiten Ganztagsangeboten.

"Ich freue mich, dass der Kindergarten im Parlament angekommen ist", meint Heidemarie Lex-Nalis, ehemalige Direktorin einer Bundesanstalt für Kindergartenpädagogik und von den Grünen eingeladene Expertin. Es gebe "himmelweite Unterschiede", die nach einer Vereinheitlichung verlangten, so Lex-Nalis. "Der Föderalismus passt hier nicht", betonte der Mitinitiator und ÖVP-Bildungsexperte Bernd Schilcher in seiner Stellungnahme.

Als Experten in Sachen Elementarpädaogik hat die ÖVP den Vorarlberger Landesrat Siegmund Stemer eingeladen, die SPÖ die Neurowissenschaftlerin Manuela Macedonia vom Max-Planck-Institut in Leipzig. "Ein Kind lernt nie wieder so leicht wie in seinen ersten Lebensjahren", sagt Macedonia. "Verbringt das Kind die 'sensiblen Phasen' in einer suboptimalen Situation, schwinden seine Chancen, sein geistiges und emotionales Potenzial voll auszuschöpfen." Daher sei die frühkindliche Phase so wichtig. "Wolferl wäre nie Mozart geworden, wenn Vizekapellmeister Leopold Mozart die frühmusikalische Erziehung seiner Kinder nicht bewusst und intensiv vorangetrieben hätte", so Macedonia.

"Damit das zum Schluss nicht verloren geht"

Da die Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt sind, ist eine Reform im elementarpädagogischen Bereich jedoch schwierig, weil jeweils 15a-Vereinbarungen mit den Ländern nötig werden. Schmied: "Und ich kenne keinen einzigen 15a-Vertrag, der nicht mit zusätzlichen Finanzmitteln gekoppelt ist." Für Daniela Musiol von den Grünen ist daher eine "Kompetenzverschiebung" notwendig. "Wann immer wir über bessere Ausbildung oder bessere Rahmenbedingungen reden, schreit Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer zu Recht auf: 'Das können wir uns nicht leisten!'", so Musiol.

Am Ende der drei Stunden dauernden Sitzung herrscht Einhelligkeit, dass mehr Betreuungsplätze notwendig sind und die Ausbildung reformiert gehört. Und Hannes Androsch mahnt zur Umsetzung: "Wo Übereinstimmung zwischen den Fraktionen besteht, muss das festgehalten und gebündelt werden", sagt Androsch zum weiteren Verlauf des Ausschusses, "damit das zum Schluss nicht verloren geht." 

Die nächste Sitzung zum Bildungsvolksbegehren findet am 16. April statt. Themen dann: "Pädagogische Schwerpunkte" und "Organisatorische Schwerpunkte". (seb, derStandard.at, 1.3.2012)